Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100.Sterbenden von ihren Schultern ab. Jch trat näher, -- Mit mehr Seelenangst, als vielleicht einem Sol- Sterbenden von ihren Schultern ab. Jch trat näher, — Mit mehr Seelenangſt, als vielleicht einem Sol- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0018"/> Sterbenden von ihren Schultern ab. Jch trat näher, —<lb/> und der Mond beleuchtete ***’s ſterbende Züge. Er<lb/> ſah mich noch einmal heftig an, drückte krampfhaft<lb/> meine Hand, öffnete den Mund, als wolle er ſprechen,<lb/> aber es war nur um den letzten Athem auszuhauchen.<lb/> Eh ich ihm eine Thräne weinen konnte, wurde ich<lb/> zu meinem Poſten abgerufen.</p><lb/> <p>Mit mehr Seelenangſt, als vielleicht einem Sol-<lb/> daten erlaubt iſt, wartete ich meine vier Stunden auf<lb/> dem einſamen Poſten ab. Regenwolken waren herüber-<lb/> gezogen, der Mond war untergegangen. Am Himmel<lb/> glänzte auch nicht ein einziger Stern, und ein kalter<lb/> Regen ſchien mir oft bis in die Adern zu dringen.<lb/> Wenn ſich ein Strauch bewegte, oder eine Feldmaus<lb/> an den Wurzeln nagte, war ich auf die furchtbare Er-<lb/> ſcheinung gefaßt, die mich wie meinen Freund ermor-<lb/> den wollte. Der blutende *** ſchwebte vorüber an<lb/> den über den Fluß getriebenen Wolken; er öffnete den<lb/> Mund und wollte ſprechen, aber die Wolke zerfloß beim<lb/> nächſten Windſtoß. Es war wie ausgemacht bei mir, daß<lb/> ihm der Terroriſt, — ſo nannte ich das Schreckbild — hin-<lb/> ter den Hecken den Todesſchuß verſetzt, weil *** mehr<lb/> von ihm wußte, als ihm lieb war; und dieſe Phanta-<lb/> ſie hat mich Jahre lang nicht verlaſſen, obgleich darü-<lb/> ber nie auch nur Wahrſcheinliches zu Tage gekommen<lb/> iſt. Jch hielt den Athem an und den Finger am<lb/><hi rendition="#right">Drük-</hi><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0018]
Sterbenden von ihren Schultern ab. Jch trat näher, —
und der Mond beleuchtete ***’s ſterbende Züge. Er
ſah mich noch einmal heftig an, drückte krampfhaft
meine Hand, öffnete den Mund, als wolle er ſprechen,
aber es war nur um den letzten Athem auszuhauchen.
Eh ich ihm eine Thräne weinen konnte, wurde ich
zu meinem Poſten abgerufen.
Mit mehr Seelenangſt, als vielleicht einem Sol-
daten erlaubt iſt, wartete ich meine vier Stunden auf
dem einſamen Poſten ab. Regenwolken waren herüber-
gezogen, der Mond war untergegangen. Am Himmel
glänzte auch nicht ein einziger Stern, und ein kalter
Regen ſchien mir oft bis in die Adern zu dringen.
Wenn ſich ein Strauch bewegte, oder eine Feldmaus
an den Wurzeln nagte, war ich auf die furchtbare Er-
ſcheinung gefaßt, die mich wie meinen Freund ermor-
den wollte. Der blutende *** ſchwebte vorüber an
den über den Fluß getriebenen Wolken; er öffnete den
Mund und wollte ſprechen, aber die Wolke zerfloß beim
nächſten Windſtoß. Es war wie ausgemacht bei mir, daß
ihm der Terroriſt, — ſo nannte ich das Schreckbild — hin-
ter den Hecken den Todesſchuß verſetzt, weil *** mehr
von ihm wußte, als ihm lieb war; und dieſe Phanta-
ſie hat mich Jahre lang nicht verlaſſen, obgleich darü-
ber nie auch nur Wahrſcheinliches zu Tage gekommen
iſt. Jch hielt den Athem an und den Finger am
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