Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100.Perüke und alter Kleidung, stützte sich auf einen zer- "Es ist mein Vater," sprach sie unaufgefordert "Ein schönes Gemälde, voll Würde und hohem "Ganz wie er im Leben gewesen. Er sieht pro- "Jhr Vater, mein Fräulein, war beim Ausbruch "Nein! das war er nicht!" rief sie mit erhöhter Perüke und alter Kleidung, ſtützte ſich auf einen zer- „Es iſt mein Vater,“ ſprach ſie unaufgefordert „Ein ſchönes Gemälde, voll Würde und hohem „Ganz wie er im Leben geweſen. Er ſieht pro- „Jhr Vater, mein Fräulein, war beim Ausbruch „Nein! das war er nicht!“ rief ſie mit erhöhter <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0064"/> Perüke und alter Kleidung, ſtützte ſich auf einen zer-<lb/> brochenen Baumſtamm, und ſah mit trübem Blick auf<lb/> den von Dampf, Nebel und Flamme erfüllten Hinter-<lb/> grund zurück. Als ich mich umwandte, ſtand eine rei-<lb/> zende weibliche Geſtalt mir zur Seite. Jhr ſchöner<lb/> hoher Wuchs vereinte franzöſiſche Anmuth mit deut-<lb/> ſcher Würde, während auf ihrem Geſichte das Feuer<lb/> einer heitern Jugend durch tiefen Schmerz gedämpft<lb/> ſchien.</p><lb/> <p>„Es iſt mein Vater,“ ſprach ſie unaufgefordert<lb/> mit ſanfter Stimme, die aber doch den Stolz, dies<lb/> ſagen zu dürfen, verrieth.</p><lb/> <p>„Ein ſchönes Gemälde, voll Würde und hohem<lb/> Ausdruck,“ entgegnete ich.</p><lb/> <p>„Ganz wie er im Leben geweſen. Er ſieht pro-<lb/> phetiſch auf die Zeiten hin, welche für ſein Vaterland<lb/> und für ihn kommen ſollten. Der melancholiſche Ma-<lb/> ler ſah ſchon ſo trübe voraus, als noch mein Vater<lb/> heiter war. Darum läßt er ihn auf einem zerbroch’-<lb/> nen Baumſtamm ſich ſtützen.“</p><lb/> <p>„Jhr Vater, mein Fräulein, war beim Ausbruch<lb/> der Revolution emigrirt?“</p><lb/> <p>„Nein! das war er nicht!“ rief ſie mit erhöhter<lb/> Stimme, indem ihre Wangen glühten, — „mein Va-<lb/> ter iſt nicht emigrirt. Er ſtand mit allen Edlen ſei-<lb/> ner Nation, um für die Freiheit zu kämpfen, bis der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0064]
Perüke und alter Kleidung, ſtützte ſich auf einen zer-
brochenen Baumſtamm, und ſah mit trübem Blick auf
den von Dampf, Nebel und Flamme erfüllten Hinter-
grund zurück. Als ich mich umwandte, ſtand eine rei-
zende weibliche Geſtalt mir zur Seite. Jhr ſchöner
hoher Wuchs vereinte franzöſiſche Anmuth mit deut-
ſcher Würde, während auf ihrem Geſichte das Feuer
einer heitern Jugend durch tiefen Schmerz gedämpft
ſchien.
„Es iſt mein Vater,“ ſprach ſie unaufgefordert
mit ſanfter Stimme, die aber doch den Stolz, dies
ſagen zu dürfen, verrieth.
„Ein ſchönes Gemälde, voll Würde und hohem
Ausdruck,“ entgegnete ich.
„Ganz wie er im Leben geweſen. Er ſieht pro-
phetiſch auf die Zeiten hin, welche für ſein Vaterland
und für ihn kommen ſollten. Der melancholiſche Ma-
ler ſah ſchon ſo trübe voraus, als noch mein Vater
heiter war. Darum läßt er ihn auf einem zerbroch’-
nen Baumſtamm ſich ſtützen.“
„Jhr Vater, mein Fräulein, war beim Ausbruch
der Revolution emigrirt?“
„Nein! das war er nicht!“ rief ſie mit erhöhter
Stimme, indem ihre Wangen glühten, — „mein Va-
ter iſt nicht emigrirt. Er ſtand mit allen Edlen ſei-
ner Nation, um für die Freiheit zu kämpfen, bis der
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