Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bahn, Nikolaus: Das unschuldig vergoßne Blut. [Pirna], [1701].

Bild:
<< vorherige Seite

Das unschuldig vergossene Blut.
lange er auf Erden seyn wird; Verflucht soll seyn des MördersSee-
le/ woferne er nicht rechtschaffene Busse thut/ denn wenn die Erde ihr
Maul auffgethan/ seines Bruders Blut zu empfahen/ so soll die Hölle
ihren Rachen auffsperren/ ihn zu verschlingen. Der Welt berühmte
Prediger zu Hamburg/ Herr D. Johann Friedrich Mäyer/ schreibet
in dem bey doppelten Mord unschuldigen Wittenberg/ Conc. 2. p. m.
35. Von dem Cain melden die Rabbinen/ daß/ wo er gegangen/ die Erde
gezittert/ und eine Stimme geruffen: Fliehet/ der Mörder kömmt.

Dieses ist das gerechte Blut-Gericht/ so auch etlicher maßen unsern
Mörder betrifft. Besser hat ers zwar in diesem Fall gemacht/ als Cain/
welcher die Mordthat seines Bruders noch fein trotzig und kühne ge-
leugnet/ wenn er dem allwissenden GOtt geantwortet: Ich weiß
nicht! Soll ich meines Bruders Hüter seyn?

(Mitissima vox est, ubi est Habel, Frater tuus? Ad hanc tamen mi-
nime asperam vocem adeo ferociter & superbe respondet hypocritae
& homicida, ut dicat: Nescio, & indignetur se hac de re compellae-
ri, inqvit B. Luth. Comment. in Genes. in h. l. p. 68.)

Gestalten unser Mörder die begangene grausame Mordthat an sei-
nem leiblichen Kinde ohne eintziges Fragen selbsten freywillig angege-
ben/ dergestalt/ daß er/ wie schon oben gemeldet/ alsobald ein Weib zu
mir schickte/ mit den schrecklichen Worten: Sie solle mir sagen/ er
hätte sein Kind geschlachtet. Ich stelle es dahin/ ob das ermordete und
in seinem Blute liegende Kind dem mörderischen Vater alsobalden
zugeruffen: Cur me occidisti? Cur me occidisti? Warum hast
du mich ermordet? Warum hast du mich ermordet? Wie es also jenem
Mörder vorkam/ der ein kleines Kind ermordet hatte. Dieser Mör-
der hatte sich in ein Kloster gemacht/ und wolte allda Busse thun. Was
geschicht? Er kömmt zu dem Abt Zosimo, leget seine Münchs-Klei-
der nieder/ und bittet/ man möge ihm nur ein ander Kleid geben/ er
wolle nicht länger ein Mönch seyn. Wie ihm nun der Abt Zosimus
zuredet/ er solte bedenck[e]n/ daß er sich einmahl in den geistlichen Stand
begeben/ giebt er zur Antwort: Geistlicher Stand hin/ geistlicher
Stand her/ meine Blut-Schulden drucken mich/ denn es kömmt allezeit

ein
D

Das unſchuldig vergoſſene Blut.
lange er auf Erden ſeyn wird; Verflucht ſoll ſeyn des MoͤrdersSee-
le/ woferne er nicht rechtſchaffene Buſſe thut/ denn wenn die Erde ihr
Maul auffgethan/ ſeines Bruders Blut zu empfahen/ ſo ſoll die Hoͤlle
ihren Rachen auffſperren/ ihn zu verſchlingen. Der Welt beruͤhmte
Prediger zu Hamburg/ Herr D. Johann Friedrich Maͤyer/ ſchreibet
in dem bey doppelten Mord unſchuldigen Wittenberg/ Conc. 2. p. m.
35. Von dem Cain melden die Rabbinen/ daß/ wo er gegangen/ die Erde
gezittert/ und eine Stimme geruffen: Fliehet/ der Moͤrder koͤm̃t.

Dieſes iſt das gerechte Blut-Gericht/ ſo auch etlicher maßen unſern
Moͤrder betrifft. Beſſer hat ers zwar in dieſem Fall gemacht/ als Cain/
welcher die Mordthat ſeines Bruders noch fein trotzig und kuͤhne ge-
leugnet/ wenn er dem allwiſſenden GOtt geantwortet: Ich weiß
nicht! Soll ich meines Bruders Huͤter ſeyn?

(Mitiſſima vox eſt, ubi eſt Habel, Frater tuus? Ad hanc tamen mi-
nimè aſperam vocem adeò ferociter & ſuperbè reſpondet hypocritæ
& homicida, ut dicat: Neſcio, & indignetur ſe hac de re compellæ-
ri, inqvit B. Luth. Comment. in Geneſ. in h. l. p. 68.)

Geſtalten unſer Moͤrder die begangene grauſame Mordthat an ſei-
nem leiblichen Kinde ohne eintziges Fragen ſelbſten freywillig angege-
ben/ dergeſtalt/ daß er/ wie ſchon oben gemeldet/ alſobald ein Weib zu
mir ſchickte/ mit den ſchrecklichen Worten: Sie ſolle mir ſagen/ er
haͤtte ſein Kind geſchlachtet. Ich ſtelle es dahin/ ob das ermordete und
in ſeinem Blute liegende Kind dem moͤrderiſchen Vater alſobalden
zugeruffen: Cur me occidiſti? Cur me occidiſti? Warum haſt
du mich ermordet? Warum haſt du mich ermordet? Wie es alſo jenem
Moͤrder vorkam/ der ein kleines Kind ermordet hatte. Dieſer Moͤr-
der hatte ſich in ein Kloſter gemacht/ und wolte allda Buſſe thun. Was
geſchicht? Er koͤmmt zu dem Abt Zoſimo, leget ſeine Muͤnchs-Klei-
der nieder/ und bittet/ man moͤge ihm nur ein ander Kleid geben/ er
wolle nicht laͤnger ein Moͤnch ſeyn. Wie ihm nun der Abt Zoſimus
zuredet/ er ſolte bedenck[e]n/ daß er ſich einmahl in den geiſtlichen Stand
begeben/ giebt er zur Antwort: Geiſtlicher Stand hin/ geiſtlicher
Stand her/ meine Blut-Schulden drucken mich/ denn es koͤm̃t allezeit

ein
D
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsSermon" n="1">
        <div type="fsMainPart" n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0023" n="25[23]"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#b">Das un&#x017F;chuldig vergo&#x017F;&#x017F;ene Blut.</hi></fw><lb/>
lange er auf Erden &#x017F;eyn wird; Verflucht &#x017F;oll &#x017F;eyn des Mo&#x0364;rdersSee-<lb/>
le/ woferne er nicht recht&#x017F;chaffene Bu&#x017F;&#x017F;e thut/ denn wenn die Erde ihr<lb/>
Maul auffgethan/ &#x017F;eines Bruders Blut zu empfahen/ &#x017F;o &#x017F;oll die Ho&#x0364;lle<lb/>
ihren Rachen auff&#x017F;perren/ ihn zu ver&#x017F;chlingen. Der Welt beru&#x0364;hmte<lb/>
Prediger zu Hamburg/ Herr <hi rendition="#aq">D.</hi> <hi rendition="#fr">Johann Friedrich Ma&#x0364;yer/</hi> &#x017F;chreibet<lb/>
in dem bey doppelten Mord un&#x017F;chuldigen Wittenberg/ <hi rendition="#aq">Conc. 2. p. m.</hi><lb/>
35. Von dem Cain melden die Rabbinen/ daß/ wo er gegangen/ die Erde<lb/>
gezittert/ und eine Stimme geruffen: <hi rendition="#fr">Fliehet/ der Mo&#x0364;rder ko&#x0364;m&#x0303;t.</hi></p><lb/>
            <p>Die&#x017F;es i&#x017F;t das gerechte Blut-Gericht/ &#x017F;o auch etlicher maßen un&#x017F;ern<lb/>
Mo&#x0364;rder betrifft. Be&#x017F;&#x017F;er hat ers zwar in die&#x017F;em Fall gemacht/ als Cain/<lb/>
welcher die Mordthat &#x017F;eines Bruders noch fein trotzig und ku&#x0364;hne ge-<lb/>
leugnet/ wenn er dem allwi&#x017F;&#x017F;enden GOtt geantwortet: <hi rendition="#fr">Ich weiß<lb/>
nicht! Soll ich meines Bruders Hu&#x0364;ter &#x017F;eyn?</hi></p><lb/>
            <list>
              <item> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">(Miti&#x017F;&#x017F;ima vox e&#x017F;t, ubi e&#x017F;t Habel, Frater tuus? Ad hanc tamen mi-<lb/>
nimè a&#x017F;peram vocem adeò ferociter &amp; &#x017F;uperbè re&#x017F;pondet hypocritæ<lb/>
&amp; homicida, ut dicat: Ne&#x017F;cio, &amp; indignetur &#x017F;e hac de re compellæ-<lb/>
ri, inqvit B. Luth. Comment. in Gene&#x017F;. in h. l. p. 68.)</hi> </hi> </item>
            </list><lb/>
            <p>Ge&#x017F;talten un&#x017F;er Mo&#x0364;rder die begangene grau&#x017F;ame Mordthat an &#x017F;ei-<lb/>
nem leiblichen Kinde ohne eintziges Fragen &#x017F;elb&#x017F;ten freywillig angege-<lb/>
ben/ derge&#x017F;talt/ daß er/ wie &#x017F;chon oben gemeldet/ al&#x017F;obald ein Weib zu<lb/>
mir &#x017F;chickte/ mit den &#x017F;chrecklichen Worten: Sie &#x017F;olle mir &#x017F;agen/ er<lb/>
ha&#x0364;tte &#x017F;ein Kind ge&#x017F;chlachtet. Ich &#x017F;telle es dahin/ ob das ermordete und<lb/>
in &#x017F;einem Blute liegende Kind dem mo&#x0364;rderi&#x017F;chen Vater al&#x017F;obalden<lb/>
zugeruffen: <hi rendition="#aq">Cur me occidi&#x017F;ti? Cur me occidi&#x017F;ti?</hi> Warum ha&#x017F;t<lb/>
du mich ermordet? Warum ha&#x017F;t du mich ermordet? Wie es al&#x017F;o jenem<lb/>
Mo&#x0364;rder vorkam/ der ein kleines Kind ermordet hatte. Die&#x017F;er Mo&#x0364;r-<lb/>
der hatte &#x017F;ich in ein Klo&#x017F;ter gemacht/ und wolte allda Bu&#x017F;&#x017F;e thun. Was<lb/>
ge&#x017F;chicht? Er ko&#x0364;mmt zu dem Abt <hi rendition="#aq">Zo&#x017F;imo,</hi> leget &#x017F;eine Mu&#x0364;nchs-Klei-<lb/>
der nieder/ und bittet/ man mo&#x0364;ge ihm nur ein ander Kleid geben/ er<lb/>
wolle nicht la&#x0364;nger ein Mo&#x0364;nch &#x017F;eyn. Wie ihm nun der Abt <hi rendition="#aq">Zo&#x017F;imus</hi><lb/>
zuredet/ er &#x017F;olte bedenck<supplied>e</supplied>n/ daß er &#x017F;ich einmahl in den gei&#x017F;tlichen Stand<lb/>
begeben/ giebt er zur Antwort: Gei&#x017F;tlicher Stand hin/ gei&#x017F;tlicher<lb/>
Stand her/ meine Blut-Schulden drucken mich/ denn es ko&#x0364;m&#x0303;t allezeit<lb/>
<fw type="sig" place="bottom">D</fw><fw type="catch" place="bottom">ein</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25[23]/0023] Das unſchuldig vergoſſene Blut. lange er auf Erden ſeyn wird; Verflucht ſoll ſeyn des MoͤrdersSee- le/ woferne er nicht rechtſchaffene Buſſe thut/ denn wenn die Erde ihr Maul auffgethan/ ſeines Bruders Blut zu empfahen/ ſo ſoll die Hoͤlle ihren Rachen auffſperren/ ihn zu verſchlingen. Der Welt beruͤhmte Prediger zu Hamburg/ Herr D. Johann Friedrich Maͤyer/ ſchreibet in dem bey doppelten Mord unſchuldigen Wittenberg/ Conc. 2. p. m. 35. Von dem Cain melden die Rabbinen/ daß/ wo er gegangen/ die Erde gezittert/ und eine Stimme geruffen: Fliehet/ der Moͤrder koͤm̃t. Dieſes iſt das gerechte Blut-Gericht/ ſo auch etlicher maßen unſern Moͤrder betrifft. Beſſer hat ers zwar in dieſem Fall gemacht/ als Cain/ welcher die Mordthat ſeines Bruders noch fein trotzig und kuͤhne ge- leugnet/ wenn er dem allwiſſenden GOtt geantwortet: Ich weiß nicht! Soll ich meines Bruders Huͤter ſeyn? (Mitiſſima vox eſt, ubi eſt Habel, Frater tuus? Ad hanc tamen mi- nimè aſperam vocem adeò ferociter & ſuperbè reſpondet hypocritæ & homicida, ut dicat: Neſcio, & indignetur ſe hac de re compellæ- ri, inqvit B. Luth. Comment. in Geneſ. in h. l. p. 68.) Geſtalten unſer Moͤrder die begangene grauſame Mordthat an ſei- nem leiblichen Kinde ohne eintziges Fragen ſelbſten freywillig angege- ben/ dergeſtalt/ daß er/ wie ſchon oben gemeldet/ alſobald ein Weib zu mir ſchickte/ mit den ſchrecklichen Worten: Sie ſolle mir ſagen/ er haͤtte ſein Kind geſchlachtet. Ich ſtelle es dahin/ ob das ermordete und in ſeinem Blute liegende Kind dem moͤrderiſchen Vater alſobalden zugeruffen: Cur me occidiſti? Cur me occidiſti? Warum haſt du mich ermordet? Warum haſt du mich ermordet? Wie es alſo jenem Moͤrder vorkam/ der ein kleines Kind ermordet hatte. Dieſer Moͤr- der hatte ſich in ein Kloſter gemacht/ und wolte allda Buſſe thun. Was geſchicht? Er koͤmmt zu dem Abt Zoſimo, leget ſeine Muͤnchs-Klei- der nieder/ und bittet/ man moͤge ihm nur ein ander Kleid geben/ er wolle nicht laͤnger ein Moͤnch ſeyn. Wie ihm nun der Abt Zoſimus zuredet/ er ſolte bedencken/ daß er ſich einmahl in den geiſtlichen Stand begeben/ giebt er zur Antwort: Geiſtlicher Stand hin/ geiſtlicher Stand her/ meine Blut-Schulden drucken mich/ denn es koͤm̃t allezeit ein D

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/421583
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/421583/23
Zitationshilfe: Bahn, Nikolaus: Das unschuldig vergoßne Blut. [Pirna], [1701], S. 25[23]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/421583/23>, abgerufen am 24.11.2024.