sie so vor sich gefaltet! Und der Herr Prediger saß neben ihr, und noch oben sprach er mit ihr, und dann küßte sie ihm die Hand und knixte noch einmal vorher gegen uns Alle. Und die vornehmsten Herren in Thränen. Ach Herr Geheimrath, es war Ihnen etwas, ich sage Ihnen, es ging Einem durch Mark und Bein, und manche dachten, ach wenn du doch auch so sterben könntest, so den Herrn Prediger neben sich und ganz weiß, und Blumen, und die Putz¬ macherin, Mamsell Guichard an der Stechbahn, hatte ihr ein Tuch mit Spitzen geschenkt, und die vor¬ nehmsten Personen weinten. Und ich habe sie auch gekannt die Mariane, und ehedem war sie keine schlechte Person."
"Sie hat mir davon erzählt. Aber nun ist sie eine Kindesmörderin."
"Und das ist schlecht von ihr, Herr Geheimrath; das wird auch kein Mensch abstreiten. Und wir haben's ihr alle vorhergesagt. An solchen Kerl sich zu hängen! Er war noch nicht einmal königlicher Stallknecht, da konnte er noch lange dienen. Und wenn er's geworden, ob er sie dann geheirathet hätte! Wenn's denn doch einmal sein sollte, wär's nur ein anständiger Herr gewesen, sagte ihre Tante. Der hätte doch für's Kind bezahlt, und wenn er nicht wollte, da ist das Stadtgericht. Das weiß ich ja von meiner Cousine. Heirathen oder bezahlen! sagten der Herr Präsident. Da hat er auch gezahlt, jeden Ersten, der Herr Hoflackirer, und wenn's bis zum
ſie ſo vor ſich gefaltet! Und der Herr Prediger ſaß neben ihr, und noch oben ſprach er mit ihr, und dann küßte ſie ihm die Hand und knixte noch einmal vorher gegen uns Alle. Und die vornehmſten Herren in Thränen. Ach Herr Geheimrath, es war Ihnen etwas, ich ſage Ihnen, es ging Einem durch Mark und Bein, und manche dachten, ach wenn du doch auch ſo ſterben könnteſt, ſo den Herrn Prediger neben ſich und ganz weiß, und Blumen, und die Putz¬ macherin, Mamſell Guichard an der Stechbahn, hatte ihr ein Tuch mit Spitzen geſchenkt, und die vor¬ nehmſten Perſonen weinten. Und ich habe ſie auch gekannt die Mariane, und ehedem war ſie keine ſchlechte Perſon.“
„Sie hat mir davon erzählt. Aber nun iſt ſie eine Kindesmörderin.“
„Und das iſt ſchlecht von ihr, Herr Geheimrath; das wird auch kein Menſch abſtreiten. Und wir haben's ihr alle vorhergeſagt. An ſolchen Kerl ſich zu hängen! Er war noch nicht einmal königlicher Stallknecht, da konnte er noch lange dienen. Und wenn er's geworden, ob er ſie dann geheirathet hätte! Wenn's denn doch einmal ſein ſollte, wär's nur ein anſtändiger Herr geweſen, ſagte ihre Tante. Der hätte doch für's Kind bezahlt, und wenn er nicht wollte, da iſt das Stadtgericht. Das weiß ich ja von meiner Couſine. Heirathen oder bezahlen! ſagten der Herr Präſident. Da hat er auch gezahlt, jeden Erſten, der Herr Hoflackirer, und wenn's bis zum
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ſie ſo vor ſich gefaltet! Und der Herr Prediger ſaß
neben ihr, und noch oben ſprach er mit ihr, und
dann küßte ſie ihm die Hand und knixte noch einmal
vorher gegen uns Alle. Und die vornehmſten Herren
in Thränen. Ach Herr Geheimrath, es war Ihnen
etwas, ich ſage Ihnen, es ging Einem durch Mark
und Bein, und manche dachten, ach wenn du doch
auch ſo ſterben könnteſt, ſo den Herrn Prediger neben
ſich und ganz weiß, und Blumen, und die Putz¬
macherin, Mamſell Guichard an der Stechbahn, hatte
ihr ein Tuch mit Spitzen geſchenkt, und die vor¬
nehmſten Perſonen weinten. Und ich habe ſie auch
gekannt die Mariane, und ehedem war ſie keine
ſchlechte Perſon.“
„Sie hat mir davon erzählt. Aber nun iſt ſie
eine Kindesmörderin.“
„Und das iſt ſchlecht von ihr, Herr Geheimrath;
das wird auch kein Menſch abſtreiten. Und wir
haben's ihr alle vorhergeſagt. An ſolchen Kerl ſich
zu hängen! Er war noch nicht einmal königlicher
Stallknecht, da konnte er noch lange dienen. Und
wenn er's geworden, ob er ſie dann geheirathet hätte!
Wenn's denn doch einmal ſein ſollte, wär's nur ein
anſtändiger Herr geweſen, ſagte ihre Tante. Der
hätte doch für's Kind bezahlt, und wenn er nicht
wollte, da iſt das Stadtgericht. Das weiß ich ja
von meiner Couſine. Heirathen oder bezahlen! ſagten
der Herr Präſident. Da hat er auch gezahlt, jeden
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/21>, abgerufen am 03.12.2024.
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