darum. Darunter hing eine andere Schilderei, eine Urne, mit einer Trauerweide. Ein Genius senkte eine Fackel. Das Bild war auf Pappe gezogen, und wenn man näher hinzusah, bemerkte man, daß in der Urne ein Medaillon angebracht war, in welchem ei¬ nige blonde Haare zu einem Namenszuge sich ver¬ schlangen. Der Geheimerath nahm es heraus und drückte es an seine Lippen.
"O du Unvergeßliche! sagte er, noch einmal mit dem Tuch über die Augen fahrend. Sein Zorn war gewichen; in weicherem Tone fuhr er fort: Aber Charlotte, wie oft habe ich Ihr gesagt, Sie soll mich nicht immer daran erinnern. Ein Mann in meiner Stellung darf sich nicht den Gefühlen hingeben. Aber Sie weiß das wohl, Sie braucht mich nur an die selige Gute zu erinnern, so tritt mir's in die Augen. Sie führt sich auf, als wenn Sie die Hausfrau wäre -- und ist doch nur eine -- Sie ist eine --"
Dem Geheimerath war jetzt wirklich etwas in die Augen getreten, was er daraus fortzuwischen suchte, und darüber in Heftigkeit gerieth. Es war der dicke Staub aus der Schilderei, als er das Me¬ daillon mit Gewalt wieder in seine Umfassung zu drücken bemüht war. Je mehr er im Aerger drauf schlug, so dichter puderte es ihm um's Gesicht. "Aus dem Haus muß Sie, daß Sie's weiß," schloß er, mit den Augen beschäftigt, aus denen jetzt wirkliche Thränen, aber nicht der Rührung, sich preßten.
"Ja, Herr Geheimerath, das werde ich auch,
1*
darum. Darunter hing eine andere Schilderei, eine Urne, mit einer Trauerweide. Ein Genius ſenkte eine Fackel. Das Bild war auf Pappe gezogen, und wenn man näher hinzuſah, bemerkte man, daß in der Urne ein Medaillon angebracht war, in welchem ei¬ nige blonde Haare zu einem Namenszuge ſich ver¬ ſchlangen. Der Geheimerath nahm es heraus und drückte es an ſeine Lippen.
„O du Unvergeßliche! ſagte er, noch einmal mit dem Tuch über die Augen fahrend. Sein Zorn war gewichen; in weicherem Tone fuhr er fort: Aber Charlotte, wie oft habe ich Ihr geſagt, Sie ſoll mich nicht immer daran erinnern. Ein Mann in meiner Stellung darf ſich nicht den Gefühlen hingeben. Aber Sie weiß das wohl, Sie braucht mich nur an die ſelige Gute zu erinnern, ſo tritt mir's in die Augen. Sie führt ſich auf, als wenn Sie die Hausfrau wäre — und iſt doch nur eine — Sie iſt eine —“
Dem Geheimerath war jetzt wirklich etwas in die Augen getreten, was er daraus fortzuwiſchen ſuchte, und darüber in Heftigkeit gerieth. Es war der dicke Staub aus der Schilderei, als er das Me¬ daillon mit Gewalt wieder in ſeine Umfaſſung zu drücken bemüht war. Je mehr er im Aerger drauf ſchlug, ſo dichter puderte es ihm um's Geſicht. „Aus dem Haus muß Sie, daß Sie's weiß,“ ſchloß er, mit den Augen beſchäftigt, aus denen jetzt wirkliche Thränen, aber nicht der Rührung, ſich preßten.
„Ja, Herr Geheimerath, das werde ich auch,
1*
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0017"n="3"/>
darum. Darunter hing eine andere Schilderei, eine<lb/>
Urne, mit einer Trauerweide. Ein Genius ſenkte<lb/>
eine Fackel. Das Bild war auf Pappe gezogen, und<lb/>
wenn man näher hinzuſah, bemerkte man, daß in der<lb/>
Urne ein Medaillon angebracht war, in welchem ei¬<lb/>
nige blonde Haare zu einem Namenszuge ſich ver¬<lb/>ſchlangen. Der Geheimerath nahm es heraus und<lb/>
drückte es an ſeine Lippen.</p><lb/><p>„O du Unvergeßliche! ſagte er, noch einmal mit<lb/>
dem Tuch über die Augen fahrend. Sein Zorn war<lb/>
gewichen; in weicherem Tone fuhr er fort: Aber<lb/>
Charlotte, wie oft habe ich Ihr geſagt, Sie ſoll mich<lb/>
nicht immer daran erinnern. Ein Mann in meiner<lb/>
Stellung darf ſich nicht den Gefühlen hingeben. Aber<lb/>
Sie weiß das wohl, Sie braucht mich nur an die<lb/>ſelige Gute zu erinnern, ſo tritt mir's in die Augen.<lb/>
Sie führt ſich auf, als wenn Sie die Hausfrau wäre<lb/>— und iſt doch nur eine — Sie iſt eine —“</p><lb/><p>Dem Geheimerath war jetzt wirklich etwas in<lb/>
die Augen getreten, was er daraus fortzuwiſchen<lb/>ſuchte, und darüber in Heftigkeit gerieth. Es war<lb/>
der dicke Staub aus der Schilderei, als er das Me¬<lb/>
daillon mit Gewalt wieder in ſeine Umfaſſung zu<lb/>
drücken bemüht war. Je mehr er im Aerger drauf<lb/>ſchlug, ſo dichter puderte es ihm um's Geſicht. „Aus<lb/>
dem Haus muß Sie, daß Sie's weiß,“ſchloß er,<lb/>
mit den Augen beſchäftigt, aus denen jetzt wirkliche<lb/>
Thränen, aber nicht der Rührung, ſich preßten.</p><lb/><p>„Ja, Herr Geheimerath, das werde ich auch,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">1*<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[3/0017]
darum. Darunter hing eine andere Schilderei, eine
Urne, mit einer Trauerweide. Ein Genius ſenkte
eine Fackel. Das Bild war auf Pappe gezogen, und
wenn man näher hinzuſah, bemerkte man, daß in der
Urne ein Medaillon angebracht war, in welchem ei¬
nige blonde Haare zu einem Namenszuge ſich ver¬
ſchlangen. Der Geheimerath nahm es heraus und
drückte es an ſeine Lippen.
„O du Unvergeßliche! ſagte er, noch einmal mit
dem Tuch über die Augen fahrend. Sein Zorn war
gewichen; in weicherem Tone fuhr er fort: Aber
Charlotte, wie oft habe ich Ihr geſagt, Sie ſoll mich
nicht immer daran erinnern. Ein Mann in meiner
Stellung darf ſich nicht den Gefühlen hingeben. Aber
Sie weiß das wohl, Sie braucht mich nur an die
ſelige Gute zu erinnern, ſo tritt mir's in die Augen.
Sie führt ſich auf, als wenn Sie die Hausfrau wäre
— und iſt doch nur eine — Sie iſt eine —“
Dem Geheimerath war jetzt wirklich etwas in
die Augen getreten, was er daraus fortzuwiſchen
ſuchte, und darüber in Heftigkeit gerieth. Es war
der dicke Staub aus der Schilderei, als er das Me¬
daillon mit Gewalt wieder in ſeine Umfaſſung zu
drücken bemüht war. Je mehr er im Aerger drauf
ſchlug, ſo dichter puderte es ihm um's Geſicht. „Aus
dem Haus muß Sie, daß Sie's weiß,“ ſchloß er,
mit den Augen beſchäftigt, aus denen jetzt wirkliche
Thränen, aber nicht der Rührung, ſich preßten.
„Ja, Herr Geheimerath, das werde ich auch,
1*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/17>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.