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Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733].

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das Sehen durch die Augen, das Hören durch die Ohren, das Riechen
durch die Nasen, der Geschmack durch die Zunge, das Fühlen durch die
Backen. Der Glaube, damit Sie von andern ward unterschieden, war
das Auge, damit Sie im Wort und Sacrament Christum schaute, der
war der Schmack ihrer Seelen, dadurch Sie schmeckte wie freundlich der
HErr sey, das Ohr, dadurch Sie hörte und verstand die Geheimnisse
GOttes, ja das Mittel der Seeligkeit. Diesen Glauben überkam Sie
in der heiligen Tauffe, da Sie eine neue Creatur und an Christum gläubig
worden. Darnach als Sie die annos discretionis erreichte, hat GOtt
der Heilige Geist Sie erleuchtet durch das gepredigte Wort, daß Sie in
der wahren Erkäntniß immer völliger worden, 1 Thess. 4, 1. und sich in die
Articul des Glaubens fein schicken können. Wie Sie denn mit vielen schö-
nen Schrifft-Sprüchen, Psalmen und Gebethen wohl ausgerüstet war.
Darinnen Sie Jhr Herr Vater selber unterrichtet. Denn als Sie zum
ersten mahle solte mit zum heiligen Abendmahle genommen werden, und
Jhr Herr Vater Sie erst zu mir schickte, dieselbe zu examiniren, habe ich
mich verwundert, wie bescheiden und vernünfftig Sie von ihrem Glau-
bens-Articuln mir hat können Antwort geden, hat auch solche Antwort
auf Begehren mit einem Spruch aus heiliger Schrifft wohl gewußt zu be-
haupten, daß Sie andere, die wohl zweymahl älter und doch schlechte
Wissenschafft haben in ihrem Christenthum, weit, weit übertroffen. Die
wohlseelige Jungfer Christiana war eine abgesagte Feindin der alten
Kuplerin, der argen bösen Welt, der stellte Sie sich nicht gleich.
Sie wußte wohl, daß die Welt sey die verführische Eva, welche durch den
Apffel der Wollust viel tausend verführet; die heuchlerische Delila, wel-
che in ihrem Schoß schlaffen, werden um die geistliche Glaubens-Stärcke
gebracht; die widerspenstige Hagar, die sich der Herrschafft des Geistes
nicht wil unterwerffen, darum behielt Sie ihre Seele unbefleckt vor der
Welt. Jac. 2. Wie ehrerbittig hat Sie sich gegen ihren GOTT, ihren
Schöpffer, Erlöser und Heiligmacher im öffentlichen Gottes-Hause er-
zeiget? Wie fleißig hat Sie ihm gedienet? Wie gerne ist Sie ins Haus
des HErrn gegangen? Wie hat Sie so offte vor GOTT durchs Gebethe
ihr Hertze ausgeschüttet? Wie andächtig war Sie im lesen, singen, bethen
und dancken? Folgte in diesem Stücke ihrer Frau Mutter und Frau
Groß-Mutter,
als welche rechte Muster der wahren Gottseeligkeit, treu-

lich

das Sehen durch die Augen, das Hoͤren durch die Ohren, das Riechen
durch die Naſen, der Geſchmack durch die Zunge, das Fuͤhlen durch die
Backen. Der Glaube, damit Sie von andern ward unterſchieden, war
das Auge, damit Sie im Wort und Sacrament Chriſtum ſchaute, der
war der Schmack ihrer Seelen, dadurch Sie ſchmeckte wie freundlich der
HErr ſey, das Ohr, dadurch Sie hoͤrte und verſtand die Geheimniſſe
GOttes, ja das Mittel der Seeligkeit. Dieſen Glauben uͤberkam Sie
in der heiligen Tauffe, da Sie eine neue Creatur und an Chriſtum glaͤubig
worden. Darnach als Sie die annos diſcretionis erreichte, hat GOtt
der Heilige Geiſt Sie erleuchtet durch das gepredigte Wort, daß Sie in
der wahren Erkaͤntniß immer voͤlliger worden, 1 Theſſ. 4, 1. und ſich in die
Articul des Glaubens fein ſchicken koͤnnen. Wie Sie denn mit vielen ſchoͤ-
nen Schrifft-Spruͤchen, Pſalmen und Gebethen wohl ausgeruͤſtet war.
Darinnen Sie Jhr Herr Vater ſelber unterrichtet. Denn als Sie zum
erſten mahle ſolte mit zum heiligen Abendmahle genommen werden, und
Jhr Herr Vater Sie erſt zu mir ſchickte, dieſelbe zu examiniren, habe ich
mich verwundert, wie beſcheiden und vernuͤnfftig Sie von ihrem Glau-
bens-Articuln mir hat koͤnnen Antwort geden, hat auch ſolche Antwort
auf Begehren mit einem Spruch aus heiliger Schrifft wohl gewußt zu be-
haupten, daß Sie andere, die wohl zweymahl aͤlter und doch ſchlechte
Wiſſenſchafft haben in ihrem Chriſtenthum, weit, weit uͤbertroffen. Die
wohlſeelige Jungfer Chriſtiana war eine abgeſagte Feindin der alten
Kuplerin, der argen boͤſen Welt, der ſtellte Sie ſich nicht gleich.
Sie wußte wohl, daß die Welt ſey die verfuͤhriſche Eva, welche durch den
Apffel der Wolluſt viel tauſend verfuͤhret; die heuchleriſche Delila, wel-
che in ihrem Schoß ſchlaffen, werden um die geiſtliche Glaubens-Staͤrcke
gebracht; die widerſpenſtige Hagar, die ſich der Herrſchafft des Geiſtes
nicht wil unterwerffen, darum behielt Sie ihre Seele unbefleckt vor der
Welt. Jac. 2. Wie ehrerbittig hat Sie ſich gegen ihren GOTT, ihren
Schoͤpffer, Erloͤſer und Heiligmacher im oͤffentlichen Gottes-Hauſe er-
zeiget? Wie fleißig hat Sie ihm gedienet? Wie gerne iſt Sie ins Haus
des HErrn gegangen? Wie hat Sie ſo offte vor GOTT durchs Gebethe
ihr Hertze ausgeſchuͤttet? Wie andaͤchtig war Sie im leſen, ſingen, bethen
und dancken? Folgte in dieſem Stuͤcke ihrer Frau Mutter und Frau
Groß-Mutter,
als welche rechte Muſter der wahren Gottſeeligkeit, treu-

lich
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[32/0032] das Sehen durch die Augen, das Hoͤren durch die Ohren, das Riechen durch die Naſen, der Geſchmack durch die Zunge, das Fuͤhlen durch die Backen. Der Glaube, damit Sie von andern ward unterſchieden, war das Auge, damit Sie im Wort und Sacrament Chriſtum ſchaute, der war der Schmack ihrer Seelen, dadurch Sie ſchmeckte wie freundlich der HErr ſey, das Ohr, dadurch Sie hoͤrte und verſtand die Geheimniſſe GOttes, ja das Mittel der Seeligkeit. Dieſen Glauben uͤberkam Sie in der heiligen Tauffe, da Sie eine neue Creatur und an Chriſtum glaͤubig worden. Darnach als Sie die annos diſcretionis erreichte, hat GOtt der Heilige Geiſt Sie erleuchtet durch das gepredigte Wort, daß Sie in der wahren Erkaͤntniß immer voͤlliger worden, 1 Theſſ. 4, 1. und ſich in die Articul des Glaubens fein ſchicken koͤnnen. Wie Sie denn mit vielen ſchoͤ- nen Schrifft-Spruͤchen, Pſalmen und Gebethen wohl ausgeruͤſtet war. Darinnen Sie Jhr Herr Vater ſelber unterrichtet. Denn als Sie zum erſten mahle ſolte mit zum heiligen Abendmahle genommen werden, und Jhr Herr Vater Sie erſt zu mir ſchickte, dieſelbe zu examiniren, habe ich mich verwundert, wie beſcheiden und vernuͤnfftig Sie von ihrem Glau- bens-Articuln mir hat koͤnnen Antwort geden, hat auch ſolche Antwort auf Begehren mit einem Spruch aus heiliger Schrifft wohl gewußt zu be- haupten, daß Sie andere, die wohl zweymahl aͤlter und doch ſchlechte Wiſſenſchafft haben in ihrem Chriſtenthum, weit, weit uͤbertroffen. Die wohlſeelige Jungfer Chriſtiana war eine abgeſagte Feindin der alten Kuplerin, der argen boͤſen Welt, der ſtellte Sie ſich nicht gleich. Sie wußte wohl, daß die Welt ſey die verfuͤhriſche Eva, welche durch den Apffel der Wolluſt viel tauſend verfuͤhret; die heuchleriſche Delila, wel- che in ihrem Schoß ſchlaffen, werden um die geiſtliche Glaubens-Staͤrcke gebracht; die widerſpenſtige Hagar, die ſich der Herrſchafft des Geiſtes nicht wil unterwerffen, darum behielt Sie ihre Seele unbefleckt vor der Welt. Jac. 2. Wie ehrerbittig hat Sie ſich gegen ihren GOTT, ihren Schoͤpffer, Erloͤſer und Heiligmacher im oͤffentlichen Gottes-Hauſe er- zeiget? Wie fleißig hat Sie ihm gedienet? Wie gerne iſt Sie ins Haus des HErrn gegangen? Wie hat Sie ſo offte vor GOTT durchs Gebethe ihr Hertze ausgeſchuͤttet? Wie andaͤchtig war Sie im leſen, ſingen, bethen und dancken? Folgte in dieſem Stuͤcke ihrer Frau Mutter und Frau Groß-Mutter, als welche rechte Muſter der wahren Gottſeeligkeit, treu- lich

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Zitationshilfe: Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733], S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/542451/32>, abgerufen am 23.11.2024.