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Anther, Nicolaus; Heermann, Georg: Zwo Christliche LeichPredigten. Brieg, 1606.

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Die II. LeichPredigt.
Seligkeit etwas oder nichts genüsse. Denn es hat mancher
keine grössere schrecken noch abschew für dem tode/ denn das
jm für kompt wie so lange zeit/ so viel tag vnd Jahre (deren
darzu keine gewisse anzahl ist) in dem Grabe vnd in der Erden
bleiben muß. Wenn es wehren solte nur etliche stunden/ wie des
[J]airi Töchterlein/ oder nur etliche tage wie mit dem Lazaro
zu Bethania: oder etliche jare wie mit den aufferweckten am
Ostertage/ so würde man sich gerne vnd gutwillig darein geben.
Nun es aber so lange wehret/ so köndte einer wol nicht lustig
sein zusterben. Wider solche nichtige vorgebliche gedancken/
tröstet hie diß Pünetlein/ das man sich des langen verzugs vnd
harrens im grabe/ keines weges zu beschweren habe. Denn als
bald Leib vnd seele sich scheydet/ so ist die seele als das fürnemm-
ste vnd beste theyl am Menschen in der hand Gottes/ vnd in
der seligkeit/ empfindet als bald die frewde des Himmelreichs/
biß an jenen Tag/ da der verschlaffene Leib auch wider auff-
[er]wecket werde/ vnd also mit der Seelen besitze vnd geniesse
[a]lles was Gott den seinigen bereytet hat. Genug auch vom
dritten Stück/ etc.

V. Actiones & passiones Animarum post Mortem

NVn ist auch ausständig das vierdte vnd letzte stück vom
zustande der seelen nach dem tode :/: Was jhr thun vnd wesen
sey/ biß hin an den zukünfftigen Jüngsten tage. Darvon kön-
nen wir zwar in diesem Leben nicht allerding gründlich bericht
thun/ all dieweil wir hier von wenig inn der Schrifft finden:
Doch wird vns hie von etwas gezeyget/ das wir vns darnach
sähnen sollen: Aber vnser wissen ist Stückwerck/ vnd wir se-
hens als durch einen Spiegel in einem tunckeln ort/ 1. Cor. 13.
Es ist noch nicht offerbar was wir sein werden/ 1. Ioh. 3. Weil
aber vnsere seelen nach jhrem abscheyde bey Christo sein/ vnd

in

Die II. LeichPredigt.
Seligkeit etwas oder nichts genuͤſſe. Denn es hat mancher
keine groͤſſere ſchrecken noch abſchew fuͤr dem tode/ denn das
jm fuͤr kompt wie ſo lange zeit/ ſo viel tag vnd Jahre (deren
darzu keine gewiſſe anzahl iſt) in dem Grabe vñ in der Erdẽ
bleiben muß. Weñ es wehren ſolte nur etliche ſtundẽ/ wie des
[J]airi Toͤchterlein/ oder nur etliche tage wie mit dem Lazaro
zu Bethania: oder etliche jare wie mit den aufferweckten am
Oſtertage/ ſo wuͤrde man ſich gerne vñ gutwillig darein gebẽ.
Nun es aber ſo lange wehret/ ſo koͤndte einer wol nicht luſtig
ſein zuſterben. Wider ſolche nichtige vorgebliche gedancken/
troͤſtet hie diß Puͤnetlein/ das man ſich des langen verzugs vñ
harꝛens im grabe/ keines weges zu beſchweren habe. Deñ als
bald Leib vnd ſeele ſich ſcheydet/ ſo iſt die ſeele als das fuͤrnem̃-
ſte vnd beſte theyl am Menſchen in der hand Gottes/ vnd in
der ſeligkeit/ empfindet als bald die frewde des Him̃elreichs/
biß an jenen Tag/ da der verſchlaffene Leib auch wider auff-
[er]wecket werde/ vnd alſo mit der Seelen beſitze vnd genieſſe
[a]lles was Gott den ſeinigen bereytet hat. Genug auch vom
dritten Stuͤck/ ꝛc.

V. Actiones & paſſiones Animarum poſt Mortem

NVn iſt auch ausſtaͤndig das vierdte vnd letzte ſtuͤck vom
zuſtande der ſeelen nach dem tode :/: Was jhr thun vñ weſen
ſey/ biß hin an den zukuͤnfftigen Juͤngſten tage. Darvõ koͤn-
nen wir zwar in dieſem Lebẽ nicht allerding gruͤndlich bericht
thun/ all dieweil wir hier von wenig inn der Schrifft finden:
Doch wird vns hie von etwas gezeyget/ das wir vns darnach
ſaͤhnen ſollen: Aber vnſer wiſſen iſt Stuͤckwerck/ vnd wir ſe-
hens als durch einen Spiegel in einem tunckeln ort/ 1. Cor. 13.
Es iſt noch nicht offerbar was wir ſein werden/ 1. Ioh. 3. Weil
aber vnſere ſeelen nach jhrem abſcheyde bey Chriſto ſein/ vnd

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[[63]/0063] Die II. LeichPredigt. Seligkeit etwas oder nichts genuͤſſe. Denn es hat mancher keine groͤſſere ſchrecken noch abſchew fuͤr dem tode/ denn das jm fuͤr kompt wie ſo lange zeit/ ſo viel tag vnd Jahre (deren darzu keine gewiſſe anzahl iſt) in dem Grabe vñ in der Erdẽ bleiben muß. Weñ es wehren ſolte nur etliche ſtundẽ/ wie des Jairi Toͤchterlein/ oder nur etliche tage wie mit dem Lazaro zu Bethania: oder etliche jare wie mit den aufferweckten am Oſtertage/ ſo wuͤrde man ſich gerne vñ gutwillig darein gebẽ. Nun es aber ſo lange wehret/ ſo koͤndte einer wol nicht luſtig ſein zuſterben. Wider ſolche nichtige vorgebliche gedancken/ troͤſtet hie diß Puͤnetlein/ das man ſich des langen verzugs vñ harꝛens im grabe/ keines weges zu beſchweren habe. Deñ als bald Leib vnd ſeele ſich ſcheydet/ ſo iſt die ſeele als das fuͤrnem̃- ſte vnd beſte theyl am Menſchen in der hand Gottes/ vnd in der ſeligkeit/ empfindet als bald die frewde des Him̃elreichs/ biß an jenen Tag/ da der verſchlaffene Leib auch wider auff- erwecket werde/ vnd alſo mit der Seelen beſitze vnd genieſſe alles was Gott den ſeinigen bereytet hat. Genug auch vom dritten Stuͤck/ ꝛc. V. Actiones & paſſiones Animarum poſt Mortem NVn iſt auch ausſtaͤndig das vierdte vnd letzte ſtuͤck vom zuſtande der ſeelen nach dem tode :/: Was jhr thun vñ weſen ſey/ biß hin an den zukuͤnfftigen Juͤngſten tage. Darvõ koͤn- nen wir zwar in dieſem Lebẽ nicht allerding gruͤndlich bericht thun/ all dieweil wir hier von wenig inn der Schrifft finden: Doch wird vns hie von etwas gezeyget/ das wir vns darnach ſaͤhnen ſollen: Aber vnſer wiſſen iſt Stuͤckwerck/ vnd wir ſe- hens als durch einen Spiegel in einem tunckeln ort/ 1. Cor. 13. Es iſt noch nicht offerbar was wir ſein werden/ 1. Ioh. 3. Weil aber vnſere ſeelen nach jhrem abſcheyde bey Chriſto ſein/ vnd in

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Zitationshilfe: Anther, Nicolaus; Heermann, Georg: Zwo Christliche LeichPredigten. Brieg, 1606, S. [63]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/523629/63>, abgerufen am 29.11.2024.