Heyden, Benjamin: Frommer Christen Ewiges Gnaden-Trost- und Freuden-Liecht. St. Annaberg, 1676.Abdanckungs-Rede. sagende: Er wäre nur 35. Jahr alt/ da er doch derer 75. auff denNacken hatte/ dann er hatte in 40. erst recht verstehen lernen/ was leben sey/ und wie man recht leben solle. Jch lasse es seyn/ daß dieser mit seiner Rede eigentlich auff ein recht Christlich und geistlich Leben gezielet; Doch kan es seyn/ daß er auch umb diese Zeit erst recht verstehen lernen/ was dieses Leben sey/ und wie es dann wohl anzuwenden und zugebrauchen.) Diesem nach hie- se es dennoch zu bestärckung meiner obigen Rede/ unter denen Jahren versterben heisse/ kaum recht angefangen haben zu leben. Und was? hat es doch noch allenthalben Mühe und Dann/ wer heute zu Tage die Welt mit ihren Lüsten und Fraget man in der praxi herumb/ so ist unter vielen dieses Die Welt/ ie mehr sie ihre Tücke verübet/ ie mehr sie sol- Der betrügliche Schoß Delilae, und das verrätherische Recht
Abdanckungs-Rede. ſagende: Er waͤre nur 35. Jahr alt/ da er doch derer 75. auff denNacken hatte/ dann er hatte in 40. erſt recht verſtehen lernen/ was leben ſey/ und wie man recht leben ſolle. Jch laſſe es ſeyn/ daß dieſer mit ſeiner Rede eigentlich auff ein recht Chriſtlich und geiſtlich Leben gezielet; Doch kan es ſeyn/ daß er auch umb dieſe Zeit erſt recht verſtehen lernen/ was dieſes Leben ſey/ und wie es dann wohl anzuwenden und zugebrauchen.) Dieſem nach hie- ſe es dennoch zu beſtaͤrckung meiner obigen Rede/ unter denen Jahren verſterben heiſſe/ kaum recht angefangen haben zu leben. Und was? hat es doch noch allenthalben Muͤhe und Dann/ wer heute zu Tage die Welt mit ihren Luͤſten und Fraget man in der praxi herumb/ ſo iſt unter vielen dieſes Die Welt/ ie mehr ſie ihre Tuͤcke veruͤbet/ ie mehr ſie ſol- Der betruͤgliche Schoß Delilæ, und das verraͤtheriſche Recht
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Abdanckungs-Rede.
ſagende: Er waͤre nur 35. Jahr alt/ da er doch derer 75. auff den
Nacken hatte/ dann er hatte in 40. erſt recht verſtehen lernen/
was leben ſey/ und wie man recht leben ſolle. Jch laſſe es ſeyn/
daß dieſer mit ſeiner Rede eigentlich auff ein recht Chriſtlich und
geiſtlich Leben gezielet; Doch kan es ſeyn/ daß er auch umb dieſe
Zeit erſt recht verſtehen lernen/ was dieſes Leben ſey/ und wie es
dann wohl anzuwenden und zugebrauchen.) Dieſem nach hie-
ſe es dennoch zu beſtaͤrckung meiner obigen Rede/ unter denen
Jahren verſterben heiſſe/ kaum recht angefangen haben zu leben.
Und was? hat es doch noch allenthalben Muͤhe und
Noth/ daß von einen ſolchen Menſchen der erſt benante Jahre
ſchon erreichet/ mit Beſtand koͤnne geſaget werden: Er habe nun
angefangen (dieſer Redens-Art nach) recht zu leben h. e. Er
waͤre nun der Welt und allen derſelben Verfuͤhrungen und
Truͤgereyen erſt klug gnug worden.
Dann/ wer heute zu Tage die Welt mit ihren Luͤſten und
Betruͤglichkeiten recht anſiehet/ der hat Muͤhe und Noth/ das er
bey dieſen Alter ſich allerdinges vorſehen und verwahren koͤnne.
Fraget man in der praxi herumb/ ſo iſt unter vielen dieſes
Alters kaum einer ſo vollkommen worden.
Die Welt/ ie mehr ſie ihre Tuͤcke veruͤbet/ ie mehr ſie ſol-
che verbirget.
Der betruͤgliche Schoß Delilæ, und das verraͤtheriſche
Mahl Abſolons/ ſeyn der Welt Freundſchafft und Ergoͤtzung:
Abſolons Maulthier zur Zeit der Noth unter ſeinen Herrrn
hinlauffende/ und ihn an der Eichen hangen laſſende/ iſt der
Welt getreuer Reichthumb: Jaels ſuͤſſer Milchtopff iſt ihre
eingebildete/ und doch das Verderben ſo ſchnell nach ſich zie-
hende Luſt und Freud. Der Phariſeer lange Gebet/ die ſie vor-
wenden/ und doch der Witwen Haͤuſer freſſen/ iſt die offenbare
Gottesfurcht und Gerechtigkeit: Pharaonis und Jeſabels
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