wenn man erwacht, wieder trinken. Sind nicht alle Edleren dazu bei uns verdammt. Tadelst Du den Prinzen, daß er den Schaumbecher nicht von der Lippe läßt, daß er wenigstens den Jammer nicht mit ansehn will, wo er nicht helfen darf. Lieber doch berauscht untertauchen und rasch, als nüchtern zusehen, wie wir Zoll für Zoll im Morast versinken. Oder wo ist denn die Kraft, die nach Besserem ringt, wo nur ernster Wille! Der gute zahme bescheidene da, der sich nicht mehr ganz von den Schlechten von ehemals will leiten lassen, aber auch nicht ganz mit ihnen zu brechen wagt! Die beschränkte duckmäuserige Tugend, die sich den Himmel mahlt an ihre vier Wände, aber der Himmel draußen ist ihr zu frisch und kühl. Sturmwind ringsum, nur aufspannen, nur zusteuern brauchten wir, und mit vollen Segeln triebe das Kriegsschiff -- prost Mahlzeit! Man kettet das Steuer an, umwickelt die Ruder und lavirt. Das ist eine berauschende Kunst. Soll ich mich auch anlernen lassen? Bei wem? Bei meinem Vater? Staats¬ dienst! Herrliche Menschenbestimmung! Dein Vater predigt es Dir ja wohl auch täglich: laß Dich an¬ stellen. Wollen wir uns polnische Krongüter schen¬ ken lassen? Die sind schon weggeschnappt. Wollen wir mit den Juden und Domainenräthen die Ritter¬ güter taxiren und Hypotheken verschreiben, die ihren Werth im Monde haben? 'S ist auch schon zu viel drin gepfuscht. Lieferanten für die Armee, aber es giebt keinen Krieg! Oder uns üben, solche süßgänse¬
wenn man erwacht, wieder trinken. Sind nicht alle Edleren dazu bei uns verdammt. Tadelſt Du den Prinzen, daß er den Schaumbecher nicht von der Lippe läßt, daß er wenigſtens den Jammer nicht mit anſehn will, wo er nicht helfen darf. Lieber doch berauſcht untertauchen und raſch, als nüchtern zuſehen, wie wir Zoll für Zoll im Moraſt verſinken. Oder wo iſt denn die Kraft, die nach Beſſerem ringt, wo nur ernſter Wille! Der gute zahme beſcheidene da, der ſich nicht mehr ganz von den Schlechten von ehemals will leiten laſſen, aber auch nicht ganz mit ihnen zu brechen wagt! Die beſchränkte duckmäuſerige Tugend, die ſich den Himmel mahlt an ihre vier Wände, aber der Himmel draußen iſt ihr zu friſch und kühl. Sturmwind ringsum, nur aufſpannen, nur zuſteuern brauchten wir, und mit vollen Segeln triebe das Kriegsſchiff — proſt Mahlzeit! Man kettet das Steuer an, umwickelt die Ruder und lavirt. Das iſt eine berauſchende Kunſt. Soll ich mich auch anlernen laſſen? Bei wem? Bei meinem Vater? Staats¬ dienſt! Herrliche Menſchenbeſtimmung! Dein Vater predigt es Dir ja wohl auch täglich: laß Dich an¬ ſtellen. Wollen wir uns polniſche Krongüter ſchen¬ ken laſſen? Die ſind ſchon weggeſchnappt. Wollen wir mit den Juden und Domainenräthen die Ritter¬ güter taxiren und Hypotheken verſchreiben, die ihren Werth im Monde haben? 'S iſt auch ſchon zu viel drin gepfuſcht. Lieferanten für die Armee, aber es giebt keinen Krieg! Oder uns üben, ſolche ſüßgänſe¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0181"n="167"/>
wenn man erwacht, wieder trinken. Sind nicht alle<lb/>
Edleren dazu bei uns verdammt. Tadelſt Du den<lb/>
Prinzen, daß er den Schaumbecher nicht von der<lb/>
Lippe läßt, daß er wenigſtens den Jammer nicht mit<lb/>
anſehn will, wo er nicht helfen darf. Lieber doch berauſcht<lb/>
untertauchen und raſch, als nüchtern zuſehen, wie wir<lb/>
Zoll für Zoll im Moraſt verſinken. Oder wo iſt<lb/>
denn die Kraft, die nach Beſſerem ringt, wo nur<lb/>
ernſter Wille! Der gute zahme beſcheidene da, der<lb/>ſich nicht mehr ganz von den Schlechten von ehemals<lb/>
will leiten laſſen, aber auch nicht ganz mit ihnen zu<lb/>
brechen wagt! Die beſchränkte duckmäuſerige Tugend,<lb/>
die ſich den Himmel mahlt an ihre vier Wände, aber<lb/>
der Himmel draußen iſt ihr zu friſch und kühl.<lb/>
Sturmwind ringsum, nur aufſpannen, nur zuſteuern<lb/>
brauchten wir, und mit vollen Segeln triebe das<lb/>
Kriegsſchiff — proſt Mahlzeit! Man kettet das Steuer<lb/>
an, umwickelt die Ruder und lavirt. Das iſt eine<lb/>
berauſchende Kunſt. Soll ich mich auch anlernen<lb/>
laſſen? Bei wem? Bei meinem Vater? Staats¬<lb/>
dienſt! Herrliche Menſchenbeſtimmung! Dein Vater<lb/>
predigt es Dir ja wohl auch täglich: laß Dich an¬<lb/>ſtellen. Wollen wir uns polniſche Krongüter ſchen¬<lb/>
ken laſſen? Die ſind ſchon weggeſchnappt. Wollen<lb/>
wir mit den Juden und Domainenräthen die Ritter¬<lb/>
güter taxiren und Hypotheken verſchreiben, die ihren<lb/>
Werth im Monde haben? 'S iſt auch ſchon zu viel<lb/>
drin gepfuſcht. Lieferanten für die Armee, aber es<lb/>
giebt keinen Krieg! Oder uns üben, ſolche ſüßgänſe¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[167/0181]
wenn man erwacht, wieder trinken. Sind nicht alle
Edleren dazu bei uns verdammt. Tadelſt Du den
Prinzen, daß er den Schaumbecher nicht von der
Lippe läßt, daß er wenigſtens den Jammer nicht mit
anſehn will, wo er nicht helfen darf. Lieber doch berauſcht
untertauchen und raſch, als nüchtern zuſehen, wie wir
Zoll für Zoll im Moraſt verſinken. Oder wo iſt
denn die Kraft, die nach Beſſerem ringt, wo nur
ernſter Wille! Der gute zahme beſcheidene da, der
ſich nicht mehr ganz von den Schlechten von ehemals
will leiten laſſen, aber auch nicht ganz mit ihnen zu
brechen wagt! Die beſchränkte duckmäuſerige Tugend,
die ſich den Himmel mahlt an ihre vier Wände, aber
der Himmel draußen iſt ihr zu friſch und kühl.
Sturmwind ringsum, nur aufſpannen, nur zuſteuern
brauchten wir, und mit vollen Segeln triebe das
Kriegsſchiff — proſt Mahlzeit! Man kettet das Steuer
an, umwickelt die Ruder und lavirt. Das iſt eine
berauſchende Kunſt. Soll ich mich auch anlernen
laſſen? Bei wem? Bei meinem Vater? Staats¬
dienſt! Herrliche Menſchenbeſtimmung! Dein Vater
predigt es Dir ja wohl auch täglich: laß Dich an¬
ſtellen. Wollen wir uns polniſche Krongüter ſchen¬
ken laſſen? Die ſind ſchon weggeſchnappt. Wollen
wir mit den Juden und Domainenräthen die Ritter¬
güter taxiren und Hypotheken verſchreiben, die ihren
Werth im Monde haben? 'S iſt auch ſchon zu viel
drin gepfuſcht. Lieferanten für die Armee, aber es
giebt keinen Krieg! Oder uns üben, ſolche ſüßgänſe¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/181>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.