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Adler, Alfred: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Berlin u. a., 1907.

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so häufig Mitglieder der gleichen Familie der gleichen Krankheit an-
heimfallen oder immer wieder den gleichen, meist künstlerischen Beruf
ergreifen. Ein drittes darf nicht übersehen werden, daß die Anomalie
vorhanden sein kann, ohne sich mit Krankheit oder Beruf zu verbinden,
sowie daß die Reflexfähigkeit trotz Krankheit oder Beruf normal er-
scheinen kann, aus Gründen, die wir schon öfters anführten, insbeson-
dere, weil sich die Minderwertigkeit des Organes anderswie oder an
anderer Stelle manifestieren kann. Vielleicht noch häufiger sind Zu-
sammenhänge der Gaumenreflexanomalien mit Magendarmerkrankungen
zu konstatieren. Vor allem scheint mir der Mangel des Gaumenreflexes,
seltener erhebliche Steigerung bis zum Verschwinden der Uvula, fast
regelmäßig an hysterische Manifestationen des Magendarmapparates,
zuweilen des Respirationstraktes geknüpft zu sein. Hysterisches Auf-
stoßen, Erbrechen, Singultus, Schreikrampf, Aphonie, das vielgestaltige
Bild der Magen- und Darmneurosen zeigen fast regelmäßig das Bild
der Gaumenreflexanomalie. Wenn die herrschende Auffassung den Mangel
des Gaumenreflexes als Verdachtsmoment für Hysterie ansieht, so ist
sie bis zu einem gewissen Grade im Recht, ebenso aber auch die Gegner,
weil, wie wir später sehen werden, die hysterischen Manifestationen
von anderen minderwertigen Organen ihren Ausgangspunkt nehmen
können, so daß die orale Zone dann als normal erscheint. Was or-
ganische Erkrankungen anlangt, so konnte ich mich überzeugen, daß zwi-
schen Appendizitis, Pseudoappendizitis, Ulcus rotundum, Gallensteinerkran-
kungen, Diabetes, Karzinom der Gallenblase, chronischer Obstipation,
Fettsucht, vielleicht auch chronischem Alkoholismus und unserer Reflex-
anomalie die gleichen Zusammenhänge gelten, wie sie zwischen Krank-
heit und Kinderfehlern oder zwischen Erkrankung und Stigma nach-
weisbar sind.

Ich kann nicht umhin, schon an dieser Stelle darauf zu verweisen,
wie groß die Verwandtschaft zwischen Reflexanomalie und Kinder-
fehlern ist. Beide sind funktionelle Anomalien am minderwertigen Or-
gan, die so lange währen können, bis ihnen durch kompensatorisches
Eingreifen des Zentralnervensystems, der Psyche, ein Ende bereitet
wird. Ferner ist die Erscheinungsweise vieler Kinderfehler nichts an-
deres als ein meist fortgesetzter gesteigerter Reflex. So der Blepharo-
spasmus, der seltenere Nystagmus, das Daumenlutschen und Lippen-
saugen (siehe Saugreflex), das Stottern, das Erbrechen, die Enuresis,
die Incontinentia alvi. Sie alle sind nicht von außen, sondern von innen
angeregt und stehen unter dem Impuls des Zentralnervensystems. Es
sind die abgeänderten Arbeitsweisen des minderwertigen

so häufig Mitglieder der gleichen Familie der gleichen Krankheit an-
heimfallen oder immer wieder den gleichen, meist künstlerischen Beruf
ergreifen. Ein drittes darf nicht übersehen werden, daß die Anomalie
vorhanden sein kann, ohne sich mit Krankheit oder Beruf zu verbinden,
sowie daß die Reflexfähigkeit trotz Krankheit oder Beruf normal er-
scheinen kann, aus Gründen, die wir schon öfters anführten, insbeson-
dere, weil sich die Minderwertigkeit des Organes anderswie oder an
anderer Stelle manifestieren kann. Vielleicht noch häufiger sind Zu-
sammenhänge der Gaumenreflexanomalien mit Magendarmerkrankungen
zu konstatieren. Vor allem scheint mir der Mangel des Gaumenreflexes,
seltener erhebliche Steigerung bis zum Verschwinden der Uvula, fast
regelmäßig an hysterische Manifestationen des Magendarmapparates,
zuweilen des Respirationstraktes geknüpft zu sein. Hysterisches Auf-
stoßen, Erbrechen, Singultus, Schreikrampf, Aphonie, das vielgestaltige
Bild der Magen- und Darmneurosen zeigen fast regelmäßig das Bild
der Gaumenreflexanomalie. Wenn die herrschende Auffassung den Mangel
des Gaumenreflexes als Verdachtsmoment für Hysterie ansieht, so ist
sie bis zu einem gewissen Grade im Recht, ebenso aber auch die Gegner,
weil, wie wir später sehen werden, die hysterischen Manifestationen
von anderen minderwertigen Organen ihren Ausgangspunkt nehmen
können, so daß die orale Zone dann als normal erscheint. Was or-
ganische Erkrankungen anlangt, so konnte ich mich überzeugen, daß zwi-
schen Appendizitis, Pseudoappendizitis, Ulcus rotundum, Gallensteinerkran-
kungen, Diabetes, Karzinom der Gallenblase, chronischer Obstipation,
Fettsucht, vielleicht auch chronischem Alkoholismus und unserer Reflex-
anomalie die gleichen Zusammenhänge gelten, wie sie zwischen Krank-
heit und Kinderfehlern oder zwischen Erkrankung und Stigma nach-
weisbar sind.

Ich kann nicht umhin, schon an dieser Stelle darauf zu verweisen,
wie groß die Verwandtschaft zwischen Reflexanomalie und Kinder-
fehlern ist. Beide sind funktionelle Anomalien am minderwertigen Or-
gan, die so lange währen können, bis ihnen durch kompensatorisches
Eingreifen des Zentralnervensystems, der Psyche, ein Ende bereitet
wird. Ferner ist die Erscheinungsweise vieler Kinderfehler nichts an-
deres als ein meist fortgesetzter gesteigerter Reflex. So der Blepharo-
spasmus, der seltenere Nystagmus, das Daumenlutschen und Lippen-
saugen (siehe Saugreflex), das Stottern, das Erbrechen, die Enuresis,
die Incontinentia alvi. Sie alle sind nicht von außen, sondern von innen
angeregt und stehen unter dem Impuls des Zentralnervensystems. Es
sind die abgeänderten Arbeitsweisen des minderwertigen

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[48/0060] so häufig Mitglieder der gleichen Familie der gleichen Krankheit an- heimfallen oder immer wieder den gleichen, meist künstlerischen Beruf ergreifen. Ein drittes darf nicht übersehen werden, daß die Anomalie vorhanden sein kann, ohne sich mit Krankheit oder Beruf zu verbinden, sowie daß die Reflexfähigkeit trotz Krankheit oder Beruf normal er- scheinen kann, aus Gründen, die wir schon öfters anführten, insbeson- dere, weil sich die Minderwertigkeit des Organes anderswie oder an anderer Stelle manifestieren kann. Vielleicht noch häufiger sind Zu- sammenhänge der Gaumenreflexanomalien mit Magendarmerkrankungen zu konstatieren. Vor allem scheint mir der Mangel des Gaumenreflexes, seltener erhebliche Steigerung bis zum Verschwinden der Uvula, fast regelmäßig an hysterische Manifestationen des Magendarmapparates, zuweilen des Respirationstraktes geknüpft zu sein. Hysterisches Auf- stoßen, Erbrechen, Singultus, Schreikrampf, Aphonie, das vielgestaltige Bild der Magen- und Darmneurosen zeigen fast regelmäßig das Bild der Gaumenreflexanomalie. Wenn die herrschende Auffassung den Mangel des Gaumenreflexes als Verdachtsmoment für Hysterie ansieht, so ist sie bis zu einem gewissen Grade im Recht, ebenso aber auch die Gegner, weil, wie wir später sehen werden, die hysterischen Manifestationen von anderen minderwertigen Organen ihren Ausgangspunkt nehmen können, so daß die orale Zone dann als normal erscheint. Was or- ganische Erkrankungen anlangt, so konnte ich mich überzeugen, daß zwi- schen Appendizitis, Pseudoappendizitis, Ulcus rotundum, Gallensteinerkran- kungen, Diabetes, Karzinom der Gallenblase, chronischer Obstipation, Fettsucht, vielleicht auch chronischem Alkoholismus und unserer Reflex- anomalie die gleichen Zusammenhänge gelten, wie sie zwischen Krank- heit und Kinderfehlern oder zwischen Erkrankung und Stigma nach- weisbar sind. Ich kann nicht umhin, schon an dieser Stelle darauf zu verweisen, wie groß die Verwandtschaft zwischen Reflexanomalie und Kinder- fehlern ist. Beide sind funktionelle Anomalien am minderwertigen Or- gan, die so lange währen können, bis ihnen durch kompensatorisches Eingreifen des Zentralnervensystems, der Psyche, ein Ende bereitet wird. Ferner ist die Erscheinungsweise vieler Kinderfehler nichts an- deres als ein meist fortgesetzter gesteigerter Reflex. So der Blepharo- spasmus, der seltenere Nystagmus, das Daumenlutschen und Lippen- saugen (siehe Saugreflex), das Stottern, das Erbrechen, die Enuresis, die Incontinentia alvi. Sie alle sind nicht von außen, sondern von innen angeregt und stehen unter dem Impuls des Zentralnervensystems. Es sind die abgeänderten Arbeitsweisen des minderwertigen

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Zitationshilfe: Adler, Alfred: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Berlin u. a., 1907, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_studie_1907/60>, abgerufen am 28.11.2024.