Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.erschreckender Hässlichkeit. Sie hatte ihm Nachrichten aus der Normandie versprochen; er fragte sie aus, besonders wollte er die Namen der nach Caen geflüchteten Abgeordneten wissen; sie nannte sie und er schrieb sie nacheinander auf. Als er fertig war, fügte er hinzu: "Es ist gut, sie müssen alle auf die Guillotine." Diese Worte besiegelten sein Todesurteil und verstärkten Charlottens Kraft. Sie zog das Messer aus ihrem Kleid und stiess es ihm mitten ins Herz. Er hatte nur mehr die Kraft, die Worte: "Zu Hilfe, meine liebe Freundin, zu Hilfe!" hervorzubringen. Sie hatte ihn tödlich getroffen, das Messer hatte die Lunge und das Herz völlig durchstossen, er schwamm in seinem Blute. Auf seinen Hilfeschrei kamen sein Gehilfe Laurent Basse und das Dienstmädchen herbeigeeilt und fingen das bewusstlos sich neigende Haupt Marats in ihren Armen auf. Charlotte Corday hatte gar nicht versucht zu entfliehen, sie blieb in der Nähe des Fensters, sie stand aufrecht, gelassen und unbeweglich. Basse schlug mit einem Stuhl nach Charlotte Corday und warf sie um, Katherine Evrard trat sie mit Füssen. Man nahm den Leichnam Marats aus der Badewanne und trug ihn aufs Bett ins Nebenzimmer. Umsonst bemühten sich die Aerzte, das Blut zu stillen, es war alles vergebens, Marat hatte zu leben aufgehört. Indessen hatte sich Charlotte Corday erhoben, stellte sich ans Fenster und sah ruhig hinunter. Auf der Strasse schrie die angesammelte Menge, unter der sich die Kunde von der Tat rasch verbreitet hatte, sie wolle Charlotte Corday lynchen. "Arme Leute," sagte sie, "Ihr wollt meinen Tod und Ihr seid mir einen Altar schuldig, dass ich Euch von diesem Scheusal befreit habe." Die Menge sah die Tyrannei und die Befreiung nur in einem Menschen verkörpert. Auch Charlotte Corday teilte diese Meinung. Der Schatten Marats verdunkelte ihr die ganze Republik. Eine Kommission, bestehend aus den Abgeordneten erschreckender Hässlichkeit. Sie hatte ihm Nachrichten aus der Normandie versprochen; er fragte sie aus, besonders wollte er die Namen der nach Caen geflüchteten Abgeordneten wissen; sie nannte sie und er schrieb sie nacheinander auf. Als er fertig war, fügte er hinzu: „Es ist gut, sie müssen alle auf die Guillotine.“ Diese Worte besiegelten sein Todesurteil und verstärkten Charlottens Kraft. Sie zog das Messer aus ihrem Kleid und stiess es ihm mitten ins Herz. Er hatte nur mehr die Kraft, die Worte: „Zu Hilfe, meine liebe Freundin, zu Hilfe!“ hervorzubringen. Sie hatte ihn tödlich getroffen, das Messer hatte die Lunge und das Herz völlig durchstossen, er schwamm in seinem Blute. Auf seinen Hilfeschrei kamen sein Gehilfe Laurent Basse und das Dienstmädchen herbeigeeilt und fingen das bewusstlos sich neigende Haupt Marats in ihren Armen auf. Charlotte Corday hatte gar nicht versucht zu entfliehen, sie blieb in der Nähe des Fensters, sie stand aufrecht, gelassen und unbeweglich. Basse schlug mit einem Stuhl nach Charlotte Corday und warf sie um, Katherine Evrard trat sie mit Füssen. Man nahm den Leichnam Marats aus der Badewanne und trug ihn aufs Bett ins Nebenzimmer. Umsonst bemühten sich die Aerzte, das Blut zu stillen, es war alles vergebens, Marat hatte zu leben aufgehört. Indessen hatte sich Charlotte Corday erhoben, stellte sich ans Fenster und sah ruhig hinunter. Auf der Strasse schrie die angesammelte Menge, unter der sich die Kunde von der Tat rasch verbreitet hatte, sie wolle Charlotte Corday lynchen. „Arme Leute,“ sagte sie, „Ihr wollt meinen Tod und Ihr seid mir einen Altar schuldig, dass ich Euch von diesem Scheusal befreit habe.“ Die Menge sah die Tyrannei und die Befreiung nur in einem Menschen verkörpert. Auch Charlotte Corday teilte diese Meinung. Der Schatten Marats verdunkelte ihr die ganze Republik. Eine Kommission, bestehend aus den Abgeordneten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0051" n="33"/> erschreckender Hässlichkeit. Sie hatte ihm Nachrichten aus der Normandie versprochen; er fragte sie aus, besonders wollte er die Namen der nach Caen geflüchteten Abgeordneten wissen; sie nannte sie und er schrieb sie nacheinander auf. Als er fertig war, fügte er hinzu: „Es ist gut, sie müssen alle auf die Guillotine.“ Diese Worte besiegelten sein Todesurteil und verstärkten Charlottens Kraft. Sie zog das Messer aus ihrem Kleid und stiess es ihm mitten ins Herz. Er hatte nur mehr die Kraft, die Worte: „Zu Hilfe, meine liebe Freundin, zu Hilfe!“ hervorzubringen. Sie hatte ihn tödlich getroffen, das Messer hatte die Lunge und das Herz völlig durchstossen, er schwamm in seinem Blute. Auf seinen Hilfeschrei kamen sein Gehilfe Laurent Basse und das Dienstmädchen herbeigeeilt und fingen das bewusstlos sich neigende Haupt Marats in ihren Armen auf.</p> <p>Charlotte Corday hatte gar nicht versucht zu entfliehen, sie blieb in der Nähe des Fensters, sie stand aufrecht, gelassen und unbeweglich. Basse schlug mit einem Stuhl nach Charlotte Corday und warf sie um, Katherine Evrard trat sie mit Füssen.</p> <p>Man nahm den Leichnam Marats aus der Badewanne und trug ihn aufs Bett ins Nebenzimmer. Umsonst bemühten sich die Aerzte, das Blut zu stillen, es war alles vergebens, Marat hatte zu leben aufgehört.</p> <p>Indessen hatte sich Charlotte Corday erhoben, stellte sich ans Fenster und sah ruhig hinunter.</p> <p>Auf der Strasse schrie die angesammelte Menge, unter der sich die Kunde von der Tat rasch verbreitet hatte, sie wolle Charlotte Corday lynchen. „Arme Leute,“ sagte sie, „Ihr wollt meinen Tod und Ihr seid mir einen Altar schuldig, dass ich Euch von diesem Scheusal befreit habe.“ Die Menge sah die Tyrannei und die Befreiung nur in einem Menschen verkörpert. Auch Charlotte Corday teilte diese Meinung. Der Schatten Marats verdunkelte ihr die ganze Republik.</p> <p>Eine Kommission, bestehend aus den Abgeordneten </p> </div> </body> </text> </TEI> [33/0051]
erschreckender Hässlichkeit. Sie hatte ihm Nachrichten aus der Normandie versprochen; er fragte sie aus, besonders wollte er die Namen der nach Caen geflüchteten Abgeordneten wissen; sie nannte sie und er schrieb sie nacheinander auf. Als er fertig war, fügte er hinzu: „Es ist gut, sie müssen alle auf die Guillotine.“ Diese Worte besiegelten sein Todesurteil und verstärkten Charlottens Kraft. Sie zog das Messer aus ihrem Kleid und stiess es ihm mitten ins Herz. Er hatte nur mehr die Kraft, die Worte: „Zu Hilfe, meine liebe Freundin, zu Hilfe!“ hervorzubringen. Sie hatte ihn tödlich getroffen, das Messer hatte die Lunge und das Herz völlig durchstossen, er schwamm in seinem Blute. Auf seinen Hilfeschrei kamen sein Gehilfe Laurent Basse und das Dienstmädchen herbeigeeilt und fingen das bewusstlos sich neigende Haupt Marats in ihren Armen auf.
Charlotte Corday hatte gar nicht versucht zu entfliehen, sie blieb in der Nähe des Fensters, sie stand aufrecht, gelassen und unbeweglich. Basse schlug mit einem Stuhl nach Charlotte Corday und warf sie um, Katherine Evrard trat sie mit Füssen.
Man nahm den Leichnam Marats aus der Badewanne und trug ihn aufs Bett ins Nebenzimmer. Umsonst bemühten sich die Aerzte, das Blut zu stillen, es war alles vergebens, Marat hatte zu leben aufgehört.
Indessen hatte sich Charlotte Corday erhoben, stellte sich ans Fenster und sah ruhig hinunter.
Auf der Strasse schrie die angesammelte Menge, unter der sich die Kunde von der Tat rasch verbreitet hatte, sie wolle Charlotte Corday lynchen. „Arme Leute,“ sagte sie, „Ihr wollt meinen Tod und Ihr seid mir einen Altar schuldig, dass ich Euch von diesem Scheusal befreit habe.“ Die Menge sah die Tyrannei und die Befreiung nur in einem Menschen verkörpert. Auch Charlotte Corday teilte diese Meinung. Der Schatten Marats verdunkelte ihr die ganze Republik.
Eine Kommission, bestehend aus den Abgeordneten
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