Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.Diese Herren hatten sich gute Empfehlungsbriefe zu verschaffen gewusst und hofften auf fürstliche Belohnungen und Ehrenbezeugungen, wenn sie diese gefährliche Person in ein sicheres Gewahrsam bringen würden. Sie erfanden einen ganzen Roman, darin sie besonders angeklagt wurde, Maria Antoinette nach dem Leben getrachtet und sich überdies des Hochverrates gegen Leopold II. schuldig gemacht zu haben. Als Theroigne sie schlaftrunken nach ihrem Begehren fragte, versicherten sie sie, gute Patrioten zu sein, die um sie in grösster Sorge seien und aus purer Freundschaft gekommen wären, um sie vor Verfolgungen der Aristokratie zu schützen. Während sie sich in Anwesenheit der Männer ankleiden musste, von dem einen fortwährend zur Eile angetrieben, schaute sich der andere überall um, und als er eine Menge von Papieren und Schriften erblickte, wickelte er alles zusammen und nahm sie an sich. Der Bruder Theroignes sah hilflos allem zu, und trotz seiner Verzweiflung musste er alles geschehen lassen. Theroigne war noch nicht recht zum Bewusstsein gekommen, als sie mit den drei Freunden im Wagen sass, der Kutscher hieb auf die Pferde ein, und über Stock und Stein ging es ins dunkle Ungewisse hinein. Zuerst wurde Theroigne nach Freiburg im Breisgau geschleppt, wo sie am 25. Februar ankamen; sie blieb dort unter Aufsicht ihrer Entführer bis zum 9. März. An jenem Tage kam der Befehl des Hofkriegsrates, sie unter militärischer Bedeckung in die Gefängnisfestung nach Kufstein in Tirol zu bringen. Ihre Eskorte bestand aus dem Hauptmann Baron von Landresc, dem Leutnant Krause und zwei Unteroffizieren. Am 9. März gegen Abend verliess Theroigne mit diesen neuen Begleitern Freiburg. Während der ganzen langen Reise, die man damals noch mit dem Wagen in sehr beschwerlicher Weise zurücklegen musste, war Theroigne der Meinung, dass sie nach Wien gebracht würde, wo sie alle Hoffnung auf den Kaiser Leopold II. setzte, von dem Diese Herren hatten sich gute Empfehlungsbriefe zu verschaffen gewusst und hofften auf fürstliche Belohnungen und Ehrenbezeugungen, wenn sie diese gefährliche Person in ein sicheres Gewahrsam bringen würden. Sie erfanden einen ganzen Roman, darin sie besonders angeklagt wurde, Maria Antoinette nach dem Leben getrachtet und sich überdies des Hochverrates gegen Leopold II. schuldig gemacht zu haben. Als Théroigne sie schlaftrunken nach ihrem Begehren fragte, versicherten sie sie, gute Patrioten zu sein, die um sie in grösster Sorge seien und aus purer Freundschaft gekommen wären, um sie vor Verfolgungen der Aristokratie zu schützen. Während sie sich in Anwesenheit der Männer ankleiden musste, von dem einen fortwährend zur Eile angetrieben, schaute sich der andere überall um, und als er eine Menge von Papieren und Schriften erblickte, wickelte er alles zusammen und nahm sie an sich. Der Bruder Théroignes sah hilflos allem zu, und trotz seiner Verzweiflung musste er alles geschehen lassen. Théroigne war noch nicht recht zum Bewusstsein gekommen, als sie mit den drei Freunden im Wagen sass, der Kutscher hieb auf die Pferde ein, und über Stock und Stein ging es ins dunkle Ungewisse hinein. Zuerst wurde Théroigne nach Freiburg im Breisgau geschleppt, wo sie am 25. Februar ankamen; sie blieb dort unter Aufsicht ihrer Entführer bis zum 9. März. An jenem Tage kam der Befehl des Hofkriegsrates, sie unter militärischer Bedeckung in die Gefängnisfestung nach Kufstein in Tirol zu bringen. Ihre Eskorte bestand aus dem Hauptmann Baron von Landresc, dem Leutnant Krause und zwei Unteroffizieren. Am 9. März gegen Abend verliess Théroigne mit diesen neuen Begleitern Freiburg. Während der ganzen langen Reise, die man damals noch mit dem Wagen in sehr beschwerlicher Weise zurücklegen musste, war Théroigne der Meinung, dass sie nach Wien gebracht würde, wo sie alle Hoffnung auf den Kaiser Leopold II. setzte, von dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0039" n="22"/> Diese Herren hatten sich gute Empfehlungsbriefe zu verschaffen gewusst und hofften auf fürstliche Belohnungen und Ehrenbezeugungen, wenn sie diese gefährliche Person in ein sicheres Gewahrsam bringen würden. Sie erfanden einen ganzen Roman, darin sie besonders angeklagt wurde, Maria Antoinette nach dem Leben getrachtet und sich überdies des Hochverrates gegen Leopold II. schuldig gemacht zu haben.</p> <p>Als Théroigne sie schlaftrunken nach ihrem Begehren fragte, versicherten sie sie, gute Patrioten zu sein, die um sie in grösster Sorge seien und aus purer Freundschaft gekommen wären, um sie vor Verfolgungen der Aristokratie zu schützen. Während sie sich in Anwesenheit der Männer ankleiden musste, von dem einen fortwährend zur Eile angetrieben, schaute sich der andere überall um, und als er eine Menge von Papieren und Schriften erblickte, wickelte er alles zusammen und nahm sie an sich. Der Bruder Théroignes sah hilflos allem zu, und trotz seiner Verzweiflung musste er alles geschehen lassen. Théroigne war noch nicht recht zum Bewusstsein gekommen, als sie mit den drei Freunden im Wagen sass, der Kutscher hieb auf die Pferde ein, und über Stock und Stein ging es ins dunkle Ungewisse hinein.</p> <p>Zuerst wurde Théroigne nach Freiburg im Breisgau geschleppt, wo sie am 25. Februar ankamen; sie blieb dort unter Aufsicht ihrer Entführer bis zum 9. März. An jenem Tage kam der Befehl des Hofkriegsrates, sie unter militärischer Bedeckung in die Gefängnisfestung nach Kufstein in Tirol zu bringen. Ihre Eskorte bestand aus dem Hauptmann Baron von Landresc, dem Leutnant Krause und zwei Unteroffizieren. Am 9. März gegen Abend verliess Théroigne mit diesen neuen Begleitern Freiburg. Während der ganzen langen Reise, die man damals noch mit dem Wagen in sehr beschwerlicher Weise zurücklegen musste, war Théroigne der Meinung, dass sie nach Wien gebracht würde, wo sie alle Hoffnung auf den Kaiser Leopold II. setzte, von dem </p> </div> </body> </text> </TEI> [22/0039]
Diese Herren hatten sich gute Empfehlungsbriefe zu verschaffen gewusst und hofften auf fürstliche Belohnungen und Ehrenbezeugungen, wenn sie diese gefährliche Person in ein sicheres Gewahrsam bringen würden. Sie erfanden einen ganzen Roman, darin sie besonders angeklagt wurde, Maria Antoinette nach dem Leben getrachtet und sich überdies des Hochverrates gegen Leopold II. schuldig gemacht zu haben.
Als Théroigne sie schlaftrunken nach ihrem Begehren fragte, versicherten sie sie, gute Patrioten zu sein, die um sie in grösster Sorge seien und aus purer Freundschaft gekommen wären, um sie vor Verfolgungen der Aristokratie zu schützen. Während sie sich in Anwesenheit der Männer ankleiden musste, von dem einen fortwährend zur Eile angetrieben, schaute sich der andere überall um, und als er eine Menge von Papieren und Schriften erblickte, wickelte er alles zusammen und nahm sie an sich. Der Bruder Théroignes sah hilflos allem zu, und trotz seiner Verzweiflung musste er alles geschehen lassen. Théroigne war noch nicht recht zum Bewusstsein gekommen, als sie mit den drei Freunden im Wagen sass, der Kutscher hieb auf die Pferde ein, und über Stock und Stein ging es ins dunkle Ungewisse hinein.
Zuerst wurde Théroigne nach Freiburg im Breisgau geschleppt, wo sie am 25. Februar ankamen; sie blieb dort unter Aufsicht ihrer Entführer bis zum 9. März. An jenem Tage kam der Befehl des Hofkriegsrates, sie unter militärischer Bedeckung in die Gefängnisfestung nach Kufstein in Tirol zu bringen. Ihre Eskorte bestand aus dem Hauptmann Baron von Landresc, dem Leutnant Krause und zwei Unteroffizieren. Am 9. März gegen Abend verliess Théroigne mit diesen neuen Begleitern Freiburg. Während der ganzen langen Reise, die man damals noch mit dem Wagen in sehr beschwerlicher Weise zurücklegen musste, war Théroigne der Meinung, dass sie nach Wien gebracht würde, wo sie alle Hoffnung auf den Kaiser Leopold II. setzte, von dem
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