Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.ihres Blütenschmuckes beraubte, düstere Natur glich der Stimmung vieler Herzen. Zwischen den zwei Gärten mit den entlaubten Bäumen brach die Nacht ein. Es war 1/25 Uhr abends. Im Karren sass Madame Roland und ein zweites, zum Tode verurteiltes Opfer, der Direktor der Assignaten-Druckerei, namens Lamarque. Der Karren nahm langsam den gewohnten Weg über den Pont de Change, dem Quai de la Messigerie. Eine Menge Neugieriger sammelte sich wie allemal beim Anblick dieses traurigen Gefährtes in den Strassen an und brüllte: "Auf die Guillotine," "auf die Guillotine," indem sie mit den Fäusten drohte. Madame Roland rief den schreienden Weibern zu: "Beruhigt euch, Ihr seht ja, dass ich schon auf dem Wege dahin bin. Diejenigen, die mich hinschicken, werden mir bald nachfolgen und Ihr werdet deren Tod geradeso beklatschen, wie Ihr heute den meinigen bejubelt." Dem Todeskandidaten neben Madame Roland wurde ganz schwach bei dem wüsten Lärm und vor Schreck über den nahen Tod. Sie hatte Mitleid mit ihm, sie fühlte, dass ihre Sendung als Weib ihr eine letzte Pflicht zu erfüllen auferlegte. Sie war die Trösterin in den Gefängnissen gewesen, sie wurde die Trösterin des Schafottes. Sie sprach mit dem ihr völlig Fremden mit einer Wärme, einem Interesse, der ihm wieder Mut einflösste; sie brachte ihn sogar zum Lächeln. Die Haltung Madame Rolands während dieses langen Weges, wo wie immer alle Martern der Beschimpfung die armen Opfer fühlen, bildet eine der mächtigsten Erinnerungen der Revolution. Jene wenigen, die sie damals sahen, haben die Erinnerung an sie nie aus dem Gedächtnis verloren. Vom Pont de Change, während der langen Fahrt über den Quai de la Messigerie, hatte Madame Roland die Wohnung der Phlipons immer im Auge. Die Szenen aus ihrer Kindheit, die sie kurz vorher im Gefängnis so seelenvoll geschildert hatte, konnten im Geiste noch einmal Revue passieren, sie sah das grosse Zimmer, das Atelier, den ihres Blütenschmuckes beraubte, düstere Natur glich der Stimmung vieler Herzen. Zwischen den zwei Gärten mit den entlaubten Bäumen brach die Nacht ein. Es war ½5 Uhr abends. Im Karren sass Madame Roland und ein zweites, zum Tode verurteiltes Opfer, der Direktor der Assignaten-Druckerei, namens Lamarque. Der Karren nahm langsam den gewohnten Weg über den Pont de Change, dem Quai de la Messigerie. Eine Menge Neugieriger sammelte sich wie allemal beim Anblick dieses traurigen Gefährtes in den Strassen an und brüllte: „Auf die Guillotine,“ „auf die Guillotine,“ indem sie mit den Fäusten drohte. Madame Roland rief den schreienden Weibern zu: „Beruhigt euch, Ihr seht ja, dass ich schon auf dem Wege dahin bin. Diejenigen, die mich hinschicken, werden mir bald nachfolgen und Ihr werdet deren Tod geradeso beklatschen, wie Ihr heute den meinigen bejubelt.“ Dem Todeskandidaten neben Madame Roland wurde ganz schwach bei dem wüsten Lärm und vor Schreck über den nahen Tod. Sie hatte Mitleid mit ihm, sie fühlte, dass ihre Sendung als Weib ihr eine letzte Pflicht zu erfüllen auferlegte. Sie war die Trösterin in den Gefängnissen gewesen, sie wurde die Trösterin des Schafottes. Sie sprach mit dem ihr völlig Fremden mit einer Wärme, einem Interesse, der ihm wieder Mut einflösste; sie brachte ihn sogar zum Lächeln. Die Haltung Madame Rolands während dieses langen Weges, wo wie immer alle Martern der Beschimpfung die armen Opfer fühlen, bildet eine der mächtigsten Erinnerungen der Revolution. Jene wenigen, die sie damals sahen, haben die Erinnerung an sie nie aus dem Gedächtnis verloren. Vom Pont de Change, während der langen Fahrt über den Quai de la Messigerie, hatte Madame Roland die Wohnung der Phlipons immer im Auge. Die Szenen aus ihrer Kindheit, die sie kurz vorher im Gefängnis so seelenvoll geschildert hatte, konnten im Geiste noch einmal Revue passieren, sie sah das grosse Zimmer, das Atelier, den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0166" n="147"/> ihres Blütenschmuckes beraubte, düstere Natur glich der Stimmung vieler Herzen. Zwischen den zwei Gärten mit den entlaubten Bäumen brach die Nacht ein. Es war ½5 Uhr abends. Im Karren sass Madame Roland und ein zweites, zum Tode verurteiltes Opfer, der Direktor der Assignaten-Druckerei, namens Lamarque. Der Karren nahm langsam den gewohnten Weg über den Pont de Change, dem Quai de la Messigerie. Eine Menge Neugieriger sammelte sich wie allemal beim Anblick dieses traurigen Gefährtes in den Strassen an und brüllte: „Auf die Guillotine,“ „auf die Guillotine,“ indem sie mit den Fäusten drohte. Madame Roland rief den schreienden Weibern zu: „Beruhigt euch, Ihr seht ja, dass ich schon auf dem Wege dahin bin. Diejenigen, die mich hinschicken, werden mir bald nachfolgen und Ihr werdet deren Tod geradeso beklatschen, wie Ihr heute den meinigen bejubelt.“</p> <p>Dem Todeskandidaten neben Madame Roland wurde ganz schwach bei dem wüsten Lärm und vor Schreck über den nahen Tod. Sie hatte Mitleid mit ihm, sie fühlte, dass ihre Sendung als Weib ihr eine letzte Pflicht zu erfüllen auferlegte. Sie war die Trösterin in den Gefängnissen gewesen, sie wurde die Trösterin des Schafottes. Sie sprach mit dem ihr völlig Fremden mit einer Wärme, einem Interesse, der ihm wieder Mut einflösste; sie brachte ihn sogar zum Lächeln.</p> <p>Die Haltung Madame Rolands während dieses langen Weges, wo wie immer alle Martern der Beschimpfung die armen Opfer fühlen, bildet eine der mächtigsten Erinnerungen der Revolution. 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ihres Blütenschmuckes beraubte, düstere Natur glich der Stimmung vieler Herzen. Zwischen den zwei Gärten mit den entlaubten Bäumen brach die Nacht ein. Es war ½5 Uhr abends. Im Karren sass Madame Roland und ein zweites, zum Tode verurteiltes Opfer, der Direktor der Assignaten-Druckerei, namens Lamarque. Der Karren nahm langsam den gewohnten Weg über den Pont de Change, dem Quai de la Messigerie. Eine Menge Neugieriger sammelte sich wie allemal beim Anblick dieses traurigen Gefährtes in den Strassen an und brüllte: „Auf die Guillotine,“ „auf die Guillotine,“ indem sie mit den Fäusten drohte. Madame Roland rief den schreienden Weibern zu: „Beruhigt euch, Ihr seht ja, dass ich schon auf dem Wege dahin bin. Diejenigen, die mich hinschicken, werden mir bald nachfolgen und Ihr werdet deren Tod geradeso beklatschen, wie Ihr heute den meinigen bejubelt.“
Dem Todeskandidaten neben Madame Roland wurde ganz schwach bei dem wüsten Lärm und vor Schreck über den nahen Tod. Sie hatte Mitleid mit ihm, sie fühlte, dass ihre Sendung als Weib ihr eine letzte Pflicht zu erfüllen auferlegte. Sie war die Trösterin in den Gefängnissen gewesen, sie wurde die Trösterin des Schafottes. Sie sprach mit dem ihr völlig Fremden mit einer Wärme, einem Interesse, der ihm wieder Mut einflösste; sie brachte ihn sogar zum Lächeln.
Die Haltung Madame Rolands während dieses langen Weges, wo wie immer alle Martern der Beschimpfung die armen Opfer fühlen, bildet eine der mächtigsten Erinnerungen der Revolution. Jene wenigen, die sie damals sahen, haben die Erinnerung an sie nie aus dem Gedächtnis verloren.
Vom Pont de Change, während der langen Fahrt über den Quai de la Messigerie, hatte Madame Roland die Wohnung der Phlipons immer im Auge. Die Szenen aus ihrer Kindheit, die sie kurz vorher im Gefängnis so seelenvoll geschildert hatte, konnten im Geiste noch einmal Revue passieren, sie sah das grosse Zimmer, das Atelier, den
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