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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839.

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"ein Mann von vorzüglichem Charakter und von besonderen
Gaben --" Er erwartete eine Antwort. -- "Und wenn ich
selber der Mann wäre?" -- "dem," fügte er heftig hinzu,
"sein Schatten abhanden gekommen ist!!" -- "O meine Ah-
nung, meine Ahnung!" rief Mina aus, "ja, ich weiß es
längst, er hat keinen Schatten!" und sie warf sich in die Arme
der Mutter, welche erschreckt, sie krampfhaft an sich schließend,
ihr Vorwürfe machte, daß sie zum Unheil solch ein Geheimniß
in sich verschlossen. Sie aber war, wie Arethusa, in einen
Thränenquell gewandelt, der beim Klang meiner Stimme häu-
figer floß, und bei meinem Nahen stürmisch aufbrauste.

"Und Sie haben," hub der Forstmeister grimmig wieder
an, "und Sie haben mit unerhörter Frechheit diese und mich
zu betrügen keinen Anstand genommen; und Sie geben vor,
sie zu lieben, die Sie so weit heruntergebracht haben? Sehen
Sie, wie sie da weint und ringt. O schrecklich! schrecklich!" --

Ich hatte dergestalt alle Besinnung verloren, daß ich, wie
irre redend, anfing: Es wäre doch am Ende ein Schatten,
nichts als ein Schatten, man könne auch ohne das fertig wer-
den, und es wäre nicht der Mühe werth, solchen Lärm davon
zu erheben. Aber ich fühlte so sehr den Ungrund von dem,
was ich sprach, daß ich von selbst aufhörte, ohne daß er mich
einer Antwort gewürdigt. Ich fügte noch hinzu: was man
einmal verloren, könne man ein andermal wieder finden.

Er fuhr mich zornig an. -- "Gestehen Sie mir's, mein
Herr, gestehen Sie mir's, wie sind Sie um Ihren Schatten
gekommen?" Ich mußte wieder lügen: "Es trat mir dereinst
ein ungeschlachter Mann so flämisch in meinen Schatten, daß
er ein großes Loch darein riß -- ich habe ihn nur zum Aus-
bessern gegeben, denn Gold vermag viel, ich habe ihn schon
gestern wieder bekommen sollen." --

"Wohl, mein Herr, ganz wohl!" erwiederte der Forst-
meister, "Sie werben um meine Tochter, das thun auch

»ein Mann von vorzüglichem Charakter und von beſonderen
Gaben —« Er erwartete eine Antwort. — »Und wenn ich
ſelber der Mann wäre?« — »dem,« fügte er heftig hinzu,
»ſein Schatten abhanden gekommen iſt!!« — »O meine Ah-
nung, meine Ahnung!« rief Mina aus, »ja, ich weiß es
längſt, er hat keinen Schatten!« und ſie warf ſich in die Arme
der Mutter, welche erſchreckt, ſie krampfhaft an ſich ſchließend,
ihr Vorwürfe machte, daß ſie zum Unheil ſolch ein Geheimniß
in ſich verſchloſſen. Sie aber war, wie Arethuſa, in einen
Thränenquell gewandelt, der beim Klang meiner Stimme häu-
figer floß, und bei meinem Nahen ſtürmiſch aufbrauſte.

»Und Sie haben,« hub der Forſtmeiſter grimmig wieder
an, »und Sie haben mit unerhörter Frechheit dieſe und mich
zu betrügen keinen Anſtand genommen; und Sie geben vor,
ſie zu lieben, die Sie ſo weit heruntergebracht haben? Sehen
Sie, wie ſie da weint und ringt. O ſchrecklich! ſchrecklich!« —

Ich hatte dergeſtalt alle Beſinnung verloren, daß ich, wie
irre redend, anfing: Es wäre doch am Ende ein Schatten,
nichts als ein Schatten, man könne auch ohne das fertig wer-
den, und es wäre nicht der Mühe werth, ſolchen Lärm davon
zu erheben. Aber ich fühlte ſo ſehr den Ungrund von dem,
was ich ſprach, daß ich von ſelbſt aufhörte, ohne daß er mich
einer Antwort gewürdigt. Ich fügte noch hinzu: was man
einmal verloren, könne man ein andermal wieder finden.

Er fuhr mich zornig an. — »Geſtehen Sie mir’s, mein
Herr, geſtehen Sie mir’s, wie ſind Sie um Ihren Schatten
gekommen?« Ich mußte wieder lügen: »Es trat mir dereinſt
ein ungeſchlachter Mann ſo flämiſch in meinen Schatten, daß
er ein großes Loch darein riß — ich habe ihn nur zum Aus-
beſſern gegeben, denn Gold vermag viel, ich habe ihn ſchon
geſtern wieder bekommen ſollen.« —

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meiſter, »Sie werben um meine Tochter, das thun auch

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[37/0055] »ein Mann von vorzüglichem Charakter und von beſonderen Gaben —« Er erwartete eine Antwort. — »Und wenn ich ſelber der Mann wäre?« — »dem,« fügte er heftig hinzu, »ſein Schatten abhanden gekommen iſt!!« — »O meine Ah- nung, meine Ahnung!« rief Mina aus, »ja, ich weiß es längſt, er hat keinen Schatten!« und ſie warf ſich in die Arme der Mutter, welche erſchreckt, ſie krampfhaft an ſich ſchließend, ihr Vorwürfe machte, daß ſie zum Unheil ſolch ein Geheimniß in ſich verſchloſſen. Sie aber war, wie Arethuſa, in einen Thränenquell gewandelt, der beim Klang meiner Stimme häu- figer floß, und bei meinem Nahen ſtürmiſch aufbrauſte. »Und Sie haben,« hub der Forſtmeiſter grimmig wieder an, »und Sie haben mit unerhörter Frechheit dieſe und mich zu betrügen keinen Anſtand genommen; und Sie geben vor, ſie zu lieben, die Sie ſo weit heruntergebracht haben? Sehen Sie, wie ſie da weint und ringt. O ſchrecklich! ſchrecklich!« — Ich hatte dergeſtalt alle Beſinnung verloren, daß ich, wie irre redend, anfing: Es wäre doch am Ende ein Schatten, nichts als ein Schatten, man könne auch ohne das fertig wer- den, und es wäre nicht der Mühe werth, ſolchen Lärm davon zu erheben. Aber ich fühlte ſo ſehr den Ungrund von dem, was ich ſprach, daß ich von ſelbſt aufhörte, ohne daß er mich einer Antwort gewürdigt. Ich fügte noch hinzu: was man einmal verloren, könne man ein andermal wieder finden. Er fuhr mich zornig an. — »Geſtehen Sie mir’s, mein Herr, geſtehen Sie mir’s, wie ſind Sie um Ihren Schatten gekommen?« Ich mußte wieder lügen: »Es trat mir dereinſt ein ungeſchlachter Mann ſo flämiſch in meinen Schatten, daß er ein großes Loch darein riß — ich habe ihn nur zum Aus- beſſern gegeben, denn Gold vermag viel, ich habe ihn ſchon geſtern wieder bekommen ſollen.« — »Wohl, mein Herr, ganz wohl!« erwiederte der Forſt- meiſter, »Sie werben um meine Tochter, das thun auch

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1/55>, abgerufen am 21.11.2024.