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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839.

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Eigenheiten und Launen scheinbar annehmen. Solche stehen
aber dem Reichen gut, und so lange die Wahrheit nur verbor-
gen blieb, genoß ich aller der Ehre und Achtung, die meinem
Golde zukam. Ich sah ruhiger dem über Jahr und Tag ver-
heißenen Besuch des räthselhaften Unbekannten entgegen.

Ich fühlte sehr wohl, daß ich mich nicht lange an einem
Ort aufhalten durfte, wo man mich schon ohne Schatten
gesehen, und wo ich leicht verrathen werden konnte; auch
dacht' ich vielleicht nur allein noch daran, wie ich mich bei
Herrn John gezeigt, und es war mir eine drückende Erinne-
rung, demnach wollt' ich hier blos Probe halten, um anders-
wo leichter und zuversichtlicher auftreten zu können -- doch
fand sich, was mich eine Zeitlang an meiner Eitelkeit festhielt:
das ist im Menschen, wo der Anker am zuverlässigsten Grund faßt.

Eben die schöne Fanny, der ich am dritten Ort wieder
begegnete, schenkte mir, ohne sich zu erinnern, mich jemals
gesehen zu haben, einige Aufmerksamkeit, denn jetzt hatt' ich
Witz und Verstand. -- Wenn ich redete, hörte man zu, und
ich wußte selber nicht, wie ich zu der Kunst gekommen war,
das Gespräch so leicht zu führen und zu beherrschen. Der
Eindruck, den ich auf die Schöne gemacht zu haben einsah,
machte aus mir, was sie eben begehrte, einen Narren, und
ich folgte ihr seither mit tausend Mühen durch Schatten und
Dämmerung, wo ich nur konnte. Ich war nur eitel darauf,
sie über mich eitel zu machen, und konnte mir, selbst mit dem
besten Willen, nicht den Rausch aus dem Kopf in's Herz
zwingen.

Aber wozu die ganz gemeine Geschichte Dir lang und
breit wiederholen? -- Du selber hast sie mir oft genug von
andern Ehrenleuten erzählt. -- Zu dem alten, wohlbekannten
Spiele, worin ich gutmüthig eine abgedroschene Rolle über-
nommen, kam freilich eine ganz eigens gedichtete Katastrophe
hinzu, mir und ihr und Allen unerwartet.

Eigenheiten und Launen ſcheinbar annehmen. Solche ſtehen
aber dem Reichen gut, und ſo lange die Wahrheit nur verbor-
gen blieb, genoß ich aller der Ehre und Achtung, die meinem
Golde zukam. Ich ſah ruhiger dem über Jahr und Tag ver-
heißenen Beſuch des räthſelhaften Unbekannten entgegen.

Ich fühlte ſehr wohl, daß ich mich nicht lange an einem
Ort aufhalten durfte, wo man mich ſchon ohne Schatten
geſehen, und wo ich leicht verrathen werden konnte; auch
dacht’ ich vielleicht nur allein noch daran, wie ich mich bei
Herrn John gezeigt, und es war mir eine drückende Erinne-
rung, demnach wollt’ ich hier blos Probe halten, um anders-
wo leichter und zuverſichtlicher auftreten zu können — doch
fand ſich, was mich eine Zeitlang an meiner Eitelkeit feſthielt:
das iſt im Menſchen, wo der Anker am zuverläſſigſten Grund faßt.

Eben die ſchöne Fanny, der ich am dritten Ort wieder
begegnete, ſchenkte mir, ohne ſich zu erinnern, mich jemals
geſehen zu haben, einige Aufmerkſamkeit, denn jetzt hatt’ ich
Witz und Verſtand. — Wenn ich redete, hörte man zu, und
ich wußte ſelber nicht, wie ich zu der Kunſt gekommen war,
das Geſpräch ſo leicht zu führen und zu beherrſchen. Der
Eindruck, den ich auf die Schöne gemacht zu haben einſah,
machte aus mir, was ſie eben begehrte, einen Narren, und
ich folgte ihr ſeither mit tauſend Mühen durch Schatten und
Dämmerung, wo ich nur konnte. Ich war nur eitel darauf,
ſie über mich eitel zu machen, und konnte mir, ſelbſt mit dem
beſten Willen, nicht den Rauſch aus dem Kopf in’s Herz
zwingen.

Aber wozu die ganz gemeine Geſchichte Dir lang und
breit wiederholen? — Du ſelber haſt ſie mir oft genug von
andern Ehrenleuten erzählt. — Zu dem alten, wohlbekannten
Spiele, worin ich gutmüthig eine abgedroſchene Rolle über-
nommen, kam freilich eine ganz eigens gedichtete Kataſtrophe
hinzu, mir und ihr und Allen unerwartet.

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[20/0038] Eigenheiten und Launen ſcheinbar annehmen. Solche ſtehen aber dem Reichen gut, und ſo lange die Wahrheit nur verbor- gen blieb, genoß ich aller der Ehre und Achtung, die meinem Golde zukam. Ich ſah ruhiger dem über Jahr und Tag ver- heißenen Beſuch des räthſelhaften Unbekannten entgegen. Ich fühlte ſehr wohl, daß ich mich nicht lange an einem Ort aufhalten durfte, wo man mich ſchon ohne Schatten geſehen, und wo ich leicht verrathen werden konnte; auch dacht’ ich vielleicht nur allein noch daran, wie ich mich bei Herrn John gezeigt, und es war mir eine drückende Erinne- rung, demnach wollt’ ich hier blos Probe halten, um anders- wo leichter und zuverſichtlicher auftreten zu können — doch fand ſich, was mich eine Zeitlang an meiner Eitelkeit feſthielt: das iſt im Menſchen, wo der Anker am zuverläſſigſten Grund faßt. Eben die ſchöne Fanny, der ich am dritten Ort wieder begegnete, ſchenkte mir, ohne ſich zu erinnern, mich jemals geſehen zu haben, einige Aufmerkſamkeit, denn jetzt hatt’ ich Witz und Verſtand. — Wenn ich redete, hörte man zu, und ich wußte ſelber nicht, wie ich zu der Kunſt gekommen war, das Geſpräch ſo leicht zu führen und zu beherrſchen. Der Eindruck, den ich auf die Schöne gemacht zu haben einſah, machte aus mir, was ſie eben begehrte, einen Narren, und ich folgte ihr ſeither mit tauſend Mühen durch Schatten und Dämmerung, wo ich nur konnte. Ich war nur eitel darauf, ſie über mich eitel zu machen, und konnte mir, ſelbſt mit dem beſten Willen, nicht den Rauſch aus dem Kopf in’s Herz zwingen. Aber wozu die ganz gemeine Geſchichte Dir lang und breit wiederholen? — Du ſelber haſt ſie mir oft genug von andern Ehrenleuten erzählt. — Zu dem alten, wohlbekannten Spiele, worin ich gutmüthig eine abgedroſchene Rolle über- nommen, kam freilich eine ganz eigens gedichtete Kataſtrophe hinzu, mir und ihr und Allen unerwartet.

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1/38>, abgerufen am 21.11.2024.