Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733].Dieß hat Dein Schwieger-Sohn, den Witz und Weisheit ziert, Jn kurtzer Zeit gesehn, Jhn hat ein Trieb gerührt, Den nur ein Hertze fühlt, das nach der Tugend trachtet, Und nichts als Gottesfurcht, und holdes Wesen achtet. O! Seidel, man beklagt, daß Dir der Tod geraubt, Was Dein Verstand gewehlt. Das gantze Lauban glaubt, Du hättest Dir zur Lust der Tugend Bild erlesen, O! wäre Dir von GOtt das Glück bestimmt gewesen, Den Freuden-Tag zu sehn, an welchem man die Braut Jm Schmuck und Ehren-Tracht mit größter Anmuth schaut. O! Schade, daß der Tod Dir Freud und Heil entrissen! O! Jammer, daß wir nichts als Klag' und Seufzen wissen! Wo ist anietzt Dein Trost, der Deinen Kummer dämpfft? O! schwerer Streit, wie hart hast Du bereits gekämpfft! Dein Vater klagt und weint, der nebst den Amts-Geschäfften Die Lehren der Vernunfft mit Stärck und Nachdruck übt. Jch hab es selbst gesehn, und weiß, was Jhn betrübt. Jn Wahrheit, solte mich ein solcher Fall bestürtzen, Mir würde Gram und Angst das Lebens-Ziel verkürtzen, Jch würffe Buch und Kiel mit tausend Seuffzen hin, Jch brächte den Verlust, den Schmertz nie aus dem Sinn. Was soll ich Dir demnach zum Trost, zur Lindrung schreiben? Wie soll ich Gram und Ach aus Brust und Hertze treiben? Jch bin bereit dazu. Allein verzeihe mir, Daß mir die Krafft gebricht, die Schickung heischt von Dir, Du sollst geduldig seyn, die Zeit wird Lindrung bringen, Und Qvaal und Angst und Pein vertreiben und bezwingen. Dein Vater selbst denckt so, er weiß, wie Tullius Um seine Tochter klagt, und wie er weinen muß, Wenn er bald da, bald dort der alten Meynung fraget, Und nirgends Ruhe findt, und immer heimlich zaget. Betrübte, glaubet nur, es ist der Vorsicht Schluß, Daß man in Gram und Leyd die Zeit erwarten muß. Dieses schrieb aus hertzlichem Mitleyden in Leipzig M. Johann Heinrich Winckler, Der Schule zu St. Thomas vierdter Collega. MAR-
Dieß hat Dein Schwieger-Sohn, den Witz und Weisheit ziert, Jn kurtzer Zeit geſehn, Jhn hat ein Trieb geruͤhrt, Den nur ein Hertze fuͤhlt, das nach der Tugend trachtet, Und nichts als Gottesfurcht, und holdes Weſen achtet. O! Seidel, man beklagt, daß Dir der Tod geraubt, Was Dein Verſtand gewehlt. Das gantze Lauban glaubt, Du haͤtteſt Dir zur Luſt der Tugend Bild erleſen, O! waͤre Dir von GOtt das Gluͤck beſtimmt geweſen, Den Freuden-Tag zu ſehn, an welchem man die Braut Jm Schmuck und Ehren-Tracht mit groͤßter Anmuth ſchaut. O! Schade, daß der Tod Dir Freud und Heil entriſſen! O! Jammer, daß wir nichts als Klag’ und Seufzen wiſſen! Wo iſt anietzt Dein Troſt, der Deinen Kummer daͤmpfft? O! ſchwerer Streit, wie hart haſt Du bereits gekaͤmpfft! Dein Vater klagt und weint, der nebſt den Amts-Geſchaͤfften Die Lehren der Vernunfft mit Staͤrck und Nachdruck uͤbt. Jch hab es ſelbſt geſehn, und weiß, was Jhn betruͤbt. Jn Wahrheit, ſolte mich ein ſolcher Fall beſtuͤrtzen, Mir wuͤrde Gram und Angſt das Lebens-Ziel verkuͤrtzen, Jch wuͤrffe Buch und Kiel mit tauſend Seuffzen hin, Jch braͤchte den Verluſt, den Schmertz nie aus dem Sinn. Was ſoll ich Dir demnach zum Troſt, zur Lindrung ſchreiben? Wie ſoll ich Gram und Ach aus Bruſt und Hertze treiben? Jch bin bereit dazu. Allein verzeihe mir, Daß mir die Krafft gebricht, die Schickung heiſcht von Dir, Du ſollſt geduldig ſeyn, die Zeit wird Lindrung bringen, Und Qvaal und Angſt und Pein vertreiben und bezwingen. Dein Vater ſelbſt denckt ſo, er weiß, wie Tullius Um ſeine Tochter klagt, und wie er weinen muß, Wenn er bald da, bald dort der alten Meynung fraget, Und nirgends Ruhe findt, und immer heimlich zaget. Betruͤbte, glaubet nur, es iſt der Vorſicht Schluß, Daß man in Gram und Leyd die Zeit erwarten muß. Dieſes ſchrieb aus hertzlichem Mitleyden in Leipzig M. Johann Heinrich Winckler, Der Schule zu St. Thomas vierdter Collega. MAR-
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Dieß hat Dein Schwieger-Sohn, den Witz und Weisheit ziert,
Jn kurtzer Zeit geſehn, Jhn hat ein Trieb geruͤhrt,
Den nur ein Hertze fuͤhlt, das nach der Tugend trachtet,
Und nichts als Gottesfurcht, und holdes Weſen achtet.
O! Seidel, man beklagt, daß Dir der Tod geraubt,
Was Dein Verſtand gewehlt. Das gantze Lauban glaubt,
Du haͤtteſt Dir zur Luſt der Tugend Bild erleſen,
O! waͤre Dir von GOtt das Gluͤck beſtimmt geweſen,
Den Freuden-Tag zu ſehn, an welchem man die Braut
Jm Schmuck und Ehren-Tracht mit groͤßter Anmuth ſchaut.
O! Schade, daß der Tod Dir Freud und Heil entriſſen!
O! Jammer, daß wir nichts als Klag’ und Seufzen wiſſen!
Wo iſt anietzt Dein Troſt, der Deinen Kummer daͤmpfft?
O! ſchwerer Streit, wie hart haſt Du bereits gekaͤmpfft!
Dein Vater klagt und weint, der nebſt den Amts-Geſchaͤfften
Die Lehren der Vernunfft mit Staͤrck und Nachdruck uͤbt.
Jch hab es ſelbſt geſehn, und weiß, was Jhn betruͤbt.
Jn Wahrheit, ſolte mich ein ſolcher Fall beſtuͤrtzen,
Mir wuͤrde Gram und Angſt das Lebens-Ziel verkuͤrtzen,
Jch wuͤrffe Buch und Kiel mit tauſend Seuffzen hin,
Jch braͤchte den Verluſt, den Schmertz nie aus dem Sinn.
Was ſoll ich Dir demnach zum Troſt, zur Lindrung ſchreiben?
Wie ſoll ich Gram und Ach aus Bruſt und Hertze treiben?
Jch bin bereit dazu. Allein verzeihe mir,
Daß mir die Krafft gebricht, die Schickung heiſcht von Dir,
Du ſollſt geduldig ſeyn, die Zeit wird Lindrung bringen,
Und Qvaal und Angſt und Pein vertreiben und bezwingen.
Dein Vater ſelbſt denckt ſo, er weiß, wie Tullius
Um ſeine Tochter klagt, und wie er weinen muß,
Wenn er bald da, bald dort der alten Meynung fraget,
Und nirgends Ruhe findt, und immer heimlich zaget.
Betruͤbte, glaubet nur, es iſt der Vorſicht Schluß,
Daß man in Gram und Leyd die Zeit erwarten muß.
Dieſes ſchrieb aus hertzlichem Mitleyden in Leipzig
M. Johann Heinrich Winckler,
Der Schule zu St. Thomas vierdter Collega.
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