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Hentschel, Adam: Tröstlicher Gegensatz der Leiden dieser zeit und zukünfftigen Herrligkeit. Liegnitz, 1621.

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auff jhrem Siech vnd Sterbebettlin selber verord-
net vnd gleichsamb gewiedemet.

Es möchte aber jemand gedencken/ was doch die
Fraw Cantzlerin von dieser zeit leiden sonderlich solte
gewust haben? Sie ist ja ehrlich geboren/ Christlich
erzogen/ glücklich verheyrahtet vnd ausgestatet wor-
den? So hat sie auch in dieser Weld so gar lange
nicht gelebet; derentwegen sie denn sonderlich viel
vnglücks in der Weld nicht hat erfahren können? Aber/
Wo ist jrgend ein Mensch vom Weibe gebohren/ derIob. 14. v. 1
nicht voll vnruhe sey? Wo ist jrgend ein Mensch derIob. 5. v. 7.
nicht zum Vnglücke gebohren were/ wie die Vogel
schweben empor zufliegen. Auch das köstlichste an
Ps. 9[0]. v. 11.
der Menschen Leben ist mühe vnd arbeit. Hat dem-
nach die selige Fraw dieser zeit leiden an jhrem theil
auch erfahren. Gelitten hat sie ob domesticorum
obitum,
Wegen deß tödtlichen abgans der lieben jh-
rigen etlicher. Sie hat erlebet/ theils auch mit Augen
sehen sterben Jhrer Frauen Mutter Mutter/ Jhren
Herrn Vater/ Jhrer Frauen Mutter Herrn Bru-
der/ Jhrer leiblichen Brüder zweene/ Geschwister
Kinder viere/ vnd dann jhr nechst newgebohrnes
Sechswochen Söhnlein. Warüber sie denn als von
Natur ein wehmüttiges Hertz/ nicht wenig gelitten
vnd betrübet worden. Gelitten hat sie ob Matris vi-
duae luctum,
Wegen jhrer hertzlieben Frauen Mut-
ter einsamen Witbenstandes. Widwen vnd Waisen
sind in dieser Weld gemeiniglich verlassen/ Sie sindEs. 54. v. 11.
die Elenden vnd Trostlosen/ vber welche alle Wetter
gehen; Derer sie Kindlich beygewohnet/ Jhr gehor-

samlich
B

auff jhrem Siech vnd Sterbebettlin ſelber verord-
net vnd gleichſamb gewiedemet.

Es moͤchte aber jemand gedencken/ was doch die
Fraw Cantzlerin von dieſer zeit leiden ſonderlich ſolte
gewuſt haben? Sie iſt ja ehrlich geboren/ Chriſtlich
erzogen/ gluͤcklich verheyrahtet vnd ausgeſtatet wor-
den? So hat ſie auch in dieſer Weld ſo gar lange
nicht gelebet; derentwegen ſie denn ſonderlich viel
vngluͤcks in der Weld nicht hat erfahren koͤñen? Aber/
Wo iſt jrgend ein Menſch vom Weibe gebohren/ derIob. 14. v. 1
nicht voll vnruhe ſey? Wo iſt jrgend ein Menſch derIob. 5. v. 7.
nicht zum Vngluͤcke gebohren were/ wie die Vogel
ſchweben empor zufliegen. Auch das koͤſtlichſte an
Pſ. 9[0]. v. 11.
der Menſchen Leben iſt muͤhe vnd arbeit. Hat dem-
nach die ſelige Fraw dieſer zeit leiden an jhrem theil
auch erfahren. Gelitten hat ſie ob domeſticorum
obitum,
Wegen deß toͤdtlichen abgans der lieben jh-
rigen etlicher. Sie hat erlebet/ theils auch mit Augen
ſehen ſterben Jhrer Frauen Mutter Mutter/ Jhren
Herrn Vater/ Jhrer Frauen Mutter Herrn Bru-
der/ Jhrer leiblichen Bruͤder zweene/ Geſchwiſter
Kinder viere/ vnd dann jhr nechſt newgebohrnes
Sechswochen Soͤhnlein. Waruͤber ſie denn als von
Natur ein wehmuͤttiges Hertz/ nicht wenig gelitten
vnd betruͤbet worden. Gelitten hat ſie ob Matris vi-
duæ luctum,
Wegen jhrer hertzlieben Frauen Mut-
ter einſamen Witbenſtandes. Widwen vnd Waiſen
ſind in dieſer Weld gemeiniglich verlaſſen/ Sie ſindEſ. 54. v. 11.
die Elenden vnd Troſtloſen/ vber welche alle Wetter
gehen; Derer ſie Kindlich beygewohnet/ Jhr gehor-

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B
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Zitationshilfe: Hentschel, Adam: Tröstlicher Gegensatz der Leiden dieser zeit und zukünfftigen Herrligkeit. Liegnitz, 1621, S. [9]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/523942/9>, abgerufen am 03.12.2024.