Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Mann, da sieht man, wie man sich täuschen kann."

"Aber 's ist gut, wenn man's wieder gut machen
kann."

Gläser mit Punsch klingen nicht so hell wie mit
Wein, aber die Herzen klangen. Der Kriegsrath
ging sehr vergnügt, aber nicht so kerzengrad wie
am Tage, nach seinem Bett. Die Kriegsräthin leerte
noch den Rest ihres Glases im Stillen. Sie trank
auf das Glück ihrer Familie und auf die Aussichten,
die sich mit einem Male ihr so reich und wunderbar
eröffneten. "Uns kommt alles unverhofft!" sagte sie
und wischte eine Thräne der Rührung aus dem Auge.
Im Bette hatten die Eheleute sich besprechen wollen,
was sie thun müßten, um es der Obristin zu ver¬
gelten. Es hatten sich darüber Ansichtsverschieden¬
heiten gezeigt, die in Güte beigelegt werden sollten,
aber man hörte bald nur eine vollkommene Har¬
monie -- im Schnarchen.

Die Gefühle der Dankbarkeit waren am andern
Morgen nicht erloschen, aber etwas abgekühlt. Gestern
wollte der Kriegsrath, sobald er aufgestanden, der
Obristin seine Aufwartung machen. Heute fand die
Frau, daß eine Visite so früh am Tage bei einer
vornehmen Dame sich nicht schicke. Der Mann aber
dachte, daß er ja ins Bureau müsse, und Herren¬
dienst geht sogar dem Gottesdienst vor, sagen die
Geschäftsmänner. Es war aber noch ein Grund,
weshalb es nicht ging; sie wußten ja nicht, wo die
Obristin wohnte. Wohnungsanzeiger gab es noch

„Mann, da ſieht man, wie man ſich täuſchen kann.“

„Aber 's iſt gut, wenn man's wieder gut machen
kann.“

Gläſer mit Punſch klingen nicht ſo hell wie mit
Wein, aber die Herzen klangen. Der Kriegsrath
ging ſehr vergnügt, aber nicht ſo kerzengrad wie
am Tage, nach ſeinem Bett. Die Kriegsräthin leerte
noch den Reſt ihres Glaſes im Stillen. Sie trank
auf das Glück ihrer Familie und auf die Ausſichten,
die ſich mit einem Male ihr ſo reich und wunderbar
eröffneten. „Uns kommt alles unverhofft!“ ſagte ſie
und wiſchte eine Thräne der Rührung aus dem Auge.
Im Bette hatten die Eheleute ſich beſprechen wollen,
was ſie thun müßten, um es der Obriſtin zu ver¬
gelten. Es hatten ſich darüber Anſichtsverſchieden¬
heiten gezeigt, die in Güte beigelegt werden ſollten,
aber man hörte bald nur eine vollkommene Har¬
monie — im Schnarchen.

Die Gefühle der Dankbarkeit waren am andern
Morgen nicht erloſchen, aber etwas abgekühlt. Geſtern
wollte der Kriegsrath, ſobald er aufgeſtanden, der
Obriſtin ſeine Aufwartung machen. Heute fand die
Frau, daß eine Viſite ſo früh am Tage bei einer
vornehmen Dame ſich nicht ſchicke. Der Mann aber
dachte, daß er ja ins Bureau müſſe, und Herren¬
dienſt geht ſogar dem Gottesdienſt vor, ſagen die
Geſchäftsmänner. Es war aber noch ein Grund,
weshalb es nicht ging; ſie wußten ja nicht, wo die
Obriſtin wohnte. Wohnungsanzeiger gab es noch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0216" n="202"/>
        <p>&#x201E;Mann, da &#x017F;ieht man, wie man &#x017F;ich täu&#x017F;chen kann.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber 's i&#x017F;t gut, wenn man's wieder gut machen<lb/>
kann.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Glä&#x017F;er mit Pun&#x017F;ch klingen nicht &#x017F;o hell wie mit<lb/>
Wein, aber die Herzen klangen. Der Kriegsrath<lb/>
ging &#x017F;ehr vergnügt, aber nicht &#x017F;o kerzengrad wie<lb/>
am Tage, nach &#x017F;einem Bett. Die Kriegsräthin leerte<lb/>
noch den Re&#x017F;t ihres Gla&#x017F;es im Stillen. Sie trank<lb/>
auf das Glück ihrer Familie und auf die Aus&#x017F;ichten,<lb/>
die &#x017F;ich mit einem Male ihr &#x017F;o reich und wunderbar<lb/>
eröffneten. &#x201E;Uns kommt alles unverhofft!&#x201C; &#x017F;agte &#x017F;ie<lb/>
und wi&#x017F;chte eine Thräne der Rührung aus dem Auge.<lb/>
Im Bette hatten die Eheleute &#x017F;ich be&#x017F;prechen wollen,<lb/>
was &#x017F;ie thun müßten, um es der Obri&#x017F;tin zu ver¬<lb/>
gelten. Es hatten &#x017F;ich darüber An&#x017F;ichtsver&#x017F;chieden¬<lb/>
heiten gezeigt, die in Güte beigelegt werden &#x017F;ollten,<lb/>
aber man hörte bald nur eine vollkommene Har¬<lb/>
monie &#x2014; im Schnarchen.</p><lb/>
        <p>Die Gefühle der Dankbarkeit waren am andern<lb/>
Morgen nicht erlo&#x017F;chen, aber etwas abgekühlt. Ge&#x017F;tern<lb/>
wollte der Kriegsrath, &#x017F;obald er aufge&#x017F;tanden, der<lb/>
Obri&#x017F;tin &#x017F;eine Aufwartung machen. Heute fand die<lb/>
Frau, daß eine Vi&#x017F;ite &#x017F;o früh am Tage bei einer<lb/>
vornehmen Dame &#x017F;ich nicht &#x017F;chicke. Der Mann aber<lb/>
dachte, daß er ja ins Bureau mü&#x017F;&#x017F;e, und Herren¬<lb/>
dien&#x017F;t geht &#x017F;ogar dem Gottesdien&#x017F;t vor, &#x017F;agen die<lb/>
Ge&#x017F;chäftsmänner. Es war aber noch ein Grund,<lb/>
weshalb es nicht ging; &#x017F;ie wußten ja nicht, wo die<lb/>
Obri&#x017F;tin wohnte. Wohnungsanzeiger gab es noch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0216] „Mann, da ſieht man, wie man ſich täuſchen kann.“ „Aber 's iſt gut, wenn man's wieder gut machen kann.“ Gläſer mit Punſch klingen nicht ſo hell wie mit Wein, aber die Herzen klangen. Der Kriegsrath ging ſehr vergnügt, aber nicht ſo kerzengrad wie am Tage, nach ſeinem Bett. Die Kriegsräthin leerte noch den Reſt ihres Glaſes im Stillen. Sie trank auf das Glück ihrer Familie und auf die Ausſichten, die ſich mit einem Male ihr ſo reich und wunderbar eröffneten. „Uns kommt alles unverhofft!“ ſagte ſie und wiſchte eine Thräne der Rührung aus dem Auge. Im Bette hatten die Eheleute ſich beſprechen wollen, was ſie thun müßten, um es der Obriſtin zu ver¬ gelten. Es hatten ſich darüber Anſichtsverſchieden¬ heiten gezeigt, die in Güte beigelegt werden ſollten, aber man hörte bald nur eine vollkommene Har¬ monie — im Schnarchen. Die Gefühle der Dankbarkeit waren am andern Morgen nicht erloſchen, aber etwas abgekühlt. Geſtern wollte der Kriegsrath, ſobald er aufgeſtanden, der Obriſtin ſeine Aufwartung machen. Heute fand die Frau, daß eine Viſite ſo früh am Tage bei einer vornehmen Dame ſich nicht ſchicke. Der Mann aber dachte, daß er ja ins Bureau müſſe, und Herren¬ dienſt geht ſogar dem Gottesdienſt vor, ſagen die Geſchäftsmänner. Es war aber noch ein Grund, weshalb es nicht ging; ſie wußten ja nicht, wo die Obriſtin wohnte. Wohnungsanzeiger gab es noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/216
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/216>, abgerufen am 23.11.2024.