Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704.GUARINI Wenn du wirst Blinde seyn/ will ich dirs auch nicht sparen. Nun bin ich endlich frey. O weh! Was seh ich? Laß mich loß Verräther! Ich vergeh! M. Mein Kind/ gib dich zu Friede. A. Laß mich/ gebührts sich/ so den Nimphen mit zu fahren? Treulose Schäfferin/ wo seyd ihr hin verschwunden? Laß mich! M. Ich lasse dich. A. Das ist Coriscens falsche List/ und meine Flucht der Lohn/ Den deine Frechheit trägt davon. M. Was fleuchst du/ Grausame? Sieh' mich auffs minste ster ben: Diß Eisen in der Brust soll mir die Ruh' erwerben. A. Was thust du? M. Was dich reut/ daß dus nicht selber thust. A. Ach weh/ ich bin halb todt! M. Und/ wo ich soll allein Ein Opffer deiner schönen Hände seyn/ Hier ist der scharffe Stahl und die entblößte Vrust. A. Du wärest es wohl werth. Wer machet dich so kühn? M. Die Liebe. A. Liebe giebt nichts unbescheidnes ein. M. So glaube denn/ daß ich verliebet müsse seyn/ Weil ich bescheiden gnug bißher gewesen bin. Erwege/ daß du mich zu erst in Arm genommen/ Und daß ich mich das minste nicht erkühnt/ Worzu mir die Gelegenheit gedient/ Daß ich mich der Vergnügung selbst beraubt/ Die durchs Gesetz der Liebe war erlaubt/ Und durch die Höfligkeit bin um mein Glücke kom- men. A. Verweise mir nicht mehr/ was ich als blind gethan. M. Ach Nahme/ den man mir am besten geben kan! A. Mit Bitten ohne Zwang/ Liebkosen ohn Betrügen/ Nicht mit Gewalt und List soll treue Liebe siegen. M. Gleichwie ein wildes Thier/ vom Hunger angetrieben/ Den dicken Wald verläßt/ und was es findt/ zureist: So/ weil sich nur allein von dir ernährt mein Geist/ Und ihm dein süsser Blick zur Speiß ist aussen blieben/ Wenn ich den öden Pusch voll Hunger einst verlasse/ Dar
GUARINI Wenn du wirſt Blinde ſeyn/ will ich dirs auch nicht ſparen. Nun bin ich endlich frey. O weh! Was ſeh ich? Laß mich loß Verraͤther! Ich vergeh! M. Mein Kind/ gib dich zu Friede. A. Laß mich/ gebuͤhrts ſich/ ſo den Nimphen mit zu fahren? Treuloſe Schaͤfferin/ wo ſeyd ihr hin verſchwunden? Laß mich! M. Ich laſſe dich. A. Das iſt Coriſcens falſche Liſt/ und meine Flucht der Lohn/ Den deine Frechheit traͤgt davon. M. Was fleuchſt du/ Grauſame? Sieh’ mich auffs minſte ſter ben: Diß Eiſen in der Bruſt ſoll mir die Ruh’ erwerben. A. Was thuſt du? M. Was dich reut/ daß dus nicht ſelber thuſt. A. Ach weh/ ich bin halb todt! M. Und/ wo ich ſoll allein Ein Opffer deiner ſchoͤnen Haͤnde ſeyn/ Hier iſt der ſcharffe Stahl und die entbloͤßte Vruſt. A. Du waͤreſt es wohl werth. Wer machet dich ſo kuͤhn? M. Die Liebe. A. Liebe giebt nichts unbeſcheidnes ein. M. So glaube denn/ daß ich verliebet muͤſſe ſeyn/ Weil ich beſcheiden gnug bißher geweſen bin. Erwege/ daß du mich zu erſt in Arm genommen/ Und daß ich mich das minſte nicht erkuͤhnt/ Worzu mir die Gelegenheit gedient/ Daß ich mich der Vergnuͤgung ſelbſt beraubt/ Die durchs Geſetz der Liebe war erlaubt/ Und durch die Hoͤfligkeit bin um mein Gluͤcke kom- men. A. Verweiſe mir nicht mehr/ was ich als blind gethan. M. Ach Nahme/ den man mir am beſten geben kan! A. Mit Bitten ohne Zwang/ Liebkoſen ohn Betruͤgen/ Nicht mit Gewalt und Liſt ſoll treue Liebe ſiegen. M. Gleichwie ein wildes Thier/ vom Hunger angetrieben/ Den dicken Wald verlaͤßt/ und was es findt/ zureiſt: So/ weil ſich nur allein von dir ernaͤhrt mein Geiſt/ Und ihm dein ſuͤſſer Blick zur Speiß iſt auſſen blieben/ Wenn ich den oͤden Puſch voll Hunger einſt verlaſſe/ Dar
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GUARINI
Wenn du wirſt Blinde ſeyn/ will ich dirs auch nicht ſpa
ren.
Nun bin ich endlich frey. O weh!
Was ſeh ich? Laß mich loß Verraͤther! Ich vergeh!
M. Mein Kind/ gib dich zu Friede.
A. Laß mich/ gebuͤhrts ſich/ ſo den Nimphen mit zu fahren?
Treuloſe Schaͤfferin/ wo ſeyd ihr hin verſchwunden?
Laß mich!
M. Ich laſſe dich.
A. Das iſt Coriſcens falſche Liſt/ und meine Flucht der Lohn/
Den deine Frechheit traͤgt davon.
M. Was fleuchſt du/ Grauſame? Sieh’ mich auffs minſte ſter
ben:
Diß Eiſen in der Bruſt ſoll mir die Ruh’ erwerben.
A. Was thuſt du?
M. Was dich reut/ daß dus nicht ſelber
thuſt.
A. Ach weh/ ich bin halb todt!
M. Und/ wo ich ſoll allein
Ein Opffer deiner ſchoͤnen Haͤnde ſeyn/
Hier iſt der ſcharffe Stahl und die entbloͤßte Vruſt.
A. Du waͤreſt es wohl werth. Wer machet dich ſo kuͤhn?
M. Die Liebe.
A. Liebe giebt nichts unbeſcheidnes ein.
M. So glaube denn/ daß ich verliebet muͤſſe ſeyn/
Weil ich beſcheiden gnug bißher geweſen bin.
Erwege/ daß du mich zu erſt in Arm genommen/
Und daß ich mich das minſte nicht erkuͤhnt/
Worzu mir die Gelegenheit gedient/
Daß ich mich der Vergnuͤgung ſelbſt beraubt/
Die durchs Geſetz der Liebe war erlaubt/
Und durch die Hoͤfligkeit bin um mein Gluͤcke kom-
men.
A. Verweiſe mir nicht mehr/ was ich als blind gethan.
M. Ach Nahme/ den man mir am beſten geben kan!
A. Mit Bitten ohne Zwang/ Liebkoſen ohn Betruͤgen/
Nicht mit Gewalt und Liſt ſoll treue Liebe ſiegen.
M. Gleichwie ein wildes Thier/ vom Hunger angetrieben/
Den dicken Wald verlaͤßt/ und was es findt/ zureiſt:
So/ weil ſich nur allein von dir ernaͤhrt mein Geiſt/
Und ihm dein ſuͤſſer Blick zur Speiß iſt auſſen blieben/
Wenn ich den oͤden Puſch voll Hunger einſt verlaſſe/
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