Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

die Predigerstöchter stürzten mit Euch nach der Schenke,
das sind gute Mädchen, aber wilde Hummeln. Nein,
Mamsell Adelheid ist ein sittsam Kind, wie es sein
muß, die ihren Eltern Freude macht. Der könnt Ihr
Vieles absehn. Seht nur, wie sie ganz roth wird.
Ach, wenn Ihr auch noch so roth werden könntet!"

Die Mädchen senkten die Köpfe. Adelheid war
schnell zwischen beide gesprungen und umfaßte sie
traulich, sie sollten nicht drauf hören. Die Tante
scherze nur. Sie selbst wäre auch manchmal eine
wilde Hummel und würde auch recht gern die Seil¬
tänzer sehen, aber es wäre auch sonst viel hübsches
im Dorf und im Freien, was sie zusammen besehn
könnten, und sie hoffte, daß sie noch hier bleiben, und
die Tante ihnen erlaube, mit ihr spazieren zu gehen.
Dabei könnten sie plaudern, singen, Blumen pflücken,
und Kränze winden. Vor allem aber würde sie sich
freuen, wenn sie ihr von Leipzig erzählen wollten
und den tausend schönen Sachen, die sie da gesehen.
Das wären alles Wunderdinge für sie, denn sie sei
noch mit keinem Fuß aus Berlin gewesen. Papa
und Mama hätten wohl davon gesprochen einmal eine
Reise nach Potsdam zu machen, aber es sei immer
was dazwischen gekommen, und sie glaube auch gar
nicht, daß es noch dahin kommen werde, denn der
Gedanke sei doch gar zu schön.

Die Obristin sagte, Mamsell Adelheid sei ein
prächtiges Mädchen und ihre Eltern würden viele
Freude an ihr erleben, und um der guten Gesellschaft

die Predigerstöchter ſtürzten mit Euch nach der Schenke,
das ſind gute Mädchen, aber wilde Hummeln. Nein,
Mamſell Adelheid iſt ein ſittſam Kind, wie es ſein
muß, die ihren Eltern Freude macht. Der könnt Ihr
Vieles abſehn. Seht nur, wie ſie ganz roth wird.
Ach, wenn Ihr auch noch ſo roth werden könntet!“

Die Mädchen ſenkten die Köpfe. Adelheid war
ſchnell zwiſchen beide geſprungen und umfaßte ſie
traulich, ſie ſollten nicht drauf hören. Die Tante
ſcherze nur. Sie ſelbſt wäre auch manchmal eine
wilde Hummel und würde auch recht gern die Seil¬
tänzer ſehen, aber es wäre auch ſonſt viel hübſches
im Dorf und im Freien, was ſie zuſammen beſehn
könnten, und ſie hoffte, daß ſie noch hier bleiben, und
die Tante ihnen erlaube, mit ihr ſpazieren zu gehen.
Dabei könnten ſie plaudern, ſingen, Blumen pflücken,
und Kränze winden. Vor allem aber würde ſie ſich
freuen, wenn ſie ihr von Leipzig erzählen wollten
und den tauſend ſchönen Sachen, die ſie da geſehen.
Das wären alles Wunderdinge für ſie, denn ſie ſei
noch mit keinem Fuß aus Berlin geweſen. Papa
und Mama hätten wohl davon geſprochen einmal eine
Reiſe nach Potsdam zu machen, aber es ſei immer
was dazwiſchen gekommen, und ſie glaube auch gar
nicht, daß es noch dahin kommen werde, denn der
Gedanke ſei doch gar zu ſchön.

Die Obriſtin ſagte, Mamſell Adelheid ſei ein
prächtiges Mädchen und ihre Eltern würden viele
Freude an ihr erleben, und um der guten Geſellſchaft

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0172" n="158"/>
die Predigerstöchter &#x017F;türzten mit Euch nach der Schenke,<lb/>
das &#x017F;ind gute Mädchen, aber wilde Hummeln. Nein,<lb/>
Mam&#x017F;ell Adelheid i&#x017F;t ein &#x017F;itt&#x017F;am Kind, wie es &#x017F;ein<lb/>
muß, die ihren Eltern Freude macht. Der könnt Ihr<lb/>
Vieles ab&#x017F;ehn. Seht nur, wie &#x017F;ie ganz roth wird.<lb/>
Ach, wenn Ihr auch noch &#x017F;o roth werden könntet!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Mädchen &#x017F;enkten die Köpfe. Adelheid war<lb/>
&#x017F;chnell zwi&#x017F;chen beide ge&#x017F;prungen und umfaßte &#x017F;ie<lb/>
traulich, &#x017F;ie &#x017F;ollten nicht drauf hören. Die Tante<lb/>
&#x017F;cherze nur. Sie &#x017F;elb&#x017F;t wäre auch manchmal eine<lb/>
wilde Hummel und würde auch recht gern die Seil¬<lb/>
tänzer &#x017F;ehen, aber es wäre auch &#x017F;on&#x017F;t viel hüb&#x017F;ches<lb/>
im Dorf und im Freien, was &#x017F;ie zu&#x017F;ammen be&#x017F;ehn<lb/>
könnten, und &#x017F;ie hoffte, daß &#x017F;ie noch hier bleiben, und<lb/>
die Tante ihnen erlaube, mit ihr &#x017F;pazieren zu gehen.<lb/>
Dabei könnten &#x017F;ie plaudern, &#x017F;ingen, Blumen pflücken,<lb/>
und Kränze winden. Vor allem aber würde &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
freuen, wenn &#x017F;ie ihr von Leipzig erzählen wollten<lb/>
und den tau&#x017F;end &#x017F;chönen Sachen, die &#x017F;ie da ge&#x017F;ehen.<lb/>
Das wären alles Wunderdinge für &#x017F;ie, denn &#x017F;ie &#x017F;ei<lb/>
noch mit keinem Fuß aus Berlin gewe&#x017F;en. Papa<lb/>
und Mama hätten wohl davon ge&#x017F;prochen einmal eine<lb/>
Rei&#x017F;e nach Potsdam zu machen, aber es &#x017F;ei immer<lb/>
was dazwi&#x017F;chen gekommen, und &#x017F;ie glaube auch gar<lb/>
nicht, daß es noch dahin kommen werde, denn der<lb/>
Gedanke &#x017F;ei doch gar zu &#x017F;chön.</p><lb/>
        <p>Die Obri&#x017F;tin &#x017F;agte, Mam&#x017F;ell Adelheid &#x017F;ei ein<lb/>
prächtiges Mädchen und ihre Eltern würden viele<lb/>
Freude an ihr erleben, und um der guten Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0172] die Predigerstöchter ſtürzten mit Euch nach der Schenke, das ſind gute Mädchen, aber wilde Hummeln. Nein, Mamſell Adelheid iſt ein ſittſam Kind, wie es ſein muß, die ihren Eltern Freude macht. Der könnt Ihr Vieles abſehn. Seht nur, wie ſie ganz roth wird. Ach, wenn Ihr auch noch ſo roth werden könntet!“ Die Mädchen ſenkten die Köpfe. Adelheid war ſchnell zwiſchen beide geſprungen und umfaßte ſie traulich, ſie ſollten nicht drauf hören. Die Tante ſcherze nur. Sie ſelbſt wäre auch manchmal eine wilde Hummel und würde auch recht gern die Seil¬ tänzer ſehen, aber es wäre auch ſonſt viel hübſches im Dorf und im Freien, was ſie zuſammen beſehn könnten, und ſie hoffte, daß ſie noch hier bleiben, und die Tante ihnen erlaube, mit ihr ſpazieren zu gehen. Dabei könnten ſie plaudern, ſingen, Blumen pflücken, und Kränze winden. Vor allem aber würde ſie ſich freuen, wenn ſie ihr von Leipzig erzählen wollten und den tauſend ſchönen Sachen, die ſie da geſehen. Das wären alles Wunderdinge für ſie, denn ſie ſei noch mit keinem Fuß aus Berlin geweſen. Papa und Mama hätten wohl davon geſprochen einmal eine Reiſe nach Potsdam zu machen, aber es ſei immer was dazwiſchen gekommen, und ſie glaube auch gar nicht, daß es noch dahin kommen werde, denn der Gedanke ſei doch gar zu ſchön. Die Obriſtin ſagte, Mamſell Adelheid ſei ein prächtiges Mädchen und ihre Eltern würden viele Freude an ihr erleben, und um der guten Geſellſchaft

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/172
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/172>, abgerufen am 21.11.2024.