Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Abelin, Johann Philipp: Theatrum Europaeum, Oder Außführliche/ und Wahrhaftige Beschreibung aller und jeder denckwürdiger Geschichten. Frankfurt (Main), 1635.

Bild:
<< vorherige Seite

Pundt Rudolph von Salis Land Ammann in Schiers / vnd entschuldigten sich / daß die Pündtner auß höchster Notdurfft zu Erhaltung jhrer Freyheit gezwungen worden weren / ein solches Straffgericht anzustellen: es were niemandt vnrecht geschehen: Etlicher Tyrannische Thaten vnd Practicken weren zu hoch gestiegen / wie auß den verfaßten Processen / deren Copiam sie auffzuweissen vrbietig / genugsamb zu sehen.

Den Bischoff belangend / vermeldeten sie / daß etliche Klag Puncten vber jhn ergangen / vnd da er auff zwo vnterschiedliche Citanonen nicht erschienen / ein Vrtheil darüber in contumacia gefället / vnd er seiner Bischofflichen Dignität vnd Würde entsetzet / auch mit Vrtheil dem Gotteshauß Pundt / als Cast-Vögten deß Bistthumbs Chur / das Thumb-Capitul / mit Vertröstung der Handhabung der löblichen Stifft Freyheiten / zu Erwöhlung eines andern tauglichen Bischoffs / zu halten aufferlegt worden / welches aber das bemeldte Thumb Capitul / nach höchster Dancksagung / der Trewhertzigen Vätterlichen Oblation / ohne Mitverwilligung deß Päpstlichen Nuncii zuthun sich verweygert / vnd einer Prolongation begehrt / die auch zugelassen worden were. Darauff hette man deß Bistthumbs Zugehördt inventirt / vnnd damit demselben nichts entzogen würde / Vorsehung gethan. Ein jegliches were auch in dem Bischofflichen Schloß Fürstenberg geschehen / vnnd allein sein deß Bischoffs eigenthumbliches Haab vnd Gut (dessen doch nicht eines Hellers werth gefunden worden) ohne einigen Abbruch deß Stiffts vnd der Kirchengütern confiscirt / also daß sie nichts / das der Billichkeit entgegen were / gehandelt zu haben vermeyneten. Darumb dann jhre liebe Eyds: vnd Bundsgenossen den gefaßten Vnwillen vnnd Mißtrawen fallen lassen / in Handhabung der Billichkeit vnd jhrer Freyheit beharrlich verbleiben / vnd jhren Widersachern vnd Verleumbdern kein Gehör geben wolten.

Pündner werden das Straffgericht abzustellen vermahnet. Nach solcher weitläufftiger Anhörung beyder Partheyen / wurden die Pündnerische Abgesandte gantz ernstlich vermahnet / jhr Straffgericht abzustellen / den Beklagten zu vnpartheyischem Rechten zuverhelffen / vnd sie mit einem sicheren Geleydt zuversehen / vnd also jhrer Vorfahren Gewonheiten sich gemäß zu halten. Dieser Receß ist den Gemeinden in Pündten vberschicket / vnd darbey vermeldek worden / daß / da jhnen nicht solte gehorchet / vnd ein Neutral Gericht angestellet werden / so wolten sie auff solche Mittel bedacht seyn / dardurch sie eine Abstellung solches Vnwesens zuwegen bringen köndten. Wie es nun weiters mit diesen Händeln abgeloffen / soll an seinem Ort vermeldet werden.

Rhaetierlands oder Grawpündens Beschreibung. Nun folget / was Rhaetia, darinn dieses alles was bißhero erzehlet / vorgangen / für eine Landschafft / vnd dessen Innwohner für Völeker seyen. Dieselbe nun seynd / auß viel bewehrter Scribenten Zeugnuß / ein sehr altes Volck / sintemal Anno 588. vor Christi Geburt die Thuscier / welche zwischen dem Alpengebürg vnnd dem Fluß Poo in Italien gewohnet / vnd von den Galliern von dannen vertrieben worden / mit jhrem Obristen Rhaeto sich in das Alpgebürg nidergelassen / vnd sich / nach das Namen jhres Obristen / die Rhaetier genennet.

Es hat aber vor zeiten Rhaetia ein grossen Begriff in sich gehalten / also daß die Römische Keyser solches in zwo Provintzen abtheileten / dann es seynd nicht allein die Landschafften zwischen dem Alpgebürg / sondern auch das meiste Theil deß Schwabenlands / vnd ein Theil von Bayern vnter dem Namen Rhaetia begriffen gewesen. Sonsten ligt das rechte Rhaetierlandt zwischen dem Vrsprung deß Rheins / vnd begreifft ein grosse Gegend zwischen dem Alp: oder Hochgebürg in sich / gräntzet gegen Auffgang der Sonnen an die Graffschafft Tyrol: gegen Nidergang an das Schweitzerland: gegen Mittag an das Hertzogthumb Meyland: gegen Mittnacht an das Gebiet deß Römischen Königs. Vnd ob es wol allenthalben sehr gebürgicht ist / hat es doch viel lustige / fruchtbare vnd Volckreiche Thäler.

Die Innwohner werden heutigs Tags von den Italiänern Grisoner genennet / vor Zeiten hat man sie Grawe geheissen / dahero sie noch von den Teutschen die Grawpündter genennet werden: Dann weil die Rhaetier nicht allein mit den Schweitzern vereiniget / sondern auch vnter sich selbsten von Alters hero mit Eyd vnd Pflichten zusammen verbunden seyn / werden sie die Grawpündter / oder die Grawen Bundsleuten / wie auch die Pündner geheissen.

Sie werden aber in drey Pündte vnterscheiden. Der erste Bundt bekompt von der Gegend seinen Namen / in dem er der Obere / wie auch der Grawe Bundt genennet wirdt. Dieser ist bey Anfang deß Rheins / begreift auch in sich das Masaxer vnd Galancker Thal / so sich biß an Italien erstrecken / vnd noch andere sieben Thäler vber dem Alpgebürg / durch welche der Rhein vnd die Glener lauffen: Vnd wirdt das gantze Gebiet abgetheilet in neunzehen Gemeinden / vnter welchen sechs Teutsch / die andern aber alle Welscher Spraache seynd. Vnd ist dieser Bundt im Jahr 1424. vnter andern von dem Apt zu Disentis / Freyherrn von Retzuns / vnd Graffen von Masar (diese zwey letzte Geschlecht seynd abgangen / doch welche heutigs Tags das Schloß der alten Freyherrn innhaben / werden Herrn von Rhetzuns genennet / welchen Titul newlich die Herrn von Marmorea / vnd hernach die Plantae gehabt) zu Trontz wider frembdes Volck / Rauberey / vnd daß sie sich vnd jhre Leut nicht mehr auff frembde Gerichte / wie zuvor im Brauch gewesen / wolten laden lassen / gemacht worden: doch hat darbey der Apt das Römische Reich / dessen er ein Praelat war: Der Graff seine Herren von Meyland / vnd der Freyherr das Hauß Oesterreich vorbehalten. Dieses hat also geweret biß auff das Jahr Tausend vier hundert sieben vnd neuntzig / da sich dieser Pundt mit den vbrigen Schweitzern vereiniget / vnd ein ewige Bündnuß auffgerichtet.

Pundt Rudolph von Salis Land Ammann in Schiers / vnd entschuldigten sich / daß die Pündtner auß höchster Notdurfft zu Erhaltung jhrer Freyheit gezwungen worden weren / ein solches Straffgericht anzustellen: es were niemandt vnrecht geschehen: Etlicher Tyrannische Thaten vnd Practicken weren zu hoch gestiegen / wie auß den verfaßten Processen / deren Copiam sie auffzuweissen vrbietig / genugsamb zu sehen.

Den Bischoff belangend / vermeldeten sie / daß etliche Klag Puncten vber jhn ergangen / vnd da er auff zwo vnterschiedliche Citanonen nicht erschienen / ein Vrtheil darüber in contumacia gefället / vnd er seiner Bischofflichen Dignität vnd Würde entsetzet / auch mit Vrtheil dem Gotteshauß Pundt / als Cast-Vögten deß Bistthumbs Chur / das Thumb-Capitul / mit Vertröstung der Handhabung der löblichen Stifft Freyheiten / zu Erwöhlung eines andern tauglichen Bischoffs / zu halten aufferlegt worden / welches aber das bemeldte Thumb Capitul / nach höchster Dancksagung / der Trewhertzigen Vätterlichen Oblation / ohne Mitverwilligung deß Päpstlichen Nuncii zuthun sich verweygert / vnd einer Prolongation begehrt / die auch zugelassen worden were. Darauff hette man deß Bistthumbs Zugehördt inventirt / vnnd damit demselben nichts entzogen würde / Vorsehung gethan. Ein jegliches were auch in dem Bischofflichen Schloß Fürstenberg geschehen / vnnd allein sein deß Bischoffs eigenthumbliches Haab vnd Gut (dessen doch nicht eines Hellers werth gefunden worden) ohne einigen Abbruch deß Stiffts vnd der Kirchengütern confiscirt / also daß sie nichts / das der Billichkeit entgegen were / gehandelt zu haben vermeyneten. Darumb dann jhre liebe Eyds: vnd Bundsgenossen den gefaßten Vnwillen vnnd Mißtrawen fallen lassen / in Handhabung der Billichkeit vnd jhrer Freyheit beharrlich verbleiben / vnd jhren Widersachern vnd Verleumbdern kein Gehör geben wolten.

Pündner werden das Straffgericht abzustellen vermahnet. Nach solcher weitläufftiger Anhörung beyder Partheyen / wurden die Pündnerische Abgesandte gantz ernstlich vermahnet / jhr Straffgericht abzustellen / den Beklagten zu vnpartheyischem Rechten zuverhelffen / vnd sie mit einem sicheren Geleydt zuversehen / vnd also jhrer Vorfahren Gewonheiten sich gemäß zu halten. Dieser Receß ist den Gemeinden in Pündten vberschicket / vnd darbey vermeldek worden / daß / da jhnen nicht solte gehorchet / vnd ein Neutral Gericht angestellet werden / so wolten sie auff solche Mittel bedacht seyn / dardurch sie eine Abstellung solches Vnwesens zuwegen bringen köndten. Wie es nun weiters mit diesen Händeln abgeloffen / soll an seinem Ort vermeldet werden.

Rhaetierlands oder Grawpündens Beschreibung. Nun folget / was Rhaetia, darinn dieses alles was bißhero erzehlet / vorgangen / für eine Landschafft / vnd dessen Innwohner für Völeker seyen. Dieselbe nun seynd / auß viel bewehrter Scribenten Zeugnuß / ein sehr altes Volck / sintemal Anno 588. vor Christi Geburt die Thuscier / welche zwischen dem Alpengebürg vnnd dem Fluß Poo in Italien gewohnet / vnd von den Galliern von dannen vertrieben worden / mit jhrem Obristen Rhaeto sich in das Alpgebürg nidergelassen / vnd sich / nach das Namen jhres Obristen / die Rhaetier genennet.

Es hat aber vor zeiten Rhaetia ein grossen Begriff in sich gehalten / also daß die Römische Keyser solches in zwo Provintzen abtheileten / dann es seynd nicht allein die Landschafften zwischen dem Alpgebürg / sondern auch das meiste Theil deß Schwabenlands / vnd ein Theil von Bayern vnter dem Namẽ Rhaetia begriffen gewesen. Sonsten ligt das rechte Rhaetierlandt zwischen dem Vrsprung deß Rheins / vnd begreifft ein grosse Gegend zwischen dem Alp: oder Hochgebürg in sich / gräntzet gegen Auffgang der Sonnen an die Graffschafft Tyrol: gegen Nidergang an das Schweitzerland: gegen Mittag an das Hertzogthumb Meyland: gegen Mittnacht an das Gebiet deß Römischen Königs. Vnd ob es wol allenthalben sehr gebürgicht ist / hat es doch viel lustige / fruchtbare vnd Volckreiche Thäler.

Die Innwohner werden heutigs Tags von den Italiänern Grisoner genennet / vor Zeiten hat man sie Grawe geheissen / dahero sie noch von den Teutschen die Grawpündter genennet werden: Dann weil die Rhaetier nicht allein mit den Schweitzern vereiniget / sondern auch vnter sich selbsten von Alters hero mit Eyd vnd Pflichten zusammen verbunden seyn / werden sie die Grawpündter / oder die Grawen Bundsleuten / wie auch die Pündner geheissen.

Sie werden aber in drey Pündte vnterscheiden. Der erste Bundt bekompt von der Gegend seinen Namen / in dem er der Obere / wie auch der Grawe Bundt genennet wirdt. Dieser ist bey Anfang deß Rheins / begreift auch in sich das Masaxer vnd Galancker Thal / so sich biß an Italien erstrecken / vnd noch andere sieben Thäler vber dem Alpgebürg / durch welche der Rhein vnd die Glener lauffen: Vnd wirdt das gantze Gebiet abgetheilet in neunzehen Gemeinden / vnter welchen sechs Teutsch / die andern aber alle Welscher Spraache seynd. Vnd ist dieser Bundt im Jahr 1424. vnter andern von dem Apt zu Disentis / Freyherrn von Retzuns / vnd Graffen von Masar (diese zwey letzte Geschlecht seynd abgangen / doch welche heutigs Tags das Schloß der alten Freyherrn innhaben / werden Herrn von Rhetzuns genennet / welchẽ Titul newlich die Herrn von Marmorea / vnd hernach die Plantae gehabt) zu Trontz wider frembdes Volck / Rauberey / vnd daß sie sich vnd jhre Leut nicht mehr auff frembde Gerichte / wie zuvor im Brauch gewesen / wolten laden lassen / gemacht worden: doch hat darbey der Apt das Römische Reich / dessen er ein Praelat war: Der Graff seine Herren von Meyland / vnd der Freyherr das Hauß Oesterreich vorbehalten. Dieses hat also geweret biß auff das Jahr Tausend vier hundert sieben vnd neuntzig / da sich dieser Pundt mit den vbrigen Schweitzern vereiniget / vnd ein ewige Bündnuß auffgerichtet.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <pb facs="#f0158" n="113"/>
          <p>Pundt Rudolph von Salis Land Ammann in Schiers / vnd entschuldigten sich / daß                      die Pündtner auß höchster Notdurfft zu Erhaltung jhrer Freyheit gezwungen worden                      weren / ein solches Straffgericht anzustellen: es were niemandt vnrecht                      geschehen: Etlicher Tyrannische Thaten vnd Practicken weren zu hoch gestiegen /                      wie auß den verfaßten Processen / deren Copiam sie auffzuweissen vrbietig /                      genugsamb zu sehen.</p>
          <p>Den Bischoff belangend / vermeldeten sie / daß etliche Klag Puncten vber jhn                      ergangen / vnd da er auff zwo vnterschiedliche Citanonen nicht erschienen / ein                      Vrtheil darüber in contumacia gefället / vnd er seiner Bischofflichen Dignität                      vnd Würde entsetzet / auch mit Vrtheil dem Gotteshauß Pundt / als Cast-Vögten                      deß Bistthumbs Chur / das Thumb-Capitul / mit Vertröstung der Handhabung der                      löblichen Stifft Freyheiten / zu Erwöhlung eines andern tauglichen Bischoffs /                      zu halten aufferlegt worden / welches aber das bemeldte Thumb Capitul / nach                      höchster Dancksagung / der Trewhertzigen Vätterlichen Oblation / ohne                      Mitverwilligung deß Päpstlichen Nuncii zuthun sich verweygert / vnd einer                      Prolongation begehrt / die auch zugelassen worden were. Darauff hette man deß                      Bistthumbs Zugehördt inventirt / vnnd damit demselben nichts entzogen würde /                      Vorsehung gethan. Ein jegliches were auch in dem Bischofflichen Schloß                      Fürstenberg geschehen / vnnd allein sein deß Bischoffs eigenthumbliches Haab vnd                      Gut (dessen doch nicht eines Hellers werth gefunden worden) ohne einigen Abbruch                      deß Stiffts vnd der Kirchengütern confiscirt / also daß sie nichts / das der                      Billichkeit entgegen were / gehandelt zu haben vermeyneten. Darumb dann jhre                      liebe Eyds: vnd Bundsgenossen den gefaßten Vnwillen vnnd Mißtrawen fallen lassen                      / in Handhabung der Billichkeit vnd jhrer Freyheit beharrlich verbleiben / vnd                      jhren Widersachern vnd Verleumbdern kein Gehör geben wolten.</p>
          <p><note place="left">Pündner werden das Straffgericht abzustellen                      vermahnet.</note> Nach solcher weitläufftiger Anhörung beyder Partheyen / wurden                      die Pündnerische Abgesandte gantz ernstlich vermahnet / jhr Straffgericht                      abzustellen / den Beklagten zu vnpartheyischem Rechten zuverhelffen / vnd sie                      mit einem sicheren Geleydt zuversehen / vnd also jhrer Vorfahren Gewonheiten                      sich gemäß zu halten. Dieser Receß ist den Gemeinden in Pündten vberschicket /                      vnd darbey vermeldek worden / daß / da jhnen nicht solte gehorchet / vnd ein                      Neutral Gericht angestellet werden / so wolten sie auff solche Mittel bedacht                      seyn / dardurch sie eine Abstellung solches Vnwesens zuwegen bringen köndten.                      Wie es nun weiters mit diesen Händeln abgeloffen / soll an seinem Ort vermeldet                      werden.</p>
          <p><note place="left">Rhaetierlands oder Grawpündens Beschreibung.</note> Nun                      folget / was Rhaetia, darinn dieses alles was bißhero erzehlet / vorgangen / für                      eine Landschafft / vnd dessen Innwohner für Völeker seyen. Dieselbe nun seynd /                      auß viel bewehrter Scribenten Zeugnuß / ein sehr altes Volck / sintemal Anno                      588. vor Christi Geburt die Thuscier / welche zwischen dem Alpengebürg vnnd dem                      Fluß Poo in Italien gewohnet / vnd von den Galliern von dannen vertrieben                      worden / mit jhrem Obristen Rhaeto sich in das Alpgebürg nidergelassen / vnd                      sich / nach das Namen jhres Obristen / die Rhaetier genennet.</p>
          <p>Es hat aber vor zeiten Rhaetia ein grossen Begriff in sich gehalten / also daß                      die Römische Keyser solches in zwo Provintzen abtheileten / dann es seynd                      nicht allein die Landschafften zwischen dem Alpgebürg / sondern auch das meiste                      Theil deß Schwabenlands / vnd ein Theil von Bayern vnter dem Name&#x0303; Rhaetia                      begriffen gewesen. Sonsten ligt das rechte Rhaetierlandt zwischen dem Vrsprung                      deß Rheins / vnd begreifft ein grosse Gegend zwischen dem Alp: oder Hochgebürg                      in sich / gräntzet gegen Auffgang der Sonnen an die Graffschafft Tyrol: gegen                      Nidergang an das Schweitzerland: gegen Mittag an das Hertzogthumb Meyland: gegen                      Mittnacht an das Gebiet deß Römischen Königs. Vnd ob es wol allenthalben sehr                      gebürgicht ist / hat es doch viel lustige / fruchtbare vnd Volckreiche Thäler.</p>
          <p>Die Innwohner werden heutigs Tags von den Italiänern Grisoner genennet / vor                      Zeiten hat man sie Grawe geheissen / dahero sie noch von den Teutschen die                      Grawpündter genennet werden: Dann weil die Rhaetier nicht allein mit den                      Schweitzern vereiniget / sondern auch vnter sich selbsten von Alters hero mit                      Eyd vnd Pflichten zusammen verbunden seyn / werden sie die Grawpündter / oder                      die Grawen Bundsleuten / wie auch die Pündner geheissen.</p>
          <p>Sie werden aber in drey Pündte vnterscheiden. Der erste Bundt bekompt von der                      Gegend seinen Namen / in dem er der Obere / wie auch der Grawe Bundt genennet                      wirdt. Dieser ist bey Anfang deß Rheins / begreift auch in sich das Masaxer vnd                      Galancker Thal / so sich biß an Italien erstrecken / vnd noch andere sieben                      Thäler vber dem Alpgebürg / durch welche der Rhein vnd die Glener lauffen: Vnd                      wirdt das gantze Gebiet abgetheilet in neunzehen Gemeinden / vnter welchen sechs                      Teutsch / die andern aber alle Welscher Spraache seynd. Vnd ist dieser Bundt im                      Jahr 1424. vnter andern von dem Apt zu Disentis / Freyherrn von Retzuns / vnd                      Graffen von Masar (diese zwey letzte Geschlecht seynd abgangen / doch welche                      heutigs Tags das Schloß der alten Freyherrn innhaben / werden Herrn von Rhetzuns                      genennet / welche&#x0303; Titul newlich die Herrn von Marmorea / vnd hernach die Plantae                      gehabt) zu Trontz wider frembdes Volck / Rauberey / vnd daß sie sich vnd jhre                      Leut nicht mehr auff frembde Gerichte / wie zuvor im Brauch gewesen / wolten                      laden lassen / gemacht worden: doch hat darbey der Apt das Römische Reich /                      dessen er ein Praelat war: Der Graff seine Herren von Meyland / vnd der Freyherr                      das Hauß Oesterreich vorbehalten. Dieses hat also geweret biß auff das Jahr                      Tausend vier hundert sieben vnd neuntzig / da sich dieser Pundt mit den vbrigen                      Schweitzern vereiniget / vnd ein ewige Bündnuß auffgerichtet.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0158] Pundt Rudolph von Salis Land Ammann in Schiers / vnd entschuldigten sich / daß die Pündtner auß höchster Notdurfft zu Erhaltung jhrer Freyheit gezwungen worden weren / ein solches Straffgericht anzustellen: es were niemandt vnrecht geschehen: Etlicher Tyrannische Thaten vnd Practicken weren zu hoch gestiegen / wie auß den verfaßten Processen / deren Copiam sie auffzuweissen vrbietig / genugsamb zu sehen. Den Bischoff belangend / vermeldeten sie / daß etliche Klag Puncten vber jhn ergangen / vnd da er auff zwo vnterschiedliche Citanonen nicht erschienen / ein Vrtheil darüber in contumacia gefället / vnd er seiner Bischofflichen Dignität vnd Würde entsetzet / auch mit Vrtheil dem Gotteshauß Pundt / als Cast-Vögten deß Bistthumbs Chur / das Thumb-Capitul / mit Vertröstung der Handhabung der löblichen Stifft Freyheiten / zu Erwöhlung eines andern tauglichen Bischoffs / zu halten aufferlegt worden / welches aber das bemeldte Thumb Capitul / nach höchster Dancksagung / der Trewhertzigen Vätterlichen Oblation / ohne Mitverwilligung deß Päpstlichen Nuncii zuthun sich verweygert / vnd einer Prolongation begehrt / die auch zugelassen worden were. Darauff hette man deß Bistthumbs Zugehördt inventirt / vnnd damit demselben nichts entzogen würde / Vorsehung gethan. Ein jegliches were auch in dem Bischofflichen Schloß Fürstenberg geschehen / vnnd allein sein deß Bischoffs eigenthumbliches Haab vnd Gut (dessen doch nicht eines Hellers werth gefunden worden) ohne einigen Abbruch deß Stiffts vnd der Kirchengütern confiscirt / also daß sie nichts / das der Billichkeit entgegen were / gehandelt zu haben vermeyneten. Darumb dann jhre liebe Eyds: vnd Bundsgenossen den gefaßten Vnwillen vnnd Mißtrawen fallen lassen / in Handhabung der Billichkeit vnd jhrer Freyheit beharrlich verbleiben / vnd jhren Widersachern vnd Verleumbdern kein Gehör geben wolten. Nach solcher weitläufftiger Anhörung beyder Partheyen / wurden die Pündnerische Abgesandte gantz ernstlich vermahnet / jhr Straffgericht abzustellen / den Beklagten zu vnpartheyischem Rechten zuverhelffen / vnd sie mit einem sicheren Geleydt zuversehen / vnd also jhrer Vorfahren Gewonheiten sich gemäß zu halten. Dieser Receß ist den Gemeinden in Pündten vberschicket / vnd darbey vermeldek worden / daß / da jhnen nicht solte gehorchet / vnd ein Neutral Gericht angestellet werden / so wolten sie auff solche Mittel bedacht seyn / dardurch sie eine Abstellung solches Vnwesens zuwegen bringen köndten. Wie es nun weiters mit diesen Händeln abgeloffen / soll an seinem Ort vermeldet werden. Pündner werden das Straffgericht abzustellen vermahnet. Nun folget / was Rhaetia, darinn dieses alles was bißhero erzehlet / vorgangen / für eine Landschafft / vnd dessen Innwohner für Völeker seyen. Dieselbe nun seynd / auß viel bewehrter Scribenten Zeugnuß / ein sehr altes Volck / sintemal Anno 588. vor Christi Geburt die Thuscier / welche zwischen dem Alpengebürg vnnd dem Fluß Poo in Italien gewohnet / vnd von den Galliern von dannen vertrieben worden / mit jhrem Obristen Rhaeto sich in das Alpgebürg nidergelassen / vnd sich / nach das Namen jhres Obristen / die Rhaetier genennet. Rhaetierlands oder Grawpündens Beschreibung. Es hat aber vor zeiten Rhaetia ein grossen Begriff in sich gehalten / also daß die Römische Keyser solches in zwo Provintzen abtheileten / dann es seynd nicht allein die Landschafften zwischen dem Alpgebürg / sondern auch das meiste Theil deß Schwabenlands / vnd ein Theil von Bayern vnter dem Namẽ Rhaetia begriffen gewesen. Sonsten ligt das rechte Rhaetierlandt zwischen dem Vrsprung deß Rheins / vnd begreifft ein grosse Gegend zwischen dem Alp: oder Hochgebürg in sich / gräntzet gegen Auffgang der Sonnen an die Graffschafft Tyrol: gegen Nidergang an das Schweitzerland: gegen Mittag an das Hertzogthumb Meyland: gegen Mittnacht an das Gebiet deß Römischen Königs. Vnd ob es wol allenthalben sehr gebürgicht ist / hat es doch viel lustige / fruchtbare vnd Volckreiche Thäler. Die Innwohner werden heutigs Tags von den Italiänern Grisoner genennet / vor Zeiten hat man sie Grawe geheissen / dahero sie noch von den Teutschen die Grawpündter genennet werden: Dann weil die Rhaetier nicht allein mit den Schweitzern vereiniget / sondern auch vnter sich selbsten von Alters hero mit Eyd vnd Pflichten zusammen verbunden seyn / werden sie die Grawpündter / oder die Grawen Bundsleuten / wie auch die Pündner geheissen. Sie werden aber in drey Pündte vnterscheiden. Der erste Bundt bekompt von der Gegend seinen Namen / in dem er der Obere / wie auch der Grawe Bundt genennet wirdt. Dieser ist bey Anfang deß Rheins / begreift auch in sich das Masaxer vnd Galancker Thal / so sich biß an Italien erstrecken / vnd noch andere sieben Thäler vber dem Alpgebürg / durch welche der Rhein vnd die Glener lauffen: Vnd wirdt das gantze Gebiet abgetheilet in neunzehen Gemeinden / vnter welchen sechs Teutsch / die andern aber alle Welscher Spraache seynd. Vnd ist dieser Bundt im Jahr 1424. vnter andern von dem Apt zu Disentis / Freyherrn von Retzuns / vnd Graffen von Masar (diese zwey letzte Geschlecht seynd abgangen / doch welche heutigs Tags das Schloß der alten Freyherrn innhaben / werden Herrn von Rhetzuns genennet / welchẽ Titul newlich die Herrn von Marmorea / vnd hernach die Plantae gehabt) zu Trontz wider frembdes Volck / Rauberey / vnd daß sie sich vnd jhre Leut nicht mehr auff frembde Gerichte / wie zuvor im Brauch gewesen / wolten laden lassen / gemacht worden: doch hat darbey der Apt das Römische Reich / dessen er ein Praelat war: Der Graff seine Herren von Meyland / vnd der Freyherr das Hauß Oesterreich vorbehalten. Dieses hat also geweret biß auff das Jahr Tausend vier hundert sieben vnd neuntzig / da sich dieser Pundt mit den vbrigen Schweitzern vereiniget / vnd ein ewige Bündnuß auffgerichtet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Frederike Neuber, Marcus Baumgarten: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Das zweispaltige Layout wurde bei Transkription und Auszeichnung des Textes nicht berücksichtigt.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/abelinus_theatrum_1635
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/abelinus_theatrum_1635/158
Zitationshilfe: Abelin, Johann Philipp: Theatrum Europaeum, Oder Außführliche/ und Wahrhaftige Beschreibung aller und jeder denckwürdiger Geschichten. Frankfurt (Main), 1635, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abelinus_theatrum_1635/158>, abgerufen am 16.05.2024.