Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839.reich, freigebig, gütig, Du wähnst, es sollte die Welt mich "Keinen Schatten?" rief der gute Junge erschreckt aus, "Bendel," setzt' ich spät und zitternd hinzu, "nun hast Seitdem änderten sich in Etwas mein Schicksal und meine 2*
reich, freigebig, gütig, Du wähnſt, es ſollte die Welt mich »Keinen Schatten?« rief der gute Junge erſchreckt aus, »Bendel,« ſetzt’ ich ſpät und zitternd hinzu, »nun haſt Seitdem änderten ſich in Etwas mein Schickſal und meine 2*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0037" n="19"/> reich, freigebig, gütig, Du wähnſt, es ſollte die Welt mich<lb/> verherrlichen, und Du ſiehſt mich die Welt flieh’n und mich<lb/> vor ihr verſchließen. <hi rendition="#g">Bendel</hi>, ſie hat gerichtet, die Welt,<lb/> und mich verſtoßen, und auch Du vielleicht wirſt Dich von<lb/> mir wenden, wenn Du mein ſchreckliches Geheimniß erfährſt:<lb/><hi rendition="#g">Bendel</hi>, ich bin reich, freigebig, gütig, aber — o Gott! —<lb/> — ich habe keinen Schatten!« —</p><lb/> <p>»Keinen Schatten?« rief der gute Junge erſchreckt aus,<lb/> und die hellen Thränen ſtürzten ihm aus den Augen. —<lb/> »Weh mir, daß ich geboren ward, einem ſchattenloſen Herrn<lb/> zu dienen!« Er ſchwieg, und ich hielt mein Geſicht in meinen<lb/> Händen. —</p><lb/> <p>»<hi rendition="#g">Bendel</hi>,« ſetzt’ ich ſpät und zitternd hinzu, »nun haſt<lb/> Du mein Vertrauen, nun kannſt Du es verrathen. Geh’ hin<lb/> und zeuge wider mich.« — Er ſchien in ſchwerem Kampfe<lb/> mit ſich ſelber, endlich ſtürzte er vor mir nieder und ergriff<lb/> meine Hand, die er mit ſeinen Thränen benetzte. »Nein,«<lb/> rief er aus, »was die Welt auch meine, ich kann und werde<lb/> um Schattens willen meinen gütigen Herrn nicht verlaſſen,<lb/> ich werde recht, und nicht klug handeln, ich werde bei Ihnen<lb/> bleiben, Ihnen meinen Schatten borgen, Ihnen helfen, wo<lb/> ich kann, und wo ich nicht kann, mit Ihnen weinen.« Ich<lb/> fiel ihm um den Hals, ob ſolcher ungewohnten Geſinnung<lb/> ſtaunend; denn ich war von ihm überzeugt, daß er es nicht<lb/> um Gold that.</p><lb/> <p>Seitdem änderten ſich in Etwas mein Schickſal und meine<lb/> Lebensweiſe. Es iſt unbeſchreiblich, wie vorſorglich <hi rendition="#g">Ben-<lb/> del</hi> mein Gebrechen zu verhehlen wußte. Ueberall war er<lb/> vor mir und mit mir, Alles vorherſehend, Anſtalten treffend,<lb/> und wo Gefahr unverſehens drohte, mich ſchnell mit ſeinem<lb/> Schatten überdeckend, denn er war größer und ſtärker als ich.<lb/> So wagt’ ich mich wieder unter die Menſchen, und begann<lb/> eine Rolle in der Welt zu ſpielen. Ich mußte freilich viele<lb/> <fw place="bottom" type="sig">2*</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [19/0037]
reich, freigebig, gütig, Du wähnſt, es ſollte die Welt mich
verherrlichen, und Du ſiehſt mich die Welt flieh’n und mich
vor ihr verſchließen. Bendel, ſie hat gerichtet, die Welt,
und mich verſtoßen, und auch Du vielleicht wirſt Dich von
mir wenden, wenn Du mein ſchreckliches Geheimniß erfährſt:
Bendel, ich bin reich, freigebig, gütig, aber — o Gott! —
— ich habe keinen Schatten!« —
»Keinen Schatten?« rief der gute Junge erſchreckt aus,
und die hellen Thränen ſtürzten ihm aus den Augen. —
»Weh mir, daß ich geboren ward, einem ſchattenloſen Herrn
zu dienen!« Er ſchwieg, und ich hielt mein Geſicht in meinen
Händen. —
»Bendel,« ſetzt’ ich ſpät und zitternd hinzu, »nun haſt
Du mein Vertrauen, nun kannſt Du es verrathen. Geh’ hin
und zeuge wider mich.« — Er ſchien in ſchwerem Kampfe
mit ſich ſelber, endlich ſtürzte er vor mir nieder und ergriff
meine Hand, die er mit ſeinen Thränen benetzte. »Nein,«
rief er aus, »was die Welt auch meine, ich kann und werde
um Schattens willen meinen gütigen Herrn nicht verlaſſen,
ich werde recht, und nicht klug handeln, ich werde bei Ihnen
bleiben, Ihnen meinen Schatten borgen, Ihnen helfen, wo
ich kann, und wo ich nicht kann, mit Ihnen weinen.« Ich
fiel ihm um den Hals, ob ſolcher ungewohnten Geſinnung
ſtaunend; denn ich war von ihm überzeugt, daß er es nicht
um Gold that.
Seitdem änderten ſich in Etwas mein Schickſal und meine
Lebensweiſe. Es iſt unbeſchreiblich, wie vorſorglich Ben-
del mein Gebrechen zu verhehlen wußte. Ueberall war er
vor mir und mit mir, Alles vorherſehend, Anſtalten treffend,
und wo Gefahr unverſehens drohte, mich ſchnell mit ſeinem
Schatten überdeckend, denn er war größer und ſtärker als ich.
So wagt’ ich mich wieder unter die Menſchen, und begann
eine Rolle in der Welt zu ſpielen. Ich mußte freilich viele
2*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |