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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839.

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denn das für ein Ding, Ihre Seele? haben Sie es je gesehen,
und was denken Sie damit anzufangen, wenn Sie einst todt
sind? Seien Sie doch froh, einen Liebhaber zu finden, der
Ihnen bei Lebenszeit noch den Nachlaß dieses X., dieser gal-
vanischen Kraft oder polarisirenden Wirksamkeit, und was
alles das närrische Ding sein soll, mit etwas Wirklichem be-
zahlen will, nämlich mit Ihrem leibhaftigen Schatten, durch
den Sie zu der Hand Ihrer Geliebten und zu der Erfüllung
aller Ihrer Wünsche gelangen können. Wollen Sie lieber
selbst das arme junge Blut dem niederträchtigen Schurken,
dem Rascal zustoßen und ausliefern? -- Nein, das müssen
Sie doch mit eigenen Augen ansehen; kommen Sie, ich leihe
Ihnen die Tarnkappe hier," (er zog etwas aus der Tasche)
"und wir wallfahrten ungesehen nach dem Förstergarten." --

Ich muß gestehen, das ich mich überaus schämte, von die-
sem Manne ausgelacht zu werden. Er war mir von Herzens-
grunde verhaßt, und ich glaube, daß mich dieser persönliche
Widerwille mehr als Grundsätze oder Vorurtheile abhielt,
meinen Schatten, so nothwendig er mir auch war, mit der be-
gehrten Unterschrift zu erkaufen. Auch war mir der Gedanke
unerträglich, den Gang, den er mir antrug, in seiner Gesell-
schaft zu unternehmen. Diesen häßlichen Schleicher, diesen
hohnlächelnden Kobold, zwischen mich und meine Geliebte,
zwei blutig zerrissene Herzen, spöttisch hintreten zu sehen,
empörte mein innigstes Gefühl. Ich nahm, was geschehen
war, als verhängt an, mein Elend als unabwendbar, und
mich zu dem Manne kehrend, sagte ich ihm:

"Mein Herr, ich habe Ihnen meinen Schatten für diesen
an sich sehr vorzüglichen Seckel verkauft, und es hat mich ge-
nug gereut. Kann der Handel zurückgehen, in Gottes Na-
men!" Er schüttelte mit dem Kopf und zog ein sehr finsteres
Gesicht. Ich fuhr fort: -- "So will ich Ihnen auch weiter

denn das für ein Ding, Ihre Seele? haben Sie es je geſehen,
und was denken Sie damit anzufangen, wenn Sie einſt todt
ſind? Seien Sie doch froh, einen Liebhaber zu finden, der
Ihnen bei Lebenszeit noch den Nachlaß dieſes X., dieſer gal-
vaniſchen Kraft oder polariſirenden Wirkſamkeit, und was
alles das närriſche Ding ſein ſoll, mit etwas Wirklichem be-
zahlen will, nämlich mit Ihrem leibhaftigen Schatten, durch
den Sie zu der Hand Ihrer Geliebten und zu der Erfüllung
aller Ihrer Wünſche gelangen können. Wollen Sie lieber
ſelbſt das arme junge Blut dem niederträchtigen Schurken,
dem Rascal zuſtoßen und ausliefern? — Nein, das müſſen
Sie doch mit eigenen Augen anſehen; kommen Sie, ich leihe
Ihnen die Tarnkappe hier,« (er zog etwas aus der Taſche)
»und wir wallfahrten ungeſehen nach dem Förſtergarten.« —

Ich muß geſtehen, das ich mich überaus ſchämte, von die-
ſem Manne ausgelacht zu werden. Er war mir von Herzens-
grunde verhaßt, und ich glaube, daß mich dieſer perſönliche
Widerwille mehr als Grundſätze oder Vorurtheile abhielt,
meinen Schatten, ſo nothwendig er mir auch war, mit der be-
gehrten Unterſchrift zu erkaufen. Auch war mir der Gedanke
unerträglich, den Gang, den er mir antrug, in ſeiner Geſell-
ſchaft zu unternehmen. Dieſen häßlichen Schleicher, dieſen
hohnlächelnden Kobold, zwiſchen mich und meine Geliebte,
zwei blutig zerriſſene Herzen, ſpöttiſch hintreten zu ſehen,
empörte mein innigſtes Gefühl. Ich nahm, was geſchehen
war, als verhängt an, mein Elend als unabwendbar, und
mich zu dem Manne kehrend, ſagte ich ihm:

»Mein Herr, ich habe Ihnen meinen Schatten für dieſen
an ſich ſehr vorzüglichen Seckel verkauft, und es hat mich ge-
nug gereut. Kann der Handel zurückgehen, in Gottes Na-
men!« Er ſchüttelte mit dem Kopf und zog ein ſehr finſteres
Geſicht. Ich fuhr fort: — »So will ich Ihnen auch weiter

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[40/0058] denn das für ein Ding, Ihre Seele? haben Sie es je geſehen, und was denken Sie damit anzufangen, wenn Sie einſt todt ſind? Seien Sie doch froh, einen Liebhaber zu finden, der Ihnen bei Lebenszeit noch den Nachlaß dieſes X., dieſer gal- vaniſchen Kraft oder polariſirenden Wirkſamkeit, und was alles das närriſche Ding ſein ſoll, mit etwas Wirklichem be- zahlen will, nämlich mit Ihrem leibhaftigen Schatten, durch den Sie zu der Hand Ihrer Geliebten und zu der Erfüllung aller Ihrer Wünſche gelangen können. Wollen Sie lieber ſelbſt das arme junge Blut dem niederträchtigen Schurken, dem Rascal zuſtoßen und ausliefern? — Nein, das müſſen Sie doch mit eigenen Augen anſehen; kommen Sie, ich leihe Ihnen die Tarnkappe hier,« (er zog etwas aus der Taſche) »und wir wallfahrten ungeſehen nach dem Förſtergarten.« — Ich muß geſtehen, das ich mich überaus ſchämte, von die- ſem Manne ausgelacht zu werden. Er war mir von Herzens- grunde verhaßt, und ich glaube, daß mich dieſer perſönliche Widerwille mehr als Grundſätze oder Vorurtheile abhielt, meinen Schatten, ſo nothwendig er mir auch war, mit der be- gehrten Unterſchrift zu erkaufen. Auch war mir der Gedanke unerträglich, den Gang, den er mir antrug, in ſeiner Geſell- ſchaft zu unternehmen. Dieſen häßlichen Schleicher, dieſen hohnlächelnden Kobold, zwiſchen mich und meine Geliebte, zwei blutig zerriſſene Herzen, ſpöttiſch hintreten zu ſehen, empörte mein innigſtes Gefühl. Ich nahm, was geſchehen war, als verhängt an, mein Elend als unabwendbar, und mich zu dem Manne kehrend, ſagte ich ihm: »Mein Herr, ich habe Ihnen meinen Schatten für dieſen an ſich ſehr vorzüglichen Seckel verkauft, und es hat mich ge- nug gereut. Kann der Handel zurückgehen, in Gottes Na- men!« Er ſchüttelte mit dem Kopf und zog ein ſehr finſteres Geſicht. Ich fuhr fort: — »So will ich Ihnen auch weiter

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1/58>, abgerufen am 21.11.2024.