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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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glücklicher gewesen als Du. Als wir eben dasaßen,
die Adelheid und ich, und überlegten, was wir an¬
ziehen sollten, wenn wir sie besuchten, klingelte es,
und wer trat ein? -- Sie selbst. Wir waren beide,
daß wir uns nicht sehen lassen konnten, aber sie sagte,
sie müßte uns sehen, und sie hätte die ganze Nacht
keine Ruhe gehabt, ob's uns auch bekommen wäre?
Ich sage Dir, nein, es war eine Liebenswürdigkeit,
als wenn wir alte Freunde wären."

"Da seid Ihr gewiß schon heut zum Kaffee
invitirt!"

"Nein, das bedauerte sie eben so sehr, daß sie
uns in den ersten Tagen nicht bei sich sehen könnte,
denn sie hätte das Haus voll Unruhe gefunden.
Nichts wäre gemacht, wie sie's bestellt und sie müßte
Tapeten runter reißen lassen und Gott weiß was."

"Aber wo wohnt sie?"

"Wir sollen's gar nicht jetzt wissen, bis sie in
Ordnung ist. Aber bei uns wird sie ein Mal an¬
sprechen und mit 'ner Tasse Kaffee verlieb nehmen.
Doch ganz unter uns, wie wir sind, ohne Umstände,
und wir sollten Niemand dazu bitten. Oder sie wird
auch mal vorfahren und anfragen, ob Einer von uns
mit ihnen spazieren fahren will? Alter, weißt Du,
sie meint, Du säßest zu viel, Du müßtest Dir mehr
Bewegung machen. Solche gute Staatsdiener wie
Du, müßten sich ihrem Könige erhalten, das wäre
ihre Pflicht und Schuldigkeit, und sie hätte so viel
zu Deinem Lobe gehört, was sie in der Seele erfreut,

glücklicher geweſen als Du. Als wir eben daſaßen,
die Adelheid und ich, und überlegten, was wir an¬
ziehen ſollten, wenn wir ſie beſuchten, klingelte es,
und wer trat ein? — Sie ſelbſt. Wir waren beide,
daß wir uns nicht ſehen laſſen konnten, aber ſie ſagte,
ſie müßte uns ſehen, und ſie hätte die ganze Nacht
keine Ruhe gehabt, ob's uns auch bekommen wäre?
Ich ſage Dir, nein, es war eine Liebenswürdigkeit,
als wenn wir alte Freunde wären.“

„Da ſeid Ihr gewiß ſchon heut zum Kaffee
invitirt!“

„Nein, das bedauerte ſie eben ſo ſehr, daß ſie
uns in den erſten Tagen nicht bei ſich ſehen könnte,
denn ſie hätte das Haus voll Unruhe gefunden.
Nichts wäre gemacht, wie ſie's beſtellt und ſie müßte
Tapeten runter reißen laſſen und Gott weiß was.“

„Aber wo wohnt ſie?“

„Wir ſollen's gar nicht jetzt wiſſen, bis ſie in
Ordnung iſt. Aber bei uns wird ſie ein Mal an¬
ſprechen und mit 'ner Taſſe Kaffee verlieb nehmen.
Doch ganz unter uns, wie wir ſind, ohne Umſtände,
und wir ſollten Niemand dazu bitten. Oder ſie wird
auch mal vorfahren und anfragen, ob Einer von uns
mit ihnen ſpazieren fahren will? Alter, weißt Du,
ſie meint, Du ſäßeſt zu viel, Du müßteſt Dir mehr
Bewegung machen. Solche gute Staatsdiener wie
Du, müßten ſich ihrem Könige erhalten, das wäre
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[204/0218] glücklicher geweſen als Du. Als wir eben daſaßen, die Adelheid und ich, und überlegten, was wir an¬ ziehen ſollten, wenn wir ſie beſuchten, klingelte es, und wer trat ein? — Sie ſelbſt. Wir waren beide, daß wir uns nicht ſehen laſſen konnten, aber ſie ſagte, ſie müßte uns ſehen, und ſie hätte die ganze Nacht keine Ruhe gehabt, ob's uns auch bekommen wäre? Ich ſage Dir, nein, es war eine Liebenswürdigkeit, als wenn wir alte Freunde wären.“ „Da ſeid Ihr gewiß ſchon heut zum Kaffee invitirt!“ „Nein, das bedauerte ſie eben ſo ſehr, daß ſie uns in den erſten Tagen nicht bei ſich ſehen könnte, denn ſie hätte das Haus voll Unruhe gefunden. Nichts wäre gemacht, wie ſie's beſtellt und ſie müßte Tapeten runter reißen laſſen und Gott weiß was.“ „Aber wo wohnt ſie?“ „Wir ſollen's gar nicht jetzt wiſſen, bis ſie in Ordnung iſt. Aber bei uns wird ſie ein Mal an¬ ſprechen und mit 'ner Taſſe Kaffee verlieb nehmen. Doch ganz unter uns, wie wir ſind, ohne Umſtände, und wir ſollten Niemand dazu bitten. Oder ſie wird auch mal vorfahren und anfragen, ob Einer von uns mit ihnen ſpazieren fahren will? Alter, weißt Du, ſie meint, Du ſäßeſt zu viel, Du müßteſt Dir mehr Bewegung machen. Solche gute Staatsdiener wie Du, müßten ſich ihrem Könige erhalten, das wäre ihre Pflicht und Schuldigkeit, und ſie hätte ſo viel zu Deinem Lobe gehört, was ſie in der Seele erfreut,

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/218>, abgerufen am 23.11.2024.