Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

ich wiederum sah betroffen den Mann, die Tasche, den Teppich
an, der über zwanzig Schritte in der Länge und zehn in der
Breite maß, und rieb mir die Augen, nicht wissend, was ich
dazu denken sollte, besonders, da Niemand etwas Merkwür-
diges darin fand.

Ich hätte gern Aufschluß über den Mann gehabt, und
gefragt, wer er sei, nur wußt' ich nicht, an wen ich mich rich-
ten sollte, denn ich fürchtete mich fast noch mehr vor den
Herr'n Bedienten, als vor den bedienten Herr'n. Ich faßte
endlich ein Herz, und trat an einen jungen Mann heran, der
mir von minderem Ansehen schien als die Andern, und der
öfter allein gestanden hatte. Ich bat ihn leise, mir zu sagen,
wer der gefällige Mann sei dort im grauen Kleide. -- "Die-
ser, der wie ein Ende Zwirn aussieht, der einem Schneider
aus der Nadel entlaufen ist?" Ja, der allein steht -- "den
kenn' ich nicht," gab er mir zur Antwort, und, wie es schien,
eine längere Unterhaltung mit mir zu vermeiden, wandt' er
sich weg und sprach von gleichgültigen Dingen mit einem
Andern.

Die Sonne fing jetzt stärker zu scheinen an und ward den
Damen beschwerlich; die schöne Fanny richtete nachlässig an
den grauen Mann, den, so viel ich weiß, noch Niemand an-
geredet hatte, die leichtsinnige Frage: ob er nicht auch viel-
leicht ein Zelt bei sich habe? Er beantwortete sie durch eine
so tiefe Verbeugung, als widerführe ihm eine unverdiente
Ehre, und hatte schon die Hand in der Tasche, aus der ich
Zeuge, Stangen, Schnüre, Eisenwerk, kurz, Alles, was zu dem
prachtvollsten Lustzelt gehört, herauskommen sah. Die jun-
gen Herr'n halfen es ausspannen, und es überhing die ganze
Ausdehnung des Teppichs -- und Keiner fand noch etwas
Außerordentliches darin. --

Mir war schon lang' unheimlich, ja graulich zu Muthe,
wie ward mir vollends, als beim nächst ausgesprochenen Wunsch

ich wiederum ſah betroffen den Mann, die Taſche, den Teppich
an, der über zwanzig Schritte in der Länge und zehn in der
Breite maß, und rieb mir die Augen, nicht wiſſend, was ich
dazu denken ſollte, beſonders, da Niemand etwas Merkwür-
diges darin fand.

Ich hätte gern Aufſchluß über den Mann gehabt, und
gefragt, wer er ſei, nur wußt’ ich nicht, an wen ich mich rich-
ten ſollte, denn ich fürchtete mich faſt noch mehr vor den
Herr’n Bedienten, als vor den bedienten Herr’n. Ich faßte
endlich ein Herz, und trat an einen jungen Mann heran, der
mir von minderem Anſehen ſchien als die Andern, und der
öfter allein geſtanden hatte. Ich bat ihn leiſe, mir zu ſagen,
wer der gefällige Mann ſei dort im grauen Kleide. — »Die-
ſer, der wie ein Ende Zwirn ausſieht, der einem Schneider
aus der Nadel entlaufen iſt?« Ja, der allein ſteht — »den
kenn’ ich nicht,« gab er mir zur Antwort, und, wie es ſchien,
eine längere Unterhaltung mit mir zu vermeiden, wandt’ er
ſich weg und ſprach von gleichgültigen Dingen mit einem
Andern.

Die Sonne fing jetzt ſtärker zu ſcheinen an und ward den
Damen beſchwerlich; die ſchöne Fanny richtete nachläſſig an
den grauen Mann, den, ſo viel ich weiß, noch Niemand an-
geredet hatte, die leichtſinnige Frage: ob er nicht auch viel-
leicht ein Zelt bei ſich habe? Er beantwortete ſie durch eine
ſo tiefe Verbeugung, als widerführe ihm eine unverdiente
Ehre, und hatte ſchon die Hand in der Taſche, aus der ich
Zeuge, Stangen, Schnüre, Eiſenwerk, kurz, Alles, was zu dem
prachtvollſten Luſtzelt gehört, herauskommen ſah. Die jun-
gen Herr’n halfen es ausſpannen, und es überhing die ganze
Ausdehnung des Teppichs — und Keiner fand noch etwas
Außerordentliches darin. —

Mir war ſchon lang’ unheimlich, ja graulich zu Muthe,
wie ward mir vollends, als beim nächſt ausgeſprochenen Wunſch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0023" n="5"/>
ich wiederum &#x017F;ah betroffen den Mann, die Ta&#x017F;che, den Teppich<lb/>
an, der über zwanzig Schritte in der Länge und zehn in der<lb/>
Breite maß, und rieb mir die Augen, nicht wi&#x017F;&#x017F;end, was ich<lb/>
dazu denken &#x017F;ollte, be&#x017F;onders, da Niemand etwas Merkwür-<lb/>
diges darin fand.</p><lb/>
        <p>Ich hätte gern Auf&#x017F;chluß über den Mann gehabt, und<lb/>
gefragt, wer er &#x017F;ei, nur wußt&#x2019; ich nicht, an wen ich mich rich-<lb/>
ten &#x017F;ollte, denn ich fürchtete mich fa&#x017F;t noch mehr vor den<lb/>
Herr&#x2019;n Bedienten, als vor den bedienten Herr&#x2019;n. Ich faßte<lb/>
endlich ein Herz, und trat an einen jungen Mann heran, der<lb/>
mir von minderem An&#x017F;ehen &#x017F;chien als die Andern, und der<lb/>
öfter allein ge&#x017F;tanden hatte. Ich bat ihn lei&#x017F;e, mir zu &#x017F;agen,<lb/>
wer der gefällige Mann &#x017F;ei dort im grauen Kleide. &#x2014; »Die-<lb/>
&#x017F;er, der wie ein Ende Zwirn aus&#x017F;ieht, der einem Schneider<lb/>
aus der Nadel entlaufen i&#x017F;t?« Ja, der allein &#x017F;teht &#x2014; »den<lb/>
kenn&#x2019; ich nicht,« gab er mir zur Antwort, und, wie es &#x017F;chien,<lb/>
eine längere Unterhaltung mit mir zu vermeiden, wandt&#x2019; er<lb/>
&#x017F;ich weg und &#x017F;prach von gleichgültigen Dingen mit einem<lb/>
Andern.</p><lb/>
        <p>Die Sonne fing jetzt &#x017F;tärker zu &#x017F;cheinen an und ward den<lb/>
Damen be&#x017F;chwerlich; die &#x017F;chöne <hi rendition="#g">Fanny</hi> richtete nachlä&#x017F;&#x017F;ig an<lb/>
den grauen Mann, den, &#x017F;o viel ich weiß, noch Niemand an-<lb/>
geredet hatte, die leicht&#x017F;innige Frage: ob er nicht auch viel-<lb/>
leicht ein Zelt bei &#x017F;ich habe? Er beantwortete &#x017F;ie durch eine<lb/>
&#x017F;o tiefe Verbeugung, als widerführe ihm eine unverdiente<lb/>
Ehre, und hatte &#x017F;chon die Hand in der Ta&#x017F;che, aus der ich<lb/>
Zeuge, Stangen, Schnüre, Ei&#x017F;enwerk, kurz, Alles, was zu dem<lb/>
prachtvoll&#x017F;ten Lu&#x017F;tzelt gehört, herauskommen &#x017F;ah. Die jun-<lb/>
gen Herr&#x2019;n halfen es aus&#x017F;pannen, und es überhing die ganze<lb/>
Ausdehnung des Teppichs &#x2014; und Keiner fand noch etwas<lb/>
Außerordentliches darin. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Mir war &#x017F;chon lang&#x2019; unheimlich, ja graulich zu Muthe,<lb/>
wie ward mir vollends, als beim näch&#x017F;t ausge&#x017F;prochenen Wun&#x017F;ch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0023] ich wiederum ſah betroffen den Mann, die Taſche, den Teppich an, der über zwanzig Schritte in der Länge und zehn in der Breite maß, und rieb mir die Augen, nicht wiſſend, was ich dazu denken ſollte, beſonders, da Niemand etwas Merkwür- diges darin fand. Ich hätte gern Aufſchluß über den Mann gehabt, und gefragt, wer er ſei, nur wußt’ ich nicht, an wen ich mich rich- ten ſollte, denn ich fürchtete mich faſt noch mehr vor den Herr’n Bedienten, als vor den bedienten Herr’n. Ich faßte endlich ein Herz, und trat an einen jungen Mann heran, der mir von minderem Anſehen ſchien als die Andern, und der öfter allein geſtanden hatte. Ich bat ihn leiſe, mir zu ſagen, wer der gefällige Mann ſei dort im grauen Kleide. — »Die- ſer, der wie ein Ende Zwirn ausſieht, der einem Schneider aus der Nadel entlaufen iſt?« Ja, der allein ſteht — »den kenn’ ich nicht,« gab er mir zur Antwort, und, wie es ſchien, eine längere Unterhaltung mit mir zu vermeiden, wandt’ er ſich weg und ſprach von gleichgültigen Dingen mit einem Andern. Die Sonne fing jetzt ſtärker zu ſcheinen an und ward den Damen beſchwerlich; die ſchöne Fanny richtete nachläſſig an den grauen Mann, den, ſo viel ich weiß, noch Niemand an- geredet hatte, die leichtſinnige Frage: ob er nicht auch viel- leicht ein Zelt bei ſich habe? Er beantwortete ſie durch eine ſo tiefe Verbeugung, als widerführe ihm eine unverdiente Ehre, und hatte ſchon die Hand in der Taſche, aus der ich Zeuge, Stangen, Schnüre, Eiſenwerk, kurz, Alles, was zu dem prachtvollſten Luſtzelt gehört, herauskommen ſah. Die jun- gen Herr’n halfen es ausſpannen, und es überhing die ganze Ausdehnung des Teppichs — und Keiner fand noch etwas Außerordentliches darin. — Mir war ſchon lang’ unheimlich, ja graulich zu Muthe, wie ward mir vollends, als beim nächſt ausgeſprochenen Wunſch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1/23
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1/23>, abgerufen am 21.11.2024.