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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839.

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Als ich zuerst zum Bewußtsein zurückkehrte, lag ich ge-
mächlich in einem guten Bette, das unter vielen andern Bet-
ten in einem geräumigen und schönen Saale stand. Es saß
mir Jemand zu Häupten; es gingen Menschen durch den
Saal von einem Bette zum andern. Sie kamen vor das meine
und unterhielten sich von mir. Sie nannten mich aber Nu-
mero Zwölf
, und an der Wand zu meinen Füßen stand
doch ganz gewiß, es war keine Täuschung, ich konnte es deut-
lich lesen, auf schwarzer Marmortafel mit großen goldenen
Buchstaben mein Name
PETER SCHLEMIHL
ganz richtig geschrieben. Auf der Tafel standen noch unter
meinem Namen zwei Reihen Buchstaben, ich war aber zu
schwach, um sie zusammen zu bringen, ich machte die Augen
wieder zu. --

Ich hörte Etwas, worin von Peter Schlemihl die
Rede war, laut und vernehmlich ablesen, ich konnte aber den
Sinn nicht fassen; ich sah einen freundlichen Mann und eine
sehr schöne Frau in schwarzer Kleidung vor meinem Bette
erscheinen. Die Gestalten waren mir nicht fremd und ich
konnte sie nicht erkennen.

Es verging einige Zeit, und ich kam wieder zu Kräften.
Ich hieß Numero Zwölf, und Numero Zwölf galt
seines langen Bartes wegen für einen Juden, darum er aber
nicht minder sorgfältig gepflegt wurde. Daß er keinen Schat-
ten hatte, schien unbemerkt geblieben zu sein. Meine Stiefel
befanden sich, wie man mich versicherte, nebst Allem, was
man bei mir gefunden, als ich hieher gebracht worden, in
gutem und sicherm Gewahrsam, um mir nach meiner Gene-
sung wieder zugestellt zu werden. Der Ort, worin ich krank
lag, hieß das SCHLEMIHLIUM; was täglich von Peter

Als ich zuerſt zum Bewußtſein zurückkehrte, lag ich ge-
mächlich in einem guten Bette, das unter vielen andern Bet-
ten in einem geräumigen und ſchönen Saale ſtand. Es ſaß
mir Jemand zu Häupten; es gingen Menſchen durch den
Saal von einem Bette zum andern. Sie kamen vor das meine
und unterhielten ſich von mir. Sie nannten mich aber Nu-
mero Zwölf
, und an der Wand zu meinen Füßen ſtand
doch ganz gewiß, es war keine Täuſchung, ich konnte es deut-
lich leſen, auf ſchwarzer Marmortafel mit großen goldenen
Buchſtaben mein Name
PETER SCHLEMIHL
ganz richtig geſchrieben. Auf der Tafel ſtanden noch unter
meinem Namen zwei Reihen Buchſtaben, ich war aber zu
ſchwach, um ſie zuſammen zu bringen, ich machte die Augen
wieder zu. —

Ich hörte Etwas, worin von Peter Schlemihl die
Rede war, laut und vernehmlich ableſen, ich konnte aber den
Sinn nicht faſſen; ich ſah einen freundlichen Mann und eine
ſehr ſchöne Frau in ſchwarzer Kleidung vor meinem Bette
erſcheinen. Die Geſtalten waren mir nicht fremd und ich
konnte ſie nicht erkennen.

Es verging einige Zeit, und ich kam wieder zu Kräften.
Ich hieß Numero Zwölf, und Numero Zwölf galt
ſeines langen Bartes wegen für einen Juden, darum er aber
nicht minder ſorgfältig gepflegt wurde. Daß er keinen Schat-
ten hatte, ſchien unbemerkt geblieben zu ſein. Meine Stiefel
befanden ſich, wie man mich verſicherte, nebſt Allem, was
man bei mir gefunden, als ich hieher gebracht worden, in
gutem und ſicherm Gewahrſam, um mir nach meiner Gene-
ſung wieder zugeſtellt zu werden. Der Ort, worin ich krank
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[77/0095] Als ich zuerſt zum Bewußtſein zurückkehrte, lag ich ge- mächlich in einem guten Bette, das unter vielen andern Bet- ten in einem geräumigen und ſchönen Saale ſtand. Es ſaß mir Jemand zu Häupten; es gingen Menſchen durch den Saal von einem Bette zum andern. Sie kamen vor das meine und unterhielten ſich von mir. Sie nannten mich aber Nu- mero Zwölf, und an der Wand zu meinen Füßen ſtand doch ganz gewiß, es war keine Täuſchung, ich konnte es deut- lich leſen, auf ſchwarzer Marmortafel mit großen goldenen Buchſtaben mein Name PETER SCHLEMIHL ganz richtig geſchrieben. Auf der Tafel ſtanden noch unter meinem Namen zwei Reihen Buchſtaben, ich war aber zu ſchwach, um ſie zuſammen zu bringen, ich machte die Augen wieder zu. — Ich hörte Etwas, worin von Peter Schlemihl die Rede war, laut und vernehmlich ableſen, ich konnte aber den Sinn nicht faſſen; ich ſah einen freundlichen Mann und eine ſehr ſchöne Frau in ſchwarzer Kleidung vor meinem Bette erſcheinen. Die Geſtalten waren mir nicht fremd und ich konnte ſie nicht erkennen. Es verging einige Zeit, und ich kam wieder zu Kräften. Ich hieß Numero Zwölf, und Numero Zwölf galt ſeines langen Bartes wegen für einen Juden, darum er aber nicht minder ſorgfältig gepflegt wurde. Daß er keinen Schat- ten hatte, ſchien unbemerkt geblieben zu ſein. Meine Stiefel befanden ſich, wie man mich verſicherte, nebſt Allem, was man bei mir gefunden, als ich hieher gebracht worden, in gutem und ſicherm Gewahrſam, um mir nach meiner Gene- ſung wieder zugeſtellt zu werden. Der Ort, worin ich krank lag, hieß das SCHLEMIHLIUM; was täglich von Peter

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1/95>, abgerufen am 21.11.2024.