Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.betrifft, hat sie, würden Sie das glauben, niemals einen einzigen Gedanken davon selbst gedacht. Sie kann nicht einmal lesen; man macht alles für sie, man erkünstelt sogar eine gewisse Nachlässigkeit, einen mangelhaften Stil, um noch mehr den Glauben zu erwecken, es sei von ihr." "Indessen," antwortete Madame de Gouges, "habe ich sie selbst in Gegenwart anderer Theaterstücke verfassen gesehen, sie hat sogar einmal eine Wette damit gewonnen." Der liebenswürdige Reisegenosse war um eine Antwort nicht verlegen. "Ach, gnädige Frau, das Stück war da schon fertig, man hatte sie es auswendig lernen lassen!" Als ihn Olimpe de Gouges fragte, ob er dessen ganz sicher sei, erwiderte er, dass er es auf eine Wette ankommen lasse; sie würde es nicht wagen, in seiner Gegenwart sich zu brüsten, denn er selbst habe für sie bereits ein Theaterstück verfasst. Ueberdies versicherte er auch noch, aus Erfahrung zu sprechen, da er zu einem ihrer erhörten Verehrer gehöre. Madame de Gouges hielt an sich und sagte erst, nachdem sie ans Ziel gelangt war und den Wagen verlassen hatte, zu dem frechen Aufschneider: "Mein Herr, ich habe Ihre albernen Reden mit der Ruhe eines Philosophen, dem Mut eines Mannes und dem Auge eines Beobachters angehört; ich bin jene Frau de Gouges, die sie niemals gekannt haben und die zu kennen sie nicht im stande sind. Ziehen sie Nutzen aus der Lektion, die ich ihnen gebe; man findet leichtlich Männer Ihrer Spezies, aber es bedarf der Jahrhunderte, um ein Weib von meinem Schlage hervorzubringen." Von unheilvollen Ahnungen erfüllt, schrieb Olimpe de Gouges am 4. Juni 1793 ihr "Testament politique", worin es unter anderem heisst: "Oh! Vorsehung, ich rufe dich an, die Menschen sind nicht mehr im stande, mich zu begreifen. Beschleunige das Ende meiner Tage. Meine Augen sind müde vom schmerzlichen Anblick ihrer Uneinigkeit, ihrer verbrecherischen Kabalen und können die Gräuel betrifft, hat sie, würden Sie das glauben, niemals einen einzigen Gedanken davon selbst gedacht. Sie kann nicht einmal lesen; man macht alles für sie, man erkünstelt sogar eine gewisse Nachlässigkeit, einen mangelhaften Stil, um noch mehr den Glauben zu erwecken, es sei von ihr.“ „Indessen,“ antwortete Madame de Gouges, „habe ich sie selbst in Gegenwart anderer Theaterstücke verfassen gesehen, sie hat sogar einmal eine Wette damit gewonnen.“ Der liebenswürdige Reisegenosse war um eine Antwort nicht verlegen. „Ach, gnädige Frau, das Stück war da schon fertig, man hatte sie es auswendig lernen lassen!“ Als ihn Olimpe de Gouges fragte, ob er dessen ganz sicher sei, erwiderte er, dass er es auf eine Wette ankommen lasse; sie würde es nicht wagen, in seiner Gegenwart sich zu brüsten, denn er selbst habe für sie bereits ein Theaterstück verfasst. Ueberdies versicherte er auch noch, aus Erfahrung zu sprechen, da er zu einem ihrer erhörten Verehrer gehöre. Madame de Gouges hielt an sich und sagte erst, nachdem sie ans Ziel gelangt war und den Wagen verlassen hatte, zu dem frechen Aufschneider: „Mein Herr, ich habe Ihre albernen Reden mit der Ruhe eines Philosophen, dem Mut eines Mannes und dem Auge eines Beobachters angehört; ich bin jene Frau de Gouges, die sie niemals gekannt haben und die zu kennen sie nicht im stande sind. Ziehen sie Nutzen aus der Lektion, die ich ihnen gebe; man findet leichtlich Männer Ihrer Spezies, aber es bedarf der Jahrhunderte, um ein Weib von meinem Schlage hervorzubringen.“ Von unheilvollen Ahnungen erfüllt, schrieb Olimpe de Gouges am 4. Juni 1793 ihr „Testament politique“, worin es unter anderem heisst: „Oh! Vorsehung, ich rufe dich an, die Menschen sind nicht mehr im stande, mich zu begreifen. Beschleunige das Ende meiner Tage. Meine Augen sind müde vom schmerzlichen Anblick ihrer Uneinigkeit, ihrer verbrecherischen Kabalen und können die Gräuel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0215" n="194"/> betrifft, hat sie, würden Sie das glauben, niemals einen einzigen Gedanken davon selbst gedacht. Sie kann nicht einmal lesen; man macht alles für sie, man erkünstelt sogar eine gewisse Nachlässigkeit, einen mangelhaften Stil, um noch mehr den Glauben zu erwecken, es sei von ihr.“ „Indessen,“ antwortete Madame de Gouges, „habe ich sie selbst in Gegenwart anderer Theaterstücke verfassen gesehen, sie hat sogar einmal eine Wette damit gewonnen.“ Der liebenswürdige Reisegenosse war um eine Antwort nicht verlegen. „Ach, gnädige Frau, das Stück war da schon fertig, man hatte sie es auswendig lernen lassen!“ Als ihn Olimpe de Gouges fragte, ob er dessen ganz sicher sei, erwiderte er, dass er es auf eine Wette ankommen lasse; sie würde es nicht wagen, in seiner Gegenwart sich zu brüsten, denn er selbst habe für sie bereits ein Theaterstück verfasst. Ueberdies versicherte er auch noch, aus Erfahrung zu sprechen, da er zu einem ihrer erhörten Verehrer gehöre.</p> <p>Madame de Gouges hielt an sich und sagte erst, nachdem sie ans Ziel gelangt war und den Wagen verlassen hatte, zu dem frechen Aufschneider: „Mein Herr, ich habe Ihre albernen Reden mit der Ruhe eines Philosophen, dem Mut eines Mannes und dem Auge eines Beobachters angehört; ich bin jene Frau de Gouges, die sie niemals gekannt haben und die zu kennen sie nicht im stande sind. Ziehen sie Nutzen aus der Lektion, die ich ihnen gebe; man findet leichtlich Männer Ihrer Spezies, aber es bedarf der Jahrhunderte, um ein Weib von meinem Schlage hervorzubringen.“</p> <p>Von unheilvollen Ahnungen erfüllt, schrieb Olimpe de Gouges am 4. Juni 1793 ihr „Testament politique“, worin es unter anderem heisst: „Oh! Vorsehung, ich rufe dich an, die Menschen sind nicht mehr im stande, mich zu begreifen. Beschleunige das Ende meiner Tage. Meine Augen sind müde vom schmerzlichen Anblick ihrer Uneinigkeit, ihrer verbrecherischen Kabalen und können die Gräuel </p> </div> </body> </text> </TEI> [194/0215]
betrifft, hat sie, würden Sie das glauben, niemals einen einzigen Gedanken davon selbst gedacht. Sie kann nicht einmal lesen; man macht alles für sie, man erkünstelt sogar eine gewisse Nachlässigkeit, einen mangelhaften Stil, um noch mehr den Glauben zu erwecken, es sei von ihr.“ „Indessen,“ antwortete Madame de Gouges, „habe ich sie selbst in Gegenwart anderer Theaterstücke verfassen gesehen, sie hat sogar einmal eine Wette damit gewonnen.“ Der liebenswürdige Reisegenosse war um eine Antwort nicht verlegen. „Ach, gnädige Frau, das Stück war da schon fertig, man hatte sie es auswendig lernen lassen!“ Als ihn Olimpe de Gouges fragte, ob er dessen ganz sicher sei, erwiderte er, dass er es auf eine Wette ankommen lasse; sie würde es nicht wagen, in seiner Gegenwart sich zu brüsten, denn er selbst habe für sie bereits ein Theaterstück verfasst. Ueberdies versicherte er auch noch, aus Erfahrung zu sprechen, da er zu einem ihrer erhörten Verehrer gehöre.
Madame de Gouges hielt an sich und sagte erst, nachdem sie ans Ziel gelangt war und den Wagen verlassen hatte, zu dem frechen Aufschneider: „Mein Herr, ich habe Ihre albernen Reden mit der Ruhe eines Philosophen, dem Mut eines Mannes und dem Auge eines Beobachters angehört; ich bin jene Frau de Gouges, die sie niemals gekannt haben und die zu kennen sie nicht im stande sind. Ziehen sie Nutzen aus der Lektion, die ich ihnen gebe; man findet leichtlich Männer Ihrer Spezies, aber es bedarf der Jahrhunderte, um ein Weib von meinem Schlage hervorzubringen.“
Von unheilvollen Ahnungen erfüllt, schrieb Olimpe de Gouges am 4. Juni 1793 ihr „Testament politique“, worin es unter anderem heisst: „Oh! Vorsehung, ich rufe dich an, die Menschen sind nicht mehr im stande, mich zu begreifen. Beschleunige das Ende meiner Tage. Meine Augen sind müde vom schmerzlichen Anblick ihrer Uneinigkeit, ihrer verbrecherischen Kabalen und können die Gräuel
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-02-11T11:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-02-11T11:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-02-11T11:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |