Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mahler, Georg Ernst: Entwurff oder Merckbild Eines Gottergebenen Christen-Menschen. Freyberg, 1675.

Bild:
<< vorherige Seite
Abdanckungs-Rede.
(PRAEMISS. PRAEMITT.)

ES ist ein Fürst und Grosser gefallen in Jsrael. Also
kurtz und würcklich fange in dieser Hochansehnlichen Gegen-
wart ich die mir auffgetragene Lob-Klag- und Bedanckungs-
Rede anitzo billig an/ nach dem schon vor viel hundert Jahren
gegebenen Gesetz der Hochweisen Raths-Herren zu Athen
in ihrem Areopago, daß/ der von ihnen hat wollen gehöret werden/ seine
Rede vorbringen müssen aneu prooimiou kai pathous: Das ist/ sonder Ein-
gang/ stracks zur Sache/ und die ohne Bewegung. Ja der Schmertz
über den unversehenen Todes-Fall des weiland Wohl-Ehrwürdigen/
Groß-Achtbarn und Wohlgelahrten Herrn M. CHRISTOPHORI
BENEDICTI GERICCI
,
alten hochverdienten Pastoris der Kirchen all-
hier zu Waldheim/ wie auch derselben und gantzen Dioeces Inspectoris,
ihrer allerseits/ und auch meines hochgeehrten/ aber ach! gewesenen Va-
ters im HErrn/ numehro sel. der Schmertz/ sage ich/ der grosse Schmertz
bricht selbst meine Worte ab. Gleich als bey einer tieffen von scharffen
Waffen ohngefähr empfangenen Wunde man auch eher einen weissen
Strich und die Wunde selbst/ als das erschrockene Geblüth herausser-
fliessen siehet. Und hat der beste/ himmlische und Göttliche Redner fast
dergleichen empfunden/ da er von seines geliebten Harans tödlichen Hin-
tritt nur halb und abgebrochen redet: Und Haran starb ykp l` eno-
pion, wie es LXX. gegeben/ ante faciem Patris, vor seines Vaters Thara
sichtigen Augen. Wie soll denn meine ohne diß stammlende Zunge an-
itzo viel und hohe Dinge reden können. Zwar einer/ der nicht einmahl
aus dem vom gelehrten Vitruvio gerühmten Redner-Brunnen in Africa
bey Zama, viel weniger aus der in Cilicien/ die Stadt Crescum vorbey
rauschenden Bach der Scharffsinnigkeit beym Marcus Varro getruncken/
solte sich freylich auch grosser Leute Leich- und Lob-Reden abzulegen/ nicht
unterfangen; Sondern dergleichen einem gelehrten und sinnreichen
Hieronymo, einem beredten Gregorio Nysseno, oder Gregorio Nazian-
zeno
,
einem gravitätischen Ambrosio, oder sonst einem güldenem Munde

beschei-
Abdanckungs-Rede.
(PRÆMISS. PRÆMITT.)

ES iſt ein Fuͤrſt und Groſſer gefallen in Jſrael. Alſo
kurtz und wuͤrcklich fange in dieſer Hochanſehnlichen Gegen-
wart ich die mir auffgetragene Lob-Klag- und Bedanckungs-
Rede anitzo billig an/ nach dem ſchon vor viel hundert Jahren
gegebenen Geſetz der Hochweiſen Raths-Herren zu Athen
in ihrem Areopago, daß/ der von ihnen hat wollen gehoͤret werden/ ſeine
Rede vorbringen muͤſſen ἄνευ ϖροοιμίου καὶ ϖάθους: Das iſt/ ſonder Ein-
gang/ ſtracks zur Sache/ und die ohne Bewegung. Ja der Schmertz
uͤber den unverſehenen Todes-Fall des weiland Wohl-Ehrwuͤrdigen/
Groß-Achtbarn und Wohlgelahrten Herrn M. CHRISTOPHORI
BENEDICTI GERICCI
,
alten hochverdienten Paſtoris der Kirchen all-
hier zu Waldheim/ wie auch derſelben und gantzen Diœces Inſpectoris,
ihrer allerſeits/ und auch meines hochgeehrten/ aber ach! geweſenen Va-
ters im HErrn/ numehro ſel. der Schmertz/ ſage ich/ der groſſe Schmertz
bricht ſelbſt meine Worte ab. Gleich als bey einer tieffen von ſcharffen
Waffen ohngefaͤhr empfangenen Wunde man auch eher einen weiſſen
Strich und die Wunde ſelbſt/ als das erſchrockene Geblüth herauſſer-
flieſſen ſiehet. Und hat der beſte/ himmliſche und Goͤttliche Redner faſt
dergleichen empfunden/ da er von ſeines geliebten Harans toͤdlichen Hin-
tritt nur halb und abgebrochen redet: Und Haran ſtarb יכפ לע ἐνώ-
ϖιον, wie es LXX. gegeben/ ante faciem Patris, vor ſeines Vaters Thara
ſichtigen Augen. Wie ſoll denn meine ohne diß ſtammlende Zunge an-
itzo viel und hohe Dinge reden koͤnnen. Zwar einer/ der nicht einmahl
aus dem vom gelehrten Vitruvio geruͤhmten Redner-Brunnen in Africa
bey Zama, viel weniger aus der in Cilicien/ die Stadt Creſcum vorbey
rauſchenden Bach der Scharffſiñigkeit beym Marcus Varro getruncken/
ſolte ſich freylich auch groſſer Leute Leich- und Lob-Reden abzulegen/ nicht
unterfangen; Sondern dergleichen einem gelehrten und ſinnreichen
Hieronymo, einem beredten Gregorio Nyſſeno, oder Gregorio Nazian-
zeno
,
einem gravitätiſchen Ambroſio, oder ſonſt einem guͤldenem Munde

beſchei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0040"/>
      <div type="fsOration" n="1">
        <head><hi rendition="#b">Abdanckungs-Rede.</hi><lb/>
(<hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">PRÆMISS. PRÆMITT.</hi></hi>)</head><lb/>
        <p><hi rendition="#fr"><hi rendition="#in">E</hi>S i&#x017F;t ein Fu&#x0364;r&#x017F;t und Gro&#x017F;&#x017F;er gefallen in J&#x017F;rael. Al&#x017F;o</hi><lb/>
kurtz und wu&#x0364;rcklich fange in die&#x017F;er Hochan&#x017F;ehnlichen Gegen-<lb/>
wart ich die mir auffgetragene Lob-Klag- und Bedanckungs-<lb/>
Rede anitzo billig an/ nach dem &#x017F;chon vor viel hundert Jahren<lb/>
gegebenen Ge&#x017F;etz der Hochwei&#x017F;en Raths-Herren zu <placeName>Athen</placeName><lb/>
in ihrem <hi rendition="#aq"><placeName>Areopago</placeName>,</hi> daß/ der von ihnen hat wollen geho&#x0364;ret werden/ &#x017F;eine<lb/>
Rede vorbringen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x1F04;&#x03BD;&#x03B5;&#x03C5; &#x03D6;&#x03C1;&#x03BF;&#x03BF;&#x03B9;&#x03BC;&#x03AF;&#x03BF;&#x03C5; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03D6;&#x03AC;&#x03B8;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C2;: Das i&#x017F;t/ &#x017F;onder Ein-<lb/>
gang/ &#x017F;tracks zur Sache/ und die ohne Bewegung. Ja der Schmertz<lb/>
u&#x0364;ber den unver&#x017F;ehenen Todes-Fall des weiland Wohl-Ehrwu&#x0364;rdigen/<lb/>
Groß-Achtbarn und Wohlgelahrten Herrn <hi rendition="#aq"><persName>M. CHRISTOPHORI<lb/>
BENEDICTI GERICCI</persName>,</hi> alten hochverdienten <hi rendition="#aq">Pa&#x017F;toris</hi> der Kirchen all-<lb/>
hier zu <placeName>Waldheim</placeName>/ wie auch der&#x017F;elben und gantzen <hi rendition="#aq">Di&#x0153;ces In&#x017F;pectoris,</hi><lb/>
ihrer aller&#x017F;eits/ und auch meines hochgeehrten/ aber ach! gewe&#x017F;enen Va-<lb/>
ters im HErrn/ numehro &#x017F;el. der Schmertz/ &#x017F;age ich/ der gro&#x017F;&#x017F;e Schmertz<lb/>
bricht &#x017F;elb&#x017F;t meine Worte ab. Gleich als bey einer tieffen von &#x017F;charffen<lb/>
Waffen ohngefa&#x0364;hr empfangenen Wunde man auch eher einen wei&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Strich und die Wunde &#x017F;elb&#x017F;t/ als das er&#x017F;chrockene Geblüth herau&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
flie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;iehet. Und hat der be&#x017F;te/ himmli&#x017F;che und Go&#x0364;ttliche Redner fa&#x017F;t<lb/>
dergleichen empfunden/ da er von &#x017F;eines geliebten Harans to&#x0364;dlichen Hin-<lb/>
tritt nur halb und abgebrochen redet: Und Haran &#x017F;tarb &#x05D9;&#x05DB;&#x05E4; &#x05DC;&#x05E2; &#x1F10;&#x03BD;&#x03CE;-<lb/>
&#x03D6;&#x03B9;&#x03BF;&#x03BD;, wie es <hi rendition="#aq">LXX.</hi> gegeben/ <hi rendition="#aq">ante faciem Patris,</hi> vor &#x017F;eines Vaters Thara<lb/>
&#x017F;ichtigen Augen. Wie &#x017F;oll denn meine ohne diß &#x017F;tammlende Zunge an-<lb/>
itzo viel und hohe Dinge reden ko&#x0364;nnen. Zwar einer/ der nicht einmahl<lb/>
aus dem vom gelehrten <hi rendition="#aq"><placeName>Vitruvio</placeName></hi> geru&#x0364;hmten Redner-Brunnen in <hi rendition="#aq"><placeName>Africa</placeName></hi><lb/>
bey <hi rendition="#aq"><placeName>Zama</placeName>,</hi> viel weniger aus der in <placeName><hi rendition="#aq">Cilici</hi>en</placeName>/ die Stadt <hi rendition="#aq"><placeName>Cre&#x017F;cum</placeName></hi> vorbey<lb/>
rau&#x017F;chenden Bach der Scharff&#x017F;in&#x0303;igkeit beym <hi rendition="#aq"><persName>Marcus Varro</persName></hi> getruncken/<lb/>
&#x017F;olte &#x017F;ich freylich auch gro&#x017F;&#x017F;er Leute Leich- und Lob-Reden abzulegen/ nicht<lb/>
unterfangen; Sondern dergleichen einem gelehrten und &#x017F;innreichen<lb/><hi rendition="#aq"><persName>Hieronymo</persName>,</hi> einem beredten <hi rendition="#aq"><persName>Gregorio Ny&#x017F;&#x017F;eno</persName>,</hi> oder <hi rendition="#aq"><persName>Gregorio Nazian-<lb/>
zeno</persName>,</hi> einem <hi rendition="#aq">gravitä</hi>ti&#x017F;chen <hi rendition="#aq"><persName>Ambro&#x017F;io</persName>,</hi> oder &#x017F;on&#x017F;t einem gu&#x0364;ldenem Munde<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">be&#x017F;chei-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0040] Abdanckungs-Rede. (PRÆMISS. PRÆMITT.) ES iſt ein Fuͤrſt und Groſſer gefallen in Jſrael. Alſo kurtz und wuͤrcklich fange in dieſer Hochanſehnlichen Gegen- wart ich die mir auffgetragene Lob-Klag- und Bedanckungs- Rede anitzo billig an/ nach dem ſchon vor viel hundert Jahren gegebenen Geſetz der Hochweiſen Raths-Herren zu Athen in ihrem Areopago, daß/ der von ihnen hat wollen gehoͤret werden/ ſeine Rede vorbringen muͤſſen ἄνευ ϖροοιμίου καὶ ϖάθους: Das iſt/ ſonder Ein- gang/ ſtracks zur Sache/ und die ohne Bewegung. Ja der Schmertz uͤber den unverſehenen Todes-Fall des weiland Wohl-Ehrwuͤrdigen/ Groß-Achtbarn und Wohlgelahrten Herrn M. CHRISTOPHORI BENEDICTI GERICCI, alten hochverdienten Paſtoris der Kirchen all- hier zu Waldheim/ wie auch derſelben und gantzen Diœces Inſpectoris, ihrer allerſeits/ und auch meines hochgeehrten/ aber ach! geweſenen Va- ters im HErrn/ numehro ſel. der Schmertz/ ſage ich/ der groſſe Schmertz bricht ſelbſt meine Worte ab. Gleich als bey einer tieffen von ſcharffen Waffen ohngefaͤhr empfangenen Wunde man auch eher einen weiſſen Strich und die Wunde ſelbſt/ als das erſchrockene Geblüth herauſſer- flieſſen ſiehet. Und hat der beſte/ himmliſche und Goͤttliche Redner faſt dergleichen empfunden/ da er von ſeines geliebten Harans toͤdlichen Hin- tritt nur halb und abgebrochen redet: Und Haran ſtarb יכפ לע ἐνώ- ϖιον, wie es LXX. gegeben/ ante faciem Patris, vor ſeines Vaters Thara ſichtigen Augen. Wie ſoll denn meine ohne diß ſtammlende Zunge an- itzo viel und hohe Dinge reden koͤnnen. Zwar einer/ der nicht einmahl aus dem vom gelehrten Vitruvio geruͤhmten Redner-Brunnen in Africa bey Zama, viel weniger aus der in Cilicien/ die Stadt Creſcum vorbey rauſchenden Bach der Scharffſiñigkeit beym Marcus Varro getruncken/ ſolte ſich freylich auch groſſer Leute Leich- und Lob-Reden abzulegen/ nicht unterfangen; Sondern dergleichen einem gelehrten und ſinnreichen Hieronymo, einem beredten Gregorio Nyſſeno, oder Gregorio Nazian- zeno, einem gravitätiſchen Ambroſio, oder ſonſt einem guͤldenem Munde beſchei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/508321
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/508321/40
Zitationshilfe: Mahler, Georg Ernst: Entwurff oder Merckbild Eines Gottergebenen Christen-Menschen. Freyberg, 1675, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/508321/40>, abgerufen am 24.11.2024.