Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100.

Bild:
<< vorherige Seite

gar einen Tauschhandel. Aber die Beiden schienen auf
etwas Anderes zu deuten. Mechanisch hatte ich meine
Büchse gesenkt und rief: "Halt, werda?" -- Der Of-
ficier lachte, und antwortete in gebrochnem Deutsch:
"Du siehst ja wer! Fürcht' Dich nix, Jägerlein!" --
Jch erwiederte mit möglichst barschem Tone: "O nein, ich
fürchte Niemand." -- "Und ich auch nicht," fuhr er mit
ernsterer Stimme französisch fort, "denn wohl bewahrt
liegt drinnen mehr geschrieben, als mein Mund verra-
then kann. Aber laß auch Dein Gewehr herunter.
Jch rede nicht gern, wenn mir die off'ne Mündung
zugekehrt ist." --

Jch gehorchte ohne zu wissen warum, seinem Be-
fehle. "Du kennst mich doch?" fragte er von Neuem.
"Warum nicht?" erwiederte ich, als gehöre hier eine
kecke Bejahung mit zur Ehre der preußischen Schild-
wacht. Darauf fuhr er mit drohender Stimme fort:
"Nun so sage ihm, wenn er in Zeit eines Monats
nicht vierzig tausend Franken zahlt, so -- nun er wird
mich versteh'n. Sage ihm, ich hielte Wort. Sage
ihm, daß mich eine Flintenkugel nicht stumm kann ma-
chen, denn ich habe zehn Zungen die länger als ich
leben. Erst wenn er sie baar zahlte, wollte ich die
Briefe in seiner Gegenwart vernichten. Sage ihm,
daß Zeiten in Frankreich kommen werden, wo die bra-
ven Leute theuer werden, und er einen Mann mit

gar einen Tauſchhandel. Aber die Beiden ſchienen auf
etwas Anderes zu deuten. Mechaniſch hatte ich meine
Büchſe geſenkt und rief: „Halt, werda?“ — Der Of-
ficier lachte, und antwortete in gebrochnem Deutſch:
„Du ſiehſt ja wer! Fürcht’ Dich nix, Jägerlein!“ —
Jch erwiederte mit möglichſt barſchem Tone: „O nein, ich
fürchte Niemand.“ — „Und ich auch nicht,“ fuhr er mit
ernſterer Stimme franzöſiſch fort, „denn wohl bewahrt
liegt drinnen mehr geſchrieben, als mein Mund verra-
then kann. Aber laß auch Dein Gewehr herunter.
Jch rede nicht gern, wenn mir die off’ne Mündung
zugekehrt iſt.“ —

Jch gehorchte ohne zu wiſſen warum, ſeinem Be-
fehle. „Du kennſt mich doch?“ fragte er von Neuem.
„Warum nicht?“ erwiederte ich, als gehöre hier eine
kecke Bejahung mit zur Ehre der preußiſchen Schild-
wacht. Darauf fuhr er mit drohender Stimme fort:
„Nun ſo ſage ihm, wenn er in Zeit eines Monats
nicht vierzig tauſend Franken zahlt, ſo — nun er wird
mich verſteh’n. Sage ihm, ich hielte Wort. Sage
ihm, daß mich eine Flintenkugel nicht ſtumm kann ma-
chen, denn ich habe zehn Zungen die länger als ich
leben. Erſt wenn er ſie baar zahlte, wollte ich die
Briefe in ſeiner Gegenwart vernichten. Sage ihm,
daß Zeiten in Frankreich kommen werden, wo die bra-
ven Leute theuer werden, und er einen Mann mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0041"/>
gar einen Tau&#x017F;chhandel. Aber die Beiden &#x017F;chienen auf<lb/>
etwas Anderes zu deuten. Mechani&#x017F;ch hatte ich meine<lb/>
Büch&#x017F;e ge&#x017F;enkt und rief: &#x201E;Halt, werda?&#x201C; &#x2014; Der Of-<lb/>
ficier lachte, und antwortete in gebrochnem Deut&#x017F;ch:<lb/>
&#x201E;Du &#x017F;ieh&#x017F;t ja wer! Fürcht&#x2019; Dich nix, Jägerlein!&#x201C; &#x2014;<lb/>
Jch erwiederte mit möglich&#x017F;t bar&#x017F;chem Tone: &#x201E;O nein, ich<lb/>
fürchte Niemand.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Und ich auch nicht,&#x201C; fuhr er mit<lb/>
ern&#x017F;terer Stimme franzö&#x017F;i&#x017F;ch fort, &#x201E;denn wohl bewahrt<lb/>
liegt drinnen mehr ge&#x017F;chrieben, als mein Mund verra-<lb/>
then kann. Aber laß auch Dein Gewehr herunter.<lb/>
Jch rede nicht gern, wenn mir die off&#x2019;ne Mündung<lb/>
zugekehrt i&#x017F;t.&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Jch gehorchte ohne zu wi&#x017F;&#x017F;en warum, &#x017F;einem Be-<lb/>
fehle. &#x201E;Du kenn&#x017F;t mich doch?&#x201C; fragte er von Neuem.<lb/>
&#x201E;Warum nicht?&#x201C; erwiederte ich, als gehöre hier eine<lb/>
kecke Bejahung mit zur Ehre der preußi&#x017F;chen Schild-<lb/>
wacht. Darauf fuhr er mit drohender Stimme fort:<lb/>
&#x201E;Nun &#x017F;o &#x017F;age ihm, wenn er in Zeit eines Monats<lb/>
nicht vierzig tau&#x017F;end Franken zahlt, &#x017F;o &#x2014; nun er wird<lb/>
mich ver&#x017F;teh&#x2019;n. Sage ihm, ich hielte Wort. Sage<lb/>
ihm, daß mich eine Flintenkugel nicht &#x017F;tumm kann ma-<lb/>
chen, denn ich habe zehn Zungen die länger als ich<lb/>
leben. Er&#x017F;t wenn er &#x017F;ie baar zahlte, wollte ich die<lb/>
Briefe in &#x017F;einer Gegenwart vernichten. Sage ihm,<lb/>
daß Zeiten in Frankreich kommen werden, wo die bra-<lb/>
ven Leute theuer werden, und er einen Mann mit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0041] gar einen Tauſchhandel. Aber die Beiden ſchienen auf etwas Anderes zu deuten. Mechaniſch hatte ich meine Büchſe geſenkt und rief: „Halt, werda?“ — Der Of- ficier lachte, und antwortete in gebrochnem Deutſch: „Du ſiehſt ja wer! Fürcht’ Dich nix, Jägerlein!“ — Jch erwiederte mit möglichſt barſchem Tone: „O nein, ich fürchte Niemand.“ — „Und ich auch nicht,“ fuhr er mit ernſterer Stimme franzöſiſch fort, „denn wohl bewahrt liegt drinnen mehr geſchrieben, als mein Mund verra- then kann. Aber laß auch Dein Gewehr herunter. Jch rede nicht gern, wenn mir die off’ne Mündung zugekehrt iſt.“ — Jch gehorchte ohne zu wiſſen warum, ſeinem Be- fehle. „Du kennſt mich doch?“ fragte er von Neuem. „Warum nicht?“ erwiederte ich, als gehöre hier eine kecke Bejahung mit zur Ehre der preußiſchen Schild- wacht. Darauf fuhr er mit drohender Stimme fort: „Nun ſo ſage ihm, wenn er in Zeit eines Monats nicht vierzig tauſend Franken zahlt, ſo — nun er wird mich verſteh’n. Sage ihm, ich hielte Wort. Sage ihm, daß mich eine Flintenkugel nicht ſtumm kann ma- chen, denn ich habe zehn Zungen die länger als ich leben. Erſt wenn er ſie baar zahlte, wollte ich die Briefe in ſeiner Gegenwart vernichten. Sage ihm, daß Zeiten in Frankreich kommen werden, wo die bra- ven Leute theuer werden, und er einen Mann mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Andreas Hungeling / https://www.stimm-los.de/: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-07-16T12:57:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-07-16T12:57:05Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/41
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/41>, abgerufen am 28.03.2024.