Lange, Samuel: Die nach den Rettungs-Bergen erhabenen Augen. Görlitz, [1696].Die nach den Rettungs-Bergen hindurch zu gehen schienen/ trieben viel Muthwillen:und sprungen lustig durch: Sie aber empfand gleich- wol grosse Müdigkeit von dem durchwaten. Als Sie endlich auch durch war: bedünckte Jhr: als ob Sie auf schön-grüner Auen wäre. Ehe aber Sie sich deß ver- sahe: war Sie in Morast gerathen: darin Sie so tieff verfiel: daß Sie stecken bliebe: und nicht anders mei- nete: denn daß Sie darinn umbkommen müste. Jn- dem aber sahe Sie für Jhren Augen einen hohen Berg: und darauf zween Herren: welchen Sie erbärmlich zu- schrie/ umb GOttes willen bittende: zu Jhrer Hülff zu kommen. Das geschahe. Dann der eine lieff bald zu/ grieff Jhr unter Arme/ und hub Sie heraus. Der an- der nahm Sie bey der Hand/ und führte Sie den Berg herauf. Doch ward Jhr das so sauer: daß/ da Sie bald darauf erwachende/ es Jhrem Ehe-Herrn erzehlete/ zugleich mit bejahete: wie Sie gleichsam an- noch fühlete den schweren Gang/ in dem aufsteigen. Darauf ward Jhr so wol: daß Sie/ beym erwachen/ es unmöglich kont aussprechen. Daher nur das sagete: daß Jhr/ Zeit Jhres Lebens/ nie so wol gewesen wäre: wiewol Sie solches alsobald auf Jhren Tod ausdeute- te. Wir machen aus Träumen keine Evangelia. Doch/ wenn die That selbst die Auslegung an die Hand giebt/ und nichts sonst dabey ist/ so dem Wort des Herrn zuwie-
Die nach den Rettungs-Bergen hindurch zu gehen ſchienen/ trieben viel Muthwillen:und ſprungen luſtig durch: Sie aber empfand gleich- wol groſſe Muͤdigkeit von dem durchwaten. Als Sie endlich auch durch war: beduͤnckte Jhr: als ob Sie auf ſchoͤn-gruͤner Auen waͤre. Ehe aber Sie ſich deß ver- ſahe: war Sie in Moraſt gerathen: darin Sie ſo tieff verfiel: daß Sie ſtecken bliebe: und nicht anders mei- nete: denn daß Sie darinn umbkommen muͤſte. Jn- dem aber ſahe Sie fuͤr Jhren Augen einen hohen Berg: und darauf zween Herren: welchen Sie erbaͤrmlich zu- ſchrie/ umb GOttes willen bittende: zu Jhrer Huͤlff zu kommen. Das geſchahe. Dann der eine lieff bald zu/ grieff Jhr unter Arme/ und hub Sie heraus. Der an- der nahm Sie bey der Hand/ und fuͤhrte Sie den Berg herauf. Doch ward Jhr das ſo ſauer: daß/ da Sie bald darauf erwachende/ es Jhrem Ehe-Herrn erzehlete/ zugleich mit bejahete: wie Sie gleichſam an- noch fuͤhlete den ſchweren Gang/ in dem aufſteigen. Darauf ward Jhr ſo wol: daß Sie/ beym erwachen/ es unmoͤglich kont ausſprechen. Daher nur das ſagete: daß Jhr/ Zeit Jhres Lebens/ nie ſo wol geweſen waͤre: wiewol Sie ſolches alſobald auf Jhren Tod ausdeute- te. Wir machen aus Traͤumen keine Evangelia. Doch/ wenn die That ſelbſt die Auslegung an die Hand giebt/ und nichts ſonſt dabey iſt/ ſo dem Wort des Herrn zuwie-
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Die nach den Rettungs-Bergen
hindurch zu gehen ſchienen/ trieben viel Muthwillen:
und ſprungen luſtig durch: Sie aber empfand gleich-
wol groſſe Muͤdigkeit von dem durchwaten. Als Sie
endlich auch durch war: beduͤnckte Jhr: als ob Sie auf
ſchoͤn-gruͤner Auen waͤre. Ehe aber Sie ſich deß ver-
ſahe: war Sie in Moraſt gerathen: darin Sie ſo tieff
verfiel: daß Sie ſtecken bliebe: und nicht anders mei-
nete: denn daß Sie darinn umbkommen muͤſte. Jn-
dem aber ſahe Sie fuͤr Jhren Augen einen hohen Berg:
und darauf zween Herren: welchen Sie erbaͤrmlich zu-
ſchrie/ umb GOttes willen bittende: zu Jhrer Huͤlff zu
kommen. Das geſchahe. Dann der eine lieff bald zu/
grieff Jhr unter Arme/ und hub Sie heraus. Der an-
der nahm Sie bey der Hand/ und fuͤhrte Sie den Berg
herauf. Doch ward Jhr das ſo ſauer: daß/ da Sie
bald darauf erwachende/ es Jhrem Ehe-Herrn
erzehlete/ zugleich mit bejahete: wie Sie gleichſam an-
noch fuͤhlete den ſchweren Gang/ in dem aufſteigen.
Darauf ward Jhr ſo wol: daß Sie/ beym erwachen/
es unmoͤglich kont ausſprechen. Daher nur das ſagete:
daß Jhr/ Zeit Jhres Lebens/ nie ſo wol geweſen waͤre:
wiewol Sie ſolches alſobald auf Jhren Tod ausdeute-
te. Wir machen aus Traͤumen keine Evangelia. Doch/
wenn die That ſelbſt die Auslegung an die Hand giebt/
und nichts ſonſt dabey iſt/ ſo dem Wort des Herrn
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