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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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war das ein charmanter Mann, und sagte: "Unglück¬
lichen helfen ist Christenpflicht!" Und die Frau Pre¬
digerin und ihre Töchter. Es ward uns heut Mor¬
gen recht schwer uns von ihnen zu trennen, und die
Töchter und meine Nichten, die konnten gar nicht
von einander los und haben Brüderschaft getrunken.
In Himbeersaft nämlich. Gott bewahre, daß Sie
denken sollten in Wein! Die Herren Prediger auf
dem Lande haben auch wohl immer einen Weinkeller!
Lieber Gott, sie sind recht schlecht gestellt. Ja, wenn
man so über alle Ungerechtigkeit in der Welt nach¬
denken wollte! Aber ein Mann wie ein Mann Gottes!
An den Augen sah er uns alles ab. Und wie wir
heut schon im Wagen saßen, brachten sie der Jülli
und der Caroline die Vergißmeinnichtsträuße, die sie
am Herzen tragen. Sage ich doch, man findet in
der Welt überall gute Menschen, und wo man gute
Menschen findet, ist die Welt gut. Wir werden uns
auch wiedersehen, und vielleicht sehr bald. Denn der
Herr Prediger hat vom Könige eine Vocation nach
Berlin. Der König hat ihn mal predigen gehört,
wo war es doch, -- auf einem Schlosse, und hat
gesagt: das ist ein Mann, der zum Herzen predigt,
solche Prediger möchte ich in meiner Residenz haben,
die nicht das Wort Gottes auslegen, wie's ihnen
gefällt, sondern wie's in der Bibel steht. Ja wir
haben schon einen frommen König, der alle Menschen
glücklich machen will, und der vorige hatte auch ein
frommes Gemüth, wer ihn nur gekannt hatte, und

war das ein charmanter Mann, und ſagte: „Unglück¬
lichen helfen iſt Chriſtenpflicht!“ Und die Frau Pre¬
digerin und ihre Töchter. Es ward uns heut Mor¬
gen recht ſchwer uns von ihnen zu trennen, und die
Töchter und meine Nichten, die konnten gar nicht
von einander los und haben Brüderſchaft getrunken.
In Himbeerſaft nämlich. Gott bewahre, daß Sie
denken ſollten in Wein! Die Herren Prediger auf
dem Lande haben auch wohl immer einen Weinkeller!
Lieber Gott, ſie ſind recht ſchlecht geſtellt. Ja, wenn
man ſo über alle Ungerechtigkeit in der Welt nach¬
denken wollte! Aber ein Mann wie ein Mann Gottes!
An den Augen ſah er uns alles ab. Und wie wir
heut ſchon im Wagen ſaßen, brachten ſie der Jülli
und der Caroline die Vergißmeinnichtſträuße, die ſie
am Herzen tragen. Sage ich doch, man findet in
der Welt überall gute Menſchen, und wo man gute
Menſchen findet, iſt die Welt gut. Wir werden uns
auch wiederſehen, und vielleicht ſehr bald. Denn der
Herr Prediger hat vom Könige eine Vocation nach
Berlin. Der König hat ihn mal predigen gehört,
wo war es doch, — auf einem Schloſſe, und hat
geſagt: das iſt ein Mann, der zum Herzen predigt,
ſolche Prediger möchte ich in meiner Reſidenz haben,
die nicht das Wort Gottes auslegen, wie's ihnen
gefällt, ſondern wie's in der Bibel ſteht. Ja wir
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[151/0165] war das ein charmanter Mann, und ſagte: „Unglück¬ lichen helfen iſt Chriſtenpflicht!“ Und die Frau Pre¬ digerin und ihre Töchter. Es ward uns heut Mor¬ gen recht ſchwer uns von ihnen zu trennen, und die Töchter und meine Nichten, die konnten gar nicht von einander los und haben Brüderſchaft getrunken. In Himbeerſaft nämlich. Gott bewahre, daß Sie denken ſollten in Wein! Die Herren Prediger auf dem Lande haben auch wohl immer einen Weinkeller! Lieber Gott, ſie ſind recht ſchlecht geſtellt. Ja, wenn man ſo über alle Ungerechtigkeit in der Welt nach¬ denken wollte! Aber ein Mann wie ein Mann Gottes! An den Augen ſah er uns alles ab. Und wie wir heut ſchon im Wagen ſaßen, brachten ſie der Jülli und der Caroline die Vergißmeinnichtſträuße, die ſie am Herzen tragen. Sage ich doch, man findet in der Welt überall gute Menſchen, und wo man gute Menſchen findet, iſt die Welt gut. Wir werden uns auch wiederſehen, und vielleicht ſehr bald. Denn der Herr Prediger hat vom Könige eine Vocation nach Berlin. Der König hat ihn mal predigen gehört, wo war es doch, — auf einem Schloſſe, und hat geſagt: das iſt ein Mann, der zum Herzen predigt, ſolche Prediger möchte ich in meiner Reſidenz haben, die nicht das Wort Gottes auslegen, wie's ihnen gefällt, ſondern wie's in der Bibel ſteht. Ja wir haben ſchon einen frommen König, der alle Menſchen glücklich machen will, und der vorige hatte auch ein frommes Gemüth, wer ihn nur gekannt hatte, und

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/165>, abgerufen am 21.11.2024.