Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.und Zuschauer als verdächtig angegeben und zur Todesstrafe verurteilt. In einer Stadt brach Hungersnot aus, die Schuld wurde den Aufkäufern zugeschrieben und diente als Vorwand zu einer Verdoppelung der Strenge. Die Marquise v. Fontenay schien ohne Zweifel dem Untergang geweiht. Da kam es ihr in den Sinn, an Tallien zu schreiben, um von ihm die Freiheit zu fordern, oder ihn wenigstens für ihr Geschick zu interessieren. Er hatte sie früher wiederholt in vornehmer Gesellschaft getroffen. Tallien war damals ein sehr schöner Mann von 24 Jahren, voll Feuer und Beredsamkeit. Ein Blick der schönen Frau genügte, um diesen wilden Inquisitor völlig gefügig zu machen. Dieser Blick änderte völlig Talliens Herz und bald das ganze Aeussere der Revolution. Die Marquise von Fontenay wurde in Freiheit gesetzt. Von da an hatten die Gewaltmassregeln in Bordeaux ein Ende; auf so viele Barbarei folgte ein System der Milde. Jeden Tag erlangte die schöne Bittstellerin von Tallien Begnadigungen. Ihre Reize übten einen mächtigen Einfluss auf Tallien und bezauberten ihn derart, dass sie aus dem vormals hitzigsten Aechter einen beinahe wohltätigen Bürger machten. Der Marquis von Paroy, ein Bekannter von Tallien, hat folgende Schilderung von der Wohnung der Marquise von Fontenay entworfen: "Ich glaubte in die Behausung der Musen einzutreten, ein geöffnetes Piano, auf dem Noten umherlagen, eine Guitarre auf dem Sopha, eine Harfe im Winkel, Hefte und Notenblätter auf einem Ständer davor, gegenüber eine Staffelei mit einem begonnenen Bilde darauf, Palette, Pinsel und Oelfarben in genialer Unordnung umhergestreut, am Fenster ein Tischchen, worauf ein begonnenes Miniaturbild lag, an der Seitenwand ein reizender Schreibtisch mit den verschiedensten Schreibarbeiten bedeckt, der Bücherschrank voll der interessantesten Bücher und am andern Fenster ein Stickrahmen mit einer kunstvollen, angefangenen und Zuschauer als verdächtig angegeben und zur Todesstrafe verurteilt. In einer Stadt brach Hungersnot aus, die Schuld wurde den Aufkäufern zugeschrieben und diente als Vorwand zu einer Verdoppelung der Strenge. Die Marquise v. Fontenay schien ohne Zweifel dem Untergang geweiht. Da kam es ihr in den Sinn, an Tallien zu schreiben, um von ihm die Freiheit zu fordern, oder ihn wenigstens für ihr Geschick zu interessieren. Er hatte sie früher wiederholt in vornehmer Gesellschaft getroffen. Tallien war damals ein sehr schöner Mann von 24 Jahren, voll Feuer und Beredsamkeit. Ein Blick der schönen Frau genügte, um diesen wilden Inquisitor völlig gefügig zu machen. Dieser Blick änderte völlig Talliens Herz und bald das ganze Aeussere der Revolution. Die Marquise von Fontenay wurde in Freiheit gesetzt. Von da an hatten die Gewaltmassregeln in Bordeaux ein Ende; auf so viele Barbarei folgte ein System der Milde. Jeden Tag erlangte die schöne Bittstellerin von Tallien Begnadigungen. Ihre Reize übten einen mächtigen Einfluss auf Tallien und bezauberten ihn derart, dass sie aus dem vormals hitzigsten Aechter einen beinahe wohltätigen Bürger machten. Der Marquis von Paroy, ein Bekannter von Tallien, hat folgende Schilderung von der Wohnung der Marquise von Fontenay entworfen: „Ich glaubte in die Behausung der Musen einzutreten, ein geöffnetes Piano, auf dem Noten umherlagen, eine Guitarre auf dem Sopha, eine Harfe im Winkel, Hefte und Notenblätter auf einem Ständer davor, gegenüber eine Staffelei mit einem begonnenen Bilde darauf, Palette, Pinsel und Oelfarben in genialer Unordnung umhergestreut, am Fenster ein Tischchen, worauf ein begonnenes Miniaturbild lag, an der Seitenwand ein reizender Schreibtisch mit den verschiedensten Schreibarbeiten bedeckt, der Bücherschrank voll der interessantesten Bücher und am andern Fenster ein Stickrahmen mit einer kunstvollen, angefangenen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0241" n="218"/> und Zuschauer als verdächtig angegeben und zur Todesstrafe verurteilt.</p> <p>In einer Stadt brach Hungersnot aus, die Schuld wurde den Aufkäufern zugeschrieben und diente als Vorwand zu einer Verdoppelung der Strenge. Die Marquise v. Fontenay schien ohne Zweifel dem Untergang geweiht.</p> <p>Da kam es ihr in den Sinn, an Tallien zu schreiben, um von ihm die Freiheit zu fordern, oder ihn wenigstens für ihr Geschick zu interessieren. Er hatte sie früher wiederholt in vornehmer Gesellschaft getroffen. Tallien war damals ein sehr schöner Mann von 24 Jahren, voll Feuer und Beredsamkeit. Ein Blick der schönen Frau genügte, um diesen wilden Inquisitor völlig gefügig zu machen. Dieser Blick änderte völlig Talliens Herz und bald das ganze Aeussere der Revolution.</p> <p>Die Marquise von Fontenay wurde in Freiheit gesetzt. Von da an hatten die Gewaltmassregeln in Bordeaux ein Ende; auf so viele Barbarei folgte ein System der Milde.</p> <p>Jeden Tag erlangte die schöne Bittstellerin von Tallien Begnadigungen. Ihre Reize übten einen mächtigen Einfluss auf Tallien und bezauberten ihn derart, dass sie aus dem vormals hitzigsten Aechter einen beinahe wohltätigen Bürger machten.</p> <p>Der Marquis von Paroy, ein Bekannter von Tallien, hat folgende Schilderung von der Wohnung der Marquise von Fontenay entworfen: „Ich glaubte in die Behausung der Musen einzutreten, ein geöffnetes Piano, auf dem Noten umherlagen, eine Guitarre auf dem Sopha, eine Harfe im Winkel, Hefte und Notenblätter auf einem Ständer davor, gegenüber eine Staffelei mit einem begonnenen Bilde darauf, Palette, Pinsel und Oelfarben in genialer Unordnung umhergestreut, am Fenster ein Tischchen, worauf ein begonnenes Miniaturbild lag, an der Seitenwand ein reizender Schreibtisch mit den verschiedensten Schreibarbeiten bedeckt, der Bücherschrank voll der interessantesten Bücher und am andern Fenster ein Stickrahmen mit einer kunstvollen, angefangenen </p> </div> </body> </text> </TEI> [218/0241]
und Zuschauer als verdächtig angegeben und zur Todesstrafe verurteilt.
In einer Stadt brach Hungersnot aus, die Schuld wurde den Aufkäufern zugeschrieben und diente als Vorwand zu einer Verdoppelung der Strenge. Die Marquise v. Fontenay schien ohne Zweifel dem Untergang geweiht.
Da kam es ihr in den Sinn, an Tallien zu schreiben, um von ihm die Freiheit zu fordern, oder ihn wenigstens für ihr Geschick zu interessieren. Er hatte sie früher wiederholt in vornehmer Gesellschaft getroffen. Tallien war damals ein sehr schöner Mann von 24 Jahren, voll Feuer und Beredsamkeit. Ein Blick der schönen Frau genügte, um diesen wilden Inquisitor völlig gefügig zu machen. Dieser Blick änderte völlig Talliens Herz und bald das ganze Aeussere der Revolution.
Die Marquise von Fontenay wurde in Freiheit gesetzt. Von da an hatten die Gewaltmassregeln in Bordeaux ein Ende; auf so viele Barbarei folgte ein System der Milde.
Jeden Tag erlangte die schöne Bittstellerin von Tallien Begnadigungen. Ihre Reize übten einen mächtigen Einfluss auf Tallien und bezauberten ihn derart, dass sie aus dem vormals hitzigsten Aechter einen beinahe wohltätigen Bürger machten.
Der Marquis von Paroy, ein Bekannter von Tallien, hat folgende Schilderung von der Wohnung der Marquise von Fontenay entworfen: „Ich glaubte in die Behausung der Musen einzutreten, ein geöffnetes Piano, auf dem Noten umherlagen, eine Guitarre auf dem Sopha, eine Harfe im Winkel, Hefte und Notenblätter auf einem Ständer davor, gegenüber eine Staffelei mit einem begonnenen Bilde darauf, Palette, Pinsel und Oelfarben in genialer Unordnung umhergestreut, am Fenster ein Tischchen, worauf ein begonnenes Miniaturbild lag, an der Seitenwand ein reizender Schreibtisch mit den verschiedensten Schreibarbeiten bedeckt, der Bücherschrank voll der interessantesten Bücher und am andern Fenster ein Stickrahmen mit einer kunstvollen, angefangenen
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