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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839.

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"Herr Professor," fuhr ich fort, "könnten Sie wohl
einem Menschen, der auf die unglücklichste Weise von der
Welt um seinen Schatten gekommen ist, einen falschen Schat-
ten malen?" -- -- "Sie meinen einen Schlagschatten?" --
"den mein' ich allerdings." -- "Aber," frug er mich weiter,
"durch welche Ungeschicklichkeit, durch welche Nachlässigkeit
konnte er denn seinen Schlagschatten verlieren?" -- "Wie es
kam," erwiederte ich, "mag nun sehr gleichgültig sein, doch
so viel," log ich ihm unverschämt vor: "In Rußland, wo
er im vorigen Winter eine Reise that, fror ihm einmal, bei
einer außerordentlichen Kälte, sein Schatten dergestalt am
Boden fest, daß er ihn nicht wieder losbekommen konnte."

"Der falsche Schlagschatten, den ich ihm malen könnte,"
erwiederte der Professor, "würde doch nur ein solcher sein,
den er bei der leisesten Bewegung wieder verlieren müßte, --
zumal wer an dem eignen angebornen Schatten so wenig fest-
hing, als aus Ihrer Erzählung selbst sich abnehmen läßt;
wer keinen Schatten hat, gehe nicht in die Sonne, das ist
das Vernünftigste und Sicherste." Er stand auf und entfernte
sich, indem er auf mich einen durchbohrenden Blick warf,
den der meine nicht ertragen konnte. Ich sank in meinen
Sessel zurück, und verhüllte mein Gesicht in meine Hände.

So fand mich noch Bendel, als er herein trat. Er sah
den Schmerz seines Herrn, und wollte sich still, ehrerbietig
zurückziehen. -- Ich blickte auf -- ich erlag unter der Last
meines Kummers, ich mußte ihn mittheilen. "Bendel,"
rief ich ihm zu, "Bendel! Du Einziger, der Du meine
Leiden siehst und ehrst, sie nicht erforschen zu wollen, sondern
still und fromm mitzufühlen scheinst, komm zu mir, Ben-
del
, und sei der Nächste meinem Herzen. Die Schätze mei-
nes Goldes hab' ich vor Dir nicht verschlossen, nicht ver-
schließen will ich vor Dir die Schätze meines Grames. --
Bendel, verlasse mich nicht. Bendel, Du siehst mich

»Herr Profeſſor,« fuhr ich fort, »könnten Sie wohl
einem Menſchen, der auf die unglücklichſte Weiſe von der
Welt um ſeinen Schatten gekommen iſt, einen falſchen Schat-
ten malen?« — — »Sie meinen einen Schlagſchatten?« —
»den mein’ ich allerdings.« — »Aber,« frug er mich weiter,
»durch welche Ungeſchicklichkeit, durch welche Nachläſſigkeit
konnte er denn ſeinen Schlagſchatten verlieren?« — »Wie es
kam,« erwiederte ich, »mag nun ſehr gleichgültig ſein, doch
ſo viel,« log ich ihm unverſchämt vor: »In Rußland, wo
er im vorigen Winter eine Reiſe that, fror ihm einmal, bei
einer außerordentlichen Kälte, ſein Schatten dergeſtalt am
Boden feſt, daß er ihn nicht wieder losbekommen konnte.«

»Der falſche Schlagſchatten, den ich ihm malen könnte,«
erwiederte der Profeſſor, »würde doch nur ein ſolcher ſein,
den er bei der leiſeſten Bewegung wieder verlieren müßte, —
zumal wer an dem eignen angebornen Schatten ſo wenig feſt-
hing, als aus Ihrer Erzählung ſelbſt ſich abnehmen läßt;
wer keinen Schatten hat, gehe nicht in die Sonne, das iſt
das Vernünftigſte und Sicherſte.« Er ſtand auf und entfernte
ſich, indem er auf mich einen durchbohrenden Blick warf,
den der meine nicht ertragen konnte. Ich ſank in meinen
Seſſel zurück, und verhüllte mein Geſicht in meine Hände.

So fand mich noch Bendel, als er herein trat. Er ſah
den Schmerz ſeines Herrn, und wollte ſich ſtill, ehrerbietig
zurückziehen. — Ich blickte auf — ich erlag unter der Laſt
meines Kummers, ich mußte ihn mittheilen. »Bendel
rief ich ihm zu, »Bendel! Du Einziger, der Du meine
Leiden ſiehſt und ehrſt, ſie nicht erforſchen zu wollen, ſondern
ſtill und fromm mitzufühlen ſcheinſt, komm zu mir, Ben-
del
, und ſei der Nächſte meinem Herzen. Die Schätze mei-
nes Goldes hab’ ich vor Dir nicht verſchloſſen, nicht ver-
ſchließen will ich vor Dir die Schätze meines Grames. —
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[18/0036] »Herr Profeſſor,« fuhr ich fort, »könnten Sie wohl einem Menſchen, der auf die unglücklichſte Weiſe von der Welt um ſeinen Schatten gekommen iſt, einen falſchen Schat- ten malen?« — — »Sie meinen einen Schlagſchatten?« — »den mein’ ich allerdings.« — »Aber,« frug er mich weiter, »durch welche Ungeſchicklichkeit, durch welche Nachläſſigkeit konnte er denn ſeinen Schlagſchatten verlieren?« — »Wie es kam,« erwiederte ich, »mag nun ſehr gleichgültig ſein, doch ſo viel,« log ich ihm unverſchämt vor: »In Rußland, wo er im vorigen Winter eine Reiſe that, fror ihm einmal, bei einer außerordentlichen Kälte, ſein Schatten dergeſtalt am Boden feſt, daß er ihn nicht wieder losbekommen konnte.« »Der falſche Schlagſchatten, den ich ihm malen könnte,« erwiederte der Profeſſor, »würde doch nur ein ſolcher ſein, den er bei der leiſeſten Bewegung wieder verlieren müßte, — zumal wer an dem eignen angebornen Schatten ſo wenig feſt- hing, als aus Ihrer Erzählung ſelbſt ſich abnehmen läßt; wer keinen Schatten hat, gehe nicht in die Sonne, das iſt das Vernünftigſte und Sicherſte.« Er ſtand auf und entfernte ſich, indem er auf mich einen durchbohrenden Blick warf, den der meine nicht ertragen konnte. Ich ſank in meinen Seſſel zurück, und verhüllte mein Geſicht in meine Hände. So fand mich noch Bendel, als er herein trat. Er ſah den Schmerz ſeines Herrn, und wollte ſich ſtill, ehrerbietig zurückziehen. — Ich blickte auf — ich erlag unter der Laſt meines Kummers, ich mußte ihn mittheilen. »Bendel,« rief ich ihm zu, »Bendel! Du Einziger, der Du meine Leiden ſiehſt und ehrſt, ſie nicht erforſchen zu wollen, ſondern ſtill und fromm mitzufühlen ſcheinſt, komm zu mir, Ben- del, und ſei der Nächſte meinem Herzen. Die Schätze mei- nes Goldes hab’ ich vor Dir nicht verſchloſſen, nicht ver- ſchließen will ich vor Dir die Schätze meines Grames. — Bendel, verlaſſe mich nicht. Bendel, Du ſiehſt mich

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1/36>, abgerufen am 21.11.2024.