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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100.

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Vaters Tochter zu heißen." -- Der Capitain erwiederte
in gleichem Tone: "Das nehm' ich allein auf mich.
Jhr Vater ist mein Vater."

Hier könnte ich aufhören: meine Geschichte ist zu
Ende. Weder habe ich mehr in Erfahrung gebracht
von dem Vergangenen, noch erfuhr ich von dem, was
darauf folgte, anders als durch Hörensagen. Wir trenn-
ten uns am Ufer der Maas, und ich sah Adelaiden
und Delabelle nicht wieder. Aber nie vergesse ich die-
sen Anblick, nie die letzte Scene zwischen uns, in welcher
ich in den Augen mancher Leser keine glänzende Rolle
gespielt habe. Aber gern verschwinde ich aus dieser Er-
zählung, wo es mein letzter Zweck gewesen, mich als
Helden, wie ihn der Roman verlangt, hinzustellen, wenn
nicht eben der Romanheld die allerbescheidenste Aufgabe
hätte, nichts zu seyn als der äußere Faden für die
Begebenheiten.

Die Sonne brach hervor durch einen zerrissenen
Himmel. Die grauen Felskuppen rötheten sich tiefer
und tiefer; endlich schien der Morgenstrahl auf das
Paar. Jch sah sie schweigend stehn, getrennt von dem
Leichnam; über ihm reichten sie sich die Hände. Es
war ein stiller Schwur, ein Gelöbniß, nicht wie eines
christlichen Brautpaars: wie zwei aus dem Alterthum,
die sich vor den Göttern zum Tode weihen, lagen ihre
Hände in einander. Bewundern konnte man die Ruhe,

Vaters Tochter zu heißen.“ — Der Capitain erwiederte
in gleichem Tone: „Das nehm’ ich allein auf mich.
Jhr Vater iſt mein Vater.“

Hier könnte ich aufhören: meine Geſchichte iſt zu
Ende. Weder habe ich mehr in Erfahrung gebracht
von dem Vergangenen, noch erfuhr ich von dem, was
darauf folgte, anders als durch Hörenſagen. Wir trenn-
ten uns am Ufer der Maas, und ich ſah Adelaiden
und Delabelle nicht wieder. Aber nie vergeſſe ich die-
ſen Anblick, nie die letzte Scene zwiſchen uns, in welcher
ich in den Augen mancher Leſer keine glänzende Rolle
geſpielt habe. Aber gern verſchwinde ich aus dieſer Er-
zählung, wo es mein letzter Zweck geweſen, mich als
Helden, wie ihn der Roman verlangt, hinzuſtellen, wenn
nicht eben der Romanheld die allerbeſcheidenſte Aufgabe
hätte, nichts zu ſeyn als der äußere Faden für die
Begebenheiten.

Die Sonne brach hervor durch einen zerriſſenen
Himmel. Die grauen Felskuppen rötheten ſich tiefer
und tiefer; endlich ſchien der Morgenſtrahl auf das
Paar. Jch ſah ſie ſchweigend ſtehn, getrennt von dem
Leichnam; über ihm reichten ſie ſich die Hände. Es
war ein ſtiller Schwur, ein Gelöbniß, nicht wie eines
chriſtlichen Brautpaars: wie zwei aus dem Alterthum,
die ſich vor den Göttern zum Tode weihen, lagen ihre
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[0099] Vaters Tochter zu heißen.“ — Der Capitain erwiederte in gleichem Tone: „Das nehm’ ich allein auf mich. Jhr Vater iſt mein Vater.“ Hier könnte ich aufhören: meine Geſchichte iſt zu Ende. Weder habe ich mehr in Erfahrung gebracht von dem Vergangenen, noch erfuhr ich von dem, was darauf folgte, anders als durch Hörenſagen. Wir trenn- ten uns am Ufer der Maas, und ich ſah Adelaiden und Delabelle nicht wieder. Aber nie vergeſſe ich die- ſen Anblick, nie die letzte Scene zwiſchen uns, in welcher ich in den Augen mancher Leſer keine glänzende Rolle geſpielt habe. Aber gern verſchwinde ich aus dieſer Er- zählung, wo es mein letzter Zweck geweſen, mich als Helden, wie ihn der Roman verlangt, hinzuſtellen, wenn nicht eben der Romanheld die allerbeſcheidenſte Aufgabe hätte, nichts zu ſeyn als der äußere Faden für die Begebenheiten. Die Sonne brach hervor durch einen zerriſſenen Himmel. Die grauen Felskuppen rötheten ſich tiefer und tiefer; endlich ſchien der Morgenſtrahl auf das Paar. Jch ſah ſie ſchweigend ſtehn, getrennt von dem Leichnam; über ihm reichten ſie ſich die Hände. Es war ein ſtiller Schwur, ein Gelöbniß, nicht wie eines chriſtlichen Brautpaars: wie zwei aus dem Alterthum, die ſich vor den Göttern zum Tode weihen, lagen ihre Hände in einander. Bewundern konnte man die Ruhe,

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/99>, abgerufen am 23.04.2024.