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Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

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ihren Einfluss schreiben, auch über häuslichen Kummer, der durch das Zusammenleben mit einer durch ihr Alter ehrwürdigen, aber durch ihre Launen fürchterlichen Frau und deren herrschsüchtigen Sohn noch vermehrt wurde.

Viele Kranke, die vom Arzte aufgegeben waren, liessen Madame Roland bitten, ihnen zu helfen. Oft gelang ihrer Pflege mehr als den Mitteln, die der Arzt verordnete. So entriss sie auch durch ihre aufopferungsvolle Pflege ihren Mann im Jahre 1789 dem Tode. Zwölf Tage und Nächte wachte sie an seinem Bette, ohne aus den Kleidern zu kommen, und verbrachte dann noch sechs Monate mit ihm während einer gefährlichen Rekonvaleszenz, wobei sie sich selbst nicht ganz wohl fühlte.

Lassen wir Madame Roland selbst über ihre Ehe reden: "Ach, mein Gott! welch schlechten Dienst haben mir jene erwiesen, die den Schleier gelüftet haben, unter dem ich verborgen zu bleiben liebte. Während zwölf Jahre meines Lebens habe ich mit meinem Manne gearbeitet, so wie ich mit ihm gegessen habe, weil das eine mir so natürlich war wie das andere. Wenn man irgend eine Stelle seiner Arbeiten anführte, worin man mehr Anmut des Stiles fand als in den andern, wenn man eine akademische Bagatelle lobte, so fiel es mir nicht ein, daran zu denken, dass ich sie verfasst habe. Wenn es sich darum handelte, im Ministerium grosse, starke Wahrheiten auszusprechen, so legte ich meine ganze Seele hinein; es war ganz selbstverständlich, dass diese Ausdrücke besser herauskamen als die Bemühungen eines beliebigen Sekretärs es vermocht hätten. Ich liebte mein Land, ich war für die Freiheit begeistert, ich kannte kein Interesse, keine Leidenschaft, die mit dieser Liebe verglichen werden konnte, meine Redeweise musste rein und pathetisch sein, da sie die des Herzens war! Die Wichtigkeit des Gegenstandes durchdrang mich derart, dass ich mich selbst vergass."

Im Winter 1787 auf 88 starb Madame Rolands Vater. Er hatte sich nicht wieder verheiratet. Nachdem er auch

ihren Einfluss schreiben, auch über häuslichen Kummer, der durch das Zusammenleben mit einer durch ihr Alter ehrwürdigen, aber durch ihre Launen fürchterlichen Frau und deren herrschsüchtigen Sohn noch vermehrt wurde.

Viele Kranke, die vom Arzte aufgegeben waren, liessen Madame Roland bitten, ihnen zu helfen. Oft gelang ihrer Pflege mehr als den Mitteln, die der Arzt verordnete. So entriss sie auch durch ihre aufopferungsvolle Pflege ihren Mann im Jahre 1789 dem Tode. Zwölf Tage und Nächte wachte sie an seinem Bette, ohne aus den Kleidern zu kommen, und verbrachte dann noch sechs Monate mit ihm während einer gefährlichen Rekonvaleszenz, wobei sie sich selbst nicht ganz wohl fühlte.

Lassen wir Madame Roland selbst über ihre Ehe reden: „Ach, mein Gott! welch schlechten Dienst haben mir jene erwiesen, die den Schleier gelüftet haben, unter dem ich verborgen zu bleiben liebte. Während zwölf Jahre meines Lebens habe ich mit meinem Manne gearbeitet, so wie ich mit ihm gegessen habe, weil das eine mir so natürlich war wie das andere. Wenn man irgend eine Stelle seiner Arbeiten anführte, worin man mehr Anmut des Stiles fand als in den andern, wenn man eine akademische Bagatelle lobte, so fiel es mir nicht ein, daran zu denken, dass ich sie verfasst habe. Wenn es sich darum handelte, im Ministerium grosse, starke Wahrheiten auszusprechen, so legte ich meine ganze Seele hinein; es war ganz selbstverständlich, dass diese Ausdrücke besser herauskamen als die Bemühungen eines beliebigen Sekretärs es vermocht hätten. Ich liebte mein Land, ich war für die Freiheit begeistert, ich kannte kein Interesse, keine Leidenschaft, die mit dieser Liebe verglichen werden konnte, meine Redeweise musste rein und pathetisch sein, da sie die des Herzens war! Die Wichtigkeit des Gegenstandes durchdrang mich derart, dass ich mich selbst vergass.“

Im Winter 1787 auf 88 starb Madame Rolands Vater. Er hatte sich nicht wieder verheiratet. Nachdem er auch

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        <p>Lassen wir Madame Roland selbst über ihre Ehe reden: &#x201E;Ach, mein Gott! welch schlechten Dienst haben mir jene erwiesen, die den Schleier gelüftet haben, unter dem ich verborgen zu bleiben liebte. Während zwölf Jahre meines Lebens habe ich mit meinem Manne gearbeitet, so wie ich mit ihm gegessen habe, weil das eine mir so natürlich war wie das andere. Wenn man irgend eine Stelle seiner Arbeiten anführte, worin man mehr Anmut des Stiles fand als in den andern, wenn man eine akademische Bagatelle lobte, so fiel es mir nicht ein, daran zu denken, dass ich sie verfasst habe. Wenn es sich darum handelte, im Ministerium grosse, starke Wahrheiten auszusprechen, so legte ich meine ganze Seele hinein; es war ganz selbstverständlich, dass diese Ausdrücke besser herauskamen als die Bemühungen eines beliebigen Sekretärs es vermocht hätten. Ich liebte mein Land, ich war für die Freiheit begeistert, ich kannte kein Interesse, keine Leidenschaft, die mit dieser Liebe verglichen werden konnte, meine Redeweise musste rein und pathetisch sein, da sie die des Herzens war! Die Wichtigkeit des Gegenstandes durchdrang mich derart, dass ich mich selbst vergass.&#x201C;</p>
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[91/0110] ihren Einfluss schreiben, auch über häuslichen Kummer, der durch das Zusammenleben mit einer durch ihr Alter ehrwürdigen, aber durch ihre Launen fürchterlichen Frau und deren herrschsüchtigen Sohn noch vermehrt wurde. Viele Kranke, die vom Arzte aufgegeben waren, liessen Madame Roland bitten, ihnen zu helfen. Oft gelang ihrer Pflege mehr als den Mitteln, die der Arzt verordnete. So entriss sie auch durch ihre aufopferungsvolle Pflege ihren Mann im Jahre 1789 dem Tode. Zwölf Tage und Nächte wachte sie an seinem Bette, ohne aus den Kleidern zu kommen, und verbrachte dann noch sechs Monate mit ihm während einer gefährlichen Rekonvaleszenz, wobei sie sich selbst nicht ganz wohl fühlte. Lassen wir Madame Roland selbst über ihre Ehe reden: „Ach, mein Gott! welch schlechten Dienst haben mir jene erwiesen, die den Schleier gelüftet haben, unter dem ich verborgen zu bleiben liebte. Während zwölf Jahre meines Lebens habe ich mit meinem Manne gearbeitet, so wie ich mit ihm gegessen habe, weil das eine mir so natürlich war wie das andere. Wenn man irgend eine Stelle seiner Arbeiten anführte, worin man mehr Anmut des Stiles fand als in den andern, wenn man eine akademische Bagatelle lobte, so fiel es mir nicht ein, daran zu denken, dass ich sie verfasst habe. Wenn es sich darum handelte, im Ministerium grosse, starke Wahrheiten auszusprechen, so legte ich meine ganze Seele hinein; es war ganz selbstverständlich, dass diese Ausdrücke besser herauskamen als die Bemühungen eines beliebigen Sekretärs es vermocht hätten. Ich liebte mein Land, ich war für die Freiheit begeistert, ich kannte kein Interesse, keine Leidenschaft, die mit dieser Liebe verglichen werden konnte, meine Redeweise musste rein und pathetisch sein, da sie die des Herzens war! Die Wichtigkeit des Gegenstandes durchdrang mich derart, dass ich mich selbst vergass.“ Im Winter 1787 auf 88 starb Madame Rolands Vater. Er hatte sich nicht wieder verheiratet. Nachdem er auch

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Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/110>, abgerufen am 24.11.2024.