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[Albertinus, Aegidius]: Hiren schleifer. München, [1618].

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Hirnschleiffer.
dem Hundt Esopi den schatten vnd spricht:
non putaram, ich hette es nicht vermaint.
Mancher vermeinet es sey alles Goldt was
glantzet/ ist aber kaum Quecksilber. Mancher
vermeinet er habe ein raine Jungfraw ertapt/
ist aber ein lautere Fettel. Mancher ver-
meinet lang zu leben/ stirbt aber bald. Man-
cher vermeinet in seinem Todtbeth buß zu-
thun/ aber der gähe Todt vberfelt jhne/ vnnd
machet jhm vnuersehens den garauß: Er ver-
meint die ewige Seligkeit zubesitzen im Him-
mel/ wird aber in einem augenblick hinab zur
Höllen gezogen: o putaram oder non pu-
taram,
wie schedlich vnd spöttlich bist du/ dei-
nem Authori selbst vnd dem gantzen gemei-
nen wesen? O wie vil jrrthumb vnnd torhei-
ten werden durch die vnfürsichtigkeit täglich
in der Welt begangen/ vnnd zwar von den
allergrösten Herrn vnd gescheidesten Män-
nern/ in den allerwichtigsten sachen vnd fäl-
len: O vnfürsichtigkeit/ du bringest vns das
laid/ die schwere rew vnd das hertzliche seuff-
tzen/ welches die vnbesonnene Seelen in der
Höllen täglich verrichten vnd sprechen: Wie
seynd wir so torecht gewesen? wir haben

ge-

Hirnſchleiffer.
dem Hundt Eſopi den ſchatten vnd ſpricht:
non putaram, ich hette es nicht vermaint.
Mancher vermeinet es ſey alles Goldt was
glantzet/ iſt aber kaum Queckſilber. Mancher
vermeinet er habe ein raine Jungfraw ertapt/
iſt aber ein lautere Fettel. Mancher ver-
meinet lang zu leben/ ſtirbt aber bald. Man-
cher vermeinet in ſeinem Todtbeth buß zu-
thun/ aber der gaͤhe Todt vberfelt jhne/ vnnd
machet jhm vnuerſehens den garauß: Er ver-
meint die ewige Seligkeit zubeſitzen im Him-
mel/ wird aber in einem augenblick hinab zur
Hoͤllen gezogen: ô putaram oder non pu-
taram,
wie ſchedlich vnd ſpoͤttlich biſt du/ dei-
nem Authori ſelbſt vnď dem gantzen gemei-
nen weſen? O wie vil jrꝛthumb vnnd torhei-
ten werden durch die vnfuͤrſichtigkeit taͤglich
in der Welt begangen/ vnnd zwar von den
allergroͤſten Herꝛn vnd geſcheideſten Maͤn-
nern/ in den allerwichtigſten ſachen vnd faͤl-
len: O vnfuͤrſichtigkeit/ du bringeſt vns das
laid/ die ſchwere rew vnd das hertzliche ſeuff-
tzen/ welches die vnbeſonnene Seelen in der
Hoͤllen taͤglich verꝛichten vnd ſprechen: Wie
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[160/0176] Hirnſchleiffer. dem Hundt Eſopi den ſchatten vnd ſpricht: non putaram, ich hette es nicht vermaint. Mancher vermeinet es ſey alles Goldt was glantzet/ iſt aber kaum Queckſilber. Mancher vermeinet er habe ein raine Jungfraw ertapt/ iſt aber ein lautere Fettel. Mancher ver- meinet lang zu leben/ ſtirbt aber bald. Man- cher vermeinet in ſeinem Todtbeth buß zu- thun/ aber der gaͤhe Todt vberfelt jhne/ vnnd machet jhm vnuerſehens den garauß: Er ver- meint die ewige Seligkeit zubeſitzen im Him- mel/ wird aber in einem augenblick hinab zur Hoͤllen gezogen: ô putaram oder non pu- taram, wie ſchedlich vnd ſpoͤttlich biſt du/ dei- nem Authori ſelbſt vnď dem gantzen gemei- nen weſen? O wie vil jrꝛthumb vnnd torhei- ten werden durch die vnfuͤrſichtigkeit taͤglich in der Welt begangen/ vnnd zwar von den allergroͤſten Herꝛn vnd geſcheideſten Maͤn- nern/ in den allerwichtigſten ſachen vnd faͤl- len: O vnfuͤrſichtigkeit/ du bringeſt vns das laid/ die ſchwere rew vnd das hertzliche ſeuff- tzen/ welches die vnbeſonnene Seelen in der Hoͤllen taͤglich verꝛichten vnd ſprechen: Wie ſeynd wir ſo torecht geweſen? wir haben ge-

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Zitationshilfe: [Albertinus, Aegidius]: Hiren schleifer. München, [1618], S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/albertinus_hirnschleifer_1618/176>, abgerufen am 21.11.2024.