Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

Bild:
<< vorherige Seite

einem der Freier entschliessen konnte. Eines Tages drang sie sehr in sie, den Antrag eines ehrlichen Mannes, eines Juwelenhändlers, anzunehmen. Sie lobte seine grosse Ehrenhaftigkeit, sein Vermögen und sein feines Benehmen. Sie versicherte, er verstehe Manon, er schätze ihre ungewöhnliche Art und würde es sich zur Ehre anrechnen, sich von ihr leiten zu lassen! Eine Ehe sei, wenn sie auch nicht den Idealen ihrer Tochter entspräche, noch immer dem Lose einer alten Jungfer vorzuziehen. Sie stellte ihr die Möglichkeit ihres baldigen Todes vor Augen, wie sie da mit dem Vater allein zurückbleiben würde; er sei noch jung und sie könne sich nicht die Sorgen vorstellen, die ihre zärtliche Liebe für sie fürchte. Wie ruhig würde sie sein, wenn sie sie mit einem ehrenhaften Manne verbunden wüsste, ehe sie diese Welt verlasse.

Dieser Gedanke überwältigte Manon vor Schmerz, es schien ihr, als würde die Mutter einen bedrohlichen Schleier von einer düstern, erschreckenden Zukunft wegziehen, die sie nicht einmal vermutet hatte. Sie hatte sich nie vorgestellt, dass sie sie jemals verlieren könnte. Die Erwähnung dieses Verlustes allein, von dem sie sprach, als ob er nah bevorstehend wäre, erfüllte sie mit Entsetzen, ein Schauer lief über ihren Körper, sie sah die Mutter mit ganz verstörten Blicken an, Tränen stürzten ihr aus den Augen, als sie die Mutter lächeln sah: "Wie! Du beunruhigst dich? Als ob man in den zu fassenden Entschlüssen nicht die Möglichkeiten zu erwägen hätte. Ich bin wohl nicht krank, doch befinde ich mich in einer kritischen Zeit, deren Zufälle oft unheilvoll werden können, aber im Zustand der Gesundheit muss man sich mit dem Gegenteil befassen. Die günstige Gelegenheit, die sich bietet, veranlasst mich insbesondere dazu, mit dir darüber zu sprechen. Ein guter und würdiger Mann hält um dich an. Du bist nun über zwanzig Jahre alt, von nun an wirst du nicht weiter so viele Bewerber als in den letzten fünf Jahren, die verflossen sind, sehen. Ich kann sterben ... weise den Gatten nicht zurück ... der, es ist wohl wahr, nicht jenes

einem der Freier entschliessen konnte. Eines Tages drang sie sehr in sie, den Antrag eines ehrlichen Mannes, eines Juwelenhändlers, anzunehmen. Sie lobte seine grosse Ehrenhaftigkeit, sein Vermögen und sein feines Benehmen. Sie versicherte, er verstehe Manon, er schätze ihre ungewöhnliche Art und würde es sich zur Ehre anrechnen, sich von ihr leiten zu lassen! Eine Ehe sei, wenn sie auch nicht den Idealen ihrer Tochter entspräche, noch immer dem Lose einer alten Jungfer vorzuziehen. Sie stellte ihr die Möglichkeit ihres baldigen Todes vor Augen, wie sie da mit dem Vater allein zurückbleiben würde; er sei noch jung und sie könne sich nicht die Sorgen vorstellen, die ihre zärtliche Liebe für sie fürchte. Wie ruhig würde sie sein, wenn sie sie mit einem ehrenhaften Manne verbunden wüsste, ehe sie diese Welt verlasse.

Dieser Gedanke überwältigte Manon vor Schmerz, es schien ihr, als würde die Mutter einen bedrohlichen Schleier von einer düstern, erschreckenden Zukunft wegziehen, die sie nicht einmal vermutet hatte. Sie hatte sich nie vorgestellt, dass sie sie jemals verlieren könnte. Die Erwähnung dieses Verlustes allein, von dem sie sprach, als ob er nah bevorstehend wäre, erfüllte sie mit Entsetzen, ein Schauer lief über ihren Körper, sie sah die Mutter mit ganz verstörten Blicken an, Tränen stürzten ihr aus den Augen, als sie die Mutter lächeln sah: „Wie! Du beunruhigst dich? Als ob man in den zu fassenden Entschlüssen nicht die Möglichkeiten zu erwägen hätte. Ich bin wohl nicht krank, doch befinde ich mich in einer kritischen Zeit, deren Zufälle oft unheilvoll werden können, aber im Zustand der Gesundheit muss man sich mit dem Gegenteil befassen. Die günstige Gelegenheit, die sich bietet, veranlasst mich insbesondere dazu, mit dir darüber zu sprechen. Ein guter und würdiger Mann hält um dich an. Du bist nun über zwanzig Jahre alt, von nun an wirst du nicht weiter so viele Bewerber als in den letzten fünf Jahren, die verflossen sind, sehen. Ich kann sterben … weise den Gatten nicht zurück … der, es ist wohl wahr, nicht jenes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0097" n="78"/>
einem der Freier entschliessen konnte. Eines Tages drang sie sehr in sie, den Antrag eines ehrlichen Mannes, eines Juwelenhändlers, anzunehmen. Sie lobte seine grosse Ehrenhaftigkeit, sein Vermögen und sein feines Benehmen. Sie versicherte, er verstehe Manon, er schätze ihre ungewöhnliche Art und würde es sich zur Ehre anrechnen, sich von ihr leiten zu lassen! Eine Ehe sei, wenn sie auch nicht den Idealen ihrer Tochter entspräche, noch immer dem Lose einer alten Jungfer vorzuziehen. Sie stellte ihr die Möglichkeit ihres baldigen Todes vor Augen, wie sie da mit dem Vater allein zurückbleiben würde; er sei noch jung und sie könne sich nicht die Sorgen vorstellen, die ihre zärtliche Liebe für sie fürchte. Wie ruhig würde sie sein, wenn sie sie mit einem ehrenhaften Manne verbunden wüsste, ehe sie diese Welt verlasse.</p>
        <p>Dieser Gedanke überwältigte Manon vor Schmerz, es schien ihr, als würde die Mutter einen bedrohlichen Schleier von einer düstern, erschreckenden Zukunft wegziehen, die sie nicht einmal vermutet hatte. Sie hatte sich nie vorgestellt, dass sie sie jemals verlieren könnte. Die Erwähnung dieses Verlustes allein, von dem sie sprach, als ob er nah bevorstehend wäre, erfüllte sie mit Entsetzen, ein Schauer lief über ihren Körper, sie sah die Mutter mit ganz verstörten Blicken an, Tränen stürzten ihr aus den Augen, als sie die Mutter lächeln sah: &#x201E;Wie! Du beunruhigst dich? Als ob man in den zu fassenden Entschlüssen nicht die Möglichkeiten zu erwägen hätte. Ich bin wohl nicht krank, doch befinde ich mich in einer kritischen Zeit, deren Zufälle oft unheilvoll werden können, aber im Zustand der Gesundheit muss man sich mit dem Gegenteil befassen. Die günstige Gelegenheit, die sich bietet, veranlasst mich insbesondere dazu, mit dir darüber zu sprechen. Ein guter und würdiger Mann hält um dich an. Du bist nun über zwanzig Jahre alt, von nun an wirst du nicht weiter so viele Bewerber als in den letzten fünf Jahren, die verflossen sind, sehen. Ich kann sterben &#x2026; weise den Gatten nicht zurück &#x2026; der, es ist wohl wahr, nicht jenes
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0097] einem der Freier entschliessen konnte. Eines Tages drang sie sehr in sie, den Antrag eines ehrlichen Mannes, eines Juwelenhändlers, anzunehmen. Sie lobte seine grosse Ehrenhaftigkeit, sein Vermögen und sein feines Benehmen. Sie versicherte, er verstehe Manon, er schätze ihre ungewöhnliche Art und würde es sich zur Ehre anrechnen, sich von ihr leiten zu lassen! Eine Ehe sei, wenn sie auch nicht den Idealen ihrer Tochter entspräche, noch immer dem Lose einer alten Jungfer vorzuziehen. Sie stellte ihr die Möglichkeit ihres baldigen Todes vor Augen, wie sie da mit dem Vater allein zurückbleiben würde; er sei noch jung und sie könne sich nicht die Sorgen vorstellen, die ihre zärtliche Liebe für sie fürchte. Wie ruhig würde sie sein, wenn sie sie mit einem ehrenhaften Manne verbunden wüsste, ehe sie diese Welt verlasse. Dieser Gedanke überwältigte Manon vor Schmerz, es schien ihr, als würde die Mutter einen bedrohlichen Schleier von einer düstern, erschreckenden Zukunft wegziehen, die sie nicht einmal vermutet hatte. Sie hatte sich nie vorgestellt, dass sie sie jemals verlieren könnte. Die Erwähnung dieses Verlustes allein, von dem sie sprach, als ob er nah bevorstehend wäre, erfüllte sie mit Entsetzen, ein Schauer lief über ihren Körper, sie sah die Mutter mit ganz verstörten Blicken an, Tränen stürzten ihr aus den Augen, als sie die Mutter lächeln sah: „Wie! Du beunruhigst dich? Als ob man in den zu fassenden Entschlüssen nicht die Möglichkeiten zu erwägen hätte. Ich bin wohl nicht krank, doch befinde ich mich in einer kritischen Zeit, deren Zufälle oft unheilvoll werden können, aber im Zustand der Gesundheit muss man sich mit dem Gegenteil befassen. Die günstige Gelegenheit, die sich bietet, veranlasst mich insbesondere dazu, mit dir darüber zu sprechen. Ein guter und würdiger Mann hält um dich an. Du bist nun über zwanzig Jahre alt, von nun an wirst du nicht weiter so viele Bewerber als in den letzten fünf Jahren, die verflossen sind, sehen. Ich kann sterben … weise den Gatten nicht zurück … der, es ist wohl wahr, nicht jenes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-02-11T11:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-11T11:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-02-11T11:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/97
Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/97>, abgerufen am 21.11.2024.