Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.keine Folge und Madame Tallien begnügte sich fortan mit geringerm Ehrgeize, sie beschränkte sich auf die Macht in den Salons. Kurze Zeit nach der Belagerung von Toulon liess sich ein verabschiedeter Soldat ihr vorstellen. Er schilderte ihr seine Not und wies auf seinen am Ellbogen durchlöcherten Rock, er sagte: "Der Bürger Tallien ist Herr über alles, wenn er mir ein Stück Tuch zum vorgeschriebenen Preise ablassen könnte." Madame Tallien versprach ihm, über die Sache nachzudenken, und tatsächlich übergab sie ihm einige Tage später einen Tuchrest. Der arme Soldat war Bonaparte. Als er seinen neuen Rock hatte, kam er in die Salons der Madame Tallien und machte dort die Bekanntschaft der schönen Beauharnais, seiner nachmaligen Frau. Vielleicht war dieser Umstand, so nichtssagend er auch an sich scheint, die Grundursache einer Begebenheit, die man nicht erwartete. Und vielleicht verdankt man Madame Tallien die Erhebung Napoleons, wie man ihr den Fall Robespierres verdankt! Hätte Bonaparte ohne diesen Tuchrest Zutritt bei Madame Tallien gehabt? Hätte er Madame de Beauharnais kennen gelernt? Hätte er sonst Gelegenheit gehabt, sich mit Barras zu verbinden? Wäre er General und dann Kaiser geworden? Das Direktorium war auf den Konvent gefolgt. Der Zirkel Madame Talliens war beliebter denn je. Nichts kam der Pracht der Einrichtung und dem Luxus der Toiletten gleich. Es herrschte ein wahrhaft fürstlicher Prunk bei ihr. Barras thronte dort und hatte sich mehr zum Herrn aufgeworfen als Tallien, der noch immer den Hass und den Vorwürfen ausgesetzt war. Man fuhr fort, sein vergangenes Leben gründlich zu untersuchen, sein öffentliches und sein privates. Er war weit davon entfernt, in der Zärtlichkeit seiner Frau einen Ersatz zu finden, und sie gab ihm vielleicht das Recht, sich zu beklagen, dass sie zu sehr das vergesse, keine Folge und Madame Tallien begnügte sich fortan mit geringerm Ehrgeize, sie beschränkte sich auf die Macht in den Salons. Kurze Zeit nach der Belagerung von Toulon liess sich ein verabschiedeter Soldat ihr vorstellen. Er schilderte ihr seine Not und wies auf seinen am Ellbogen durchlöcherten Rock, er sagte: „Der Bürger Tallien ist Herr über alles, wenn er mir ein Stück Tuch zum vorgeschriebenen Preise ablassen könnte.“ Madame Tallien versprach ihm, über die Sache nachzudenken, und tatsächlich übergab sie ihm einige Tage später einen Tuchrest. Der arme Soldat war Bonaparte. Als er seinen neuen Rock hatte, kam er in die Salons der Madame Tallien und machte dort die Bekanntschaft der schönen Beauharnais, seiner nachmaligen Frau. Vielleicht war dieser Umstand, so nichtssagend er auch an sich scheint, die Grundursache einer Begebenheit, die man nicht erwartete. Und vielleicht verdankt man Madame Tallien die Erhebung Napoleons, wie man ihr den Fall Robespierres verdankt! Hätte Bonaparte ohne diesen Tuchrest Zutritt bei Madame Tallien gehabt? Hätte er Madame de Beauharnais kennen gelernt? Hätte er sonst Gelegenheit gehabt, sich mit Barras zu verbinden? Wäre er General und dann Kaiser geworden? Das Direktorium war auf den Konvent gefolgt. Der Zirkel Madame Talliens war beliebter denn je. Nichts kam der Pracht der Einrichtung und dem Luxus der Toiletten gleich. Es herrschte ein wahrhaft fürstlicher Prunk bei ihr. Barras thronte dort und hatte sich mehr zum Herrn aufgeworfen als Tallien, der noch immer den Hass und den Vorwürfen ausgesetzt war. Man fuhr fort, sein vergangenes Leben gründlich zu untersuchen, sein öffentliches und sein privates. 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Vielleicht war dieser Umstand, so nichtssagend er auch an sich scheint, die Grundursache einer Begebenheit, die man nicht erwartete. Und vielleicht verdankt man Madame Tallien die Erhebung Napoleons, wie man ihr den Fall Robespierres verdankt!</p> <p>Hätte Bonaparte ohne diesen Tuchrest Zutritt bei Madame Tallien gehabt? Hätte er Madame de Beauharnais kennen gelernt? Hätte er sonst Gelegenheit gehabt, sich mit Barras zu verbinden? Wäre er General und dann Kaiser geworden?</p> <p>Das Direktorium war auf den Konvent gefolgt. Der Zirkel Madame Talliens war beliebter denn je. Nichts kam der Pracht der Einrichtung und dem Luxus der Toiletten gleich. Es herrschte ein wahrhaft fürstlicher Prunk bei ihr. Barras thronte dort und hatte sich mehr zum Herrn aufgeworfen als Tallien, der noch immer den Hass und den Vorwürfen ausgesetzt war. Man fuhr fort, sein vergangenes Leben gründlich zu untersuchen, sein öffentliches und sein privates.</p> <p>Er war weit davon entfernt, in der Zärtlichkeit seiner Frau einen Ersatz zu finden, und sie gab ihm vielleicht das Recht, sich zu beklagen, dass sie zu sehr das vergesse, </p> </div> </body> </text> </TEI> [225/0248]
keine Folge und Madame Tallien begnügte sich fortan mit geringerm Ehrgeize, sie beschränkte sich auf die Macht in den Salons.
Kurze Zeit nach der Belagerung von Toulon liess sich ein verabschiedeter Soldat ihr vorstellen. Er schilderte ihr seine Not und wies auf seinen am Ellbogen durchlöcherten Rock, er sagte: „Der Bürger Tallien ist Herr über alles, wenn er mir ein Stück Tuch zum vorgeschriebenen Preise ablassen könnte.“ Madame Tallien versprach ihm, über die Sache nachzudenken, und tatsächlich übergab sie ihm einige Tage später einen Tuchrest.
Der arme Soldat war Bonaparte. Als er seinen neuen Rock hatte, kam er in die Salons der Madame Tallien und machte dort die Bekanntschaft der schönen Beauharnais, seiner nachmaligen Frau. Vielleicht war dieser Umstand, so nichtssagend er auch an sich scheint, die Grundursache einer Begebenheit, die man nicht erwartete. Und vielleicht verdankt man Madame Tallien die Erhebung Napoleons, wie man ihr den Fall Robespierres verdankt!
Hätte Bonaparte ohne diesen Tuchrest Zutritt bei Madame Tallien gehabt? Hätte er Madame de Beauharnais kennen gelernt? Hätte er sonst Gelegenheit gehabt, sich mit Barras zu verbinden? Wäre er General und dann Kaiser geworden?
Das Direktorium war auf den Konvent gefolgt. Der Zirkel Madame Talliens war beliebter denn je. Nichts kam der Pracht der Einrichtung und dem Luxus der Toiletten gleich. Es herrschte ein wahrhaft fürstlicher Prunk bei ihr. Barras thronte dort und hatte sich mehr zum Herrn aufgeworfen als Tallien, der noch immer den Hass und den Vorwürfen ausgesetzt war. Man fuhr fort, sein vergangenes Leben gründlich zu untersuchen, sein öffentliches und sein privates.
Er war weit davon entfernt, in der Zärtlichkeit seiner Frau einen Ersatz zu finden, und sie gab ihm vielleicht das Recht, sich zu beklagen, dass sie zu sehr das vergesse,
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