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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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"Nein du, mein himmlischer Vater, wenn ich
dächte, daß so ein himmlisches Mädchen mit dem
Bären tanzen sollte und dem Vieh einen Kuß geben!
Und dann springt sie aufs Pferd, in Hosen und
Stiefelchen, und reitet, nicht sitzend, sondern sie steht,
und in Carriere, die Zügel so in der Hand, und
die Röcke flattern nur so. Nein, wie die Polizei das
zugeben kann! Das, erlauben Sie mir, ist ganz
unweiblich."

Darin waren Vater und Mutter einig. Auch
darin, daß man nicht zu den Seiltänzern gehen sollte,
worüber aber nicht allein die Kleinen unglücklich,
sondern auch die Nichten der Obristin nicht ganz zu¬
frieden waren. Jene suchte die Obristin durch Zucker¬
brode zu beschwichtigen, die sie aus dem Pompadour
holte, und erklärte, sie hätte sie für artige Kinder
aus Leipzig mitgebracht. Karoline schien aber gar
nicht zu begreifen, warum sie das hübsche Schauspiel
nicht mit ansehn solle, und auch die ernstere Julie
sah die chere tante verwundert an, warum sie grad
heut so strenge war.

"Mes cheres nieces, sagte sie, weil man nicht
weiß, wen man im Gedränge findet. Wer wird im¬
mer nach Vergnügungen aus sein, wenn die Eltern
sagen, daß es sich nicht schickt! Da seht Euch die
Mamsell Kriegsräthin an, und nehmt Euch an der
ein Muster. Sie sähe auch gern die Reiter springen,
aber wo fällts ihr ein darum zu bitten; sie sieht, daß
ihre lieben Eltern es für unanständig halten. Ja

„Nein du, mein himmliſcher Vater, wenn ich
dächte, daß ſo ein himmliſches Mädchen mit dem
Bären tanzen ſollte und dem Vieh einen Kuß geben!
Und dann ſpringt ſie aufs Pferd, in Hoſen und
Stiefelchen, und reitet, nicht ſitzend, ſondern ſie ſteht,
und in Carrière, die Zügel ſo in der Hand, und
die Röcke flattern nur ſo. Nein, wie die Polizei das
zugeben kann! Das, erlauben Sie mir, iſt ganz
unweiblich.“

Darin waren Vater und Mutter einig. Auch
darin, daß man nicht zu den Seiltänzern gehen ſollte,
worüber aber nicht allein die Kleinen unglücklich,
ſondern auch die Nichten der Obriſtin nicht ganz zu¬
frieden waren. Jene ſuchte die Obriſtin durch Zucker¬
brode zu beſchwichtigen, die ſie aus dem Pompadour
holte, und erklärte, ſie hätte ſie für artige Kinder
aus Leipzig mitgebracht. Karoline ſchien aber gar
nicht zu begreifen, warum ſie das hübſche Schauſpiel
nicht mit anſehn ſolle, und auch die ernſtere Julie
ſah die chere tante verwundert an, warum ſie grad
heut ſo ſtrenge war.

„Mes cheres nièces, ſagte ſie, weil man nicht
weiß, wen man im Gedränge findet. Wer wird im¬
mer nach Vergnügungen aus ſein, wenn die Eltern
ſagen, daß es ſich nicht ſchickt! Da ſeht Euch die
Mamſell Kriegsräthin an, und nehmt Euch an der
ein Muſter. Sie ſähe auch gern die Reiter ſpringen,
aber wo fällts ihr ein darum zu bitten; ſie ſieht, daß
ihre lieben Eltern es für unanſtändig halten. Ja

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[157/0171] „Nein du, mein himmliſcher Vater, wenn ich dächte, daß ſo ein himmliſches Mädchen mit dem Bären tanzen ſollte und dem Vieh einen Kuß geben! Und dann ſpringt ſie aufs Pferd, in Hoſen und Stiefelchen, und reitet, nicht ſitzend, ſondern ſie ſteht, und in Carrière, die Zügel ſo in der Hand, und die Röcke flattern nur ſo. Nein, wie die Polizei das zugeben kann! Das, erlauben Sie mir, iſt ganz unweiblich.“ Darin waren Vater und Mutter einig. Auch darin, daß man nicht zu den Seiltänzern gehen ſollte, worüber aber nicht allein die Kleinen unglücklich, ſondern auch die Nichten der Obriſtin nicht ganz zu¬ frieden waren. Jene ſuchte die Obriſtin durch Zucker¬ brode zu beſchwichtigen, die ſie aus dem Pompadour holte, und erklärte, ſie hätte ſie für artige Kinder aus Leipzig mitgebracht. Karoline ſchien aber gar nicht zu begreifen, warum ſie das hübſche Schauſpiel nicht mit anſehn ſolle, und auch die ernſtere Julie ſah die chere tante verwundert an, warum ſie grad heut ſo ſtrenge war. „Mes cheres nièces, ſagte ſie, weil man nicht weiß, wen man im Gedränge findet. Wer wird im¬ mer nach Vergnügungen aus ſein, wenn die Eltern ſagen, daß es ſich nicht ſchickt! Da ſeht Euch die Mamſell Kriegsräthin an, und nehmt Euch an der ein Muſter. Sie ſähe auch gern die Reiter ſpringen, aber wo fällts ihr ein darum zu bitten; ſie ſieht, daß ihre lieben Eltern es für unanſtändig halten. Ja

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/171>, abgerufen am 21.11.2024.