fangen als beim Eintritt. Man sprach über dies und jenes, Tagesereignisse und Naturerscheinungen, man ward über die Stunden einig, über die Bedingungen war man es schon vorher durch den Geheimrath. Er hatte gar nicht examinirt und doch sagte er beim Ab¬ schied zur Mutter: er wisse nun genau, wo er an¬ fangen solle. Adelheid nahm das Licht vom Tisch und leuchtete ihm hinaus. Vom Treppengeländer aus wünschte sie ihm eine gute Nacht.
Die Mutter begriff ihre Tochter nicht; noch eben so bang und plötzlich so unbefangen. Adelheit er¬ klärte, der Herr van Asten komme ihr gar nicht wie ein Lehrer vor, sondern wie ein gewöhnlicher Mensch. Er spräche ja so, daß ein Kind ihn verstehen könnte. -- Das aber grade machte die Mutter bedenklich, ob ihr Mann auch an den rechten gerathen. Sie hatte Achtung gegeben, ob er nicht ein Mal einen Dichter oder einen berühmten Schriftsteller citiren werde. Aber wenn sie das Gespräch darauf lenkte, brach er ab, oder vielmehr er lenkte es auf Dinge, die jedem geläufig, und wenn nicht, gab er solche Erklärungen davon, daß sie jedem verständlich wurden. Ein Lehrer muß doch da sein, um zu belehren, und doch wenig¬ stens zuweilen in schönen Redensarten sprechen, dachte sie, die nicht Jedermann versteht, die aber so schön klin¬ gen, daß man neugierig wird und zum Lernen Lust bekommt. Ihr Mann meinte, wenn die Stunden anfingen, werde er wohl gelehrter sprechen. Die Kriegsräthin aber wollte ihre Freundin, die Obristin,
fangen als beim Eintritt. Man ſprach über dies und jenes, Tagesereigniſſe und Naturerſcheinungen, man ward über die Stunden einig, über die Bedingungen war man es ſchon vorher durch den Geheimrath. Er hatte gar nicht examinirt und doch ſagte er beim Ab¬ ſchied zur Mutter: er wiſſe nun genau, wo er an¬ fangen ſolle. Adelheid nahm das Licht vom Tiſch und leuchtete ihm hinaus. Vom Treppengeländer aus wünſchte ſie ihm eine gute Nacht.
Die Mutter begriff ihre Tochter nicht; noch eben ſo bang und plötzlich ſo unbefangen. Adelheit er¬ klärte, der Herr van Aſten komme ihr gar nicht wie ein Lehrer vor, ſondern wie ein gewöhnlicher Menſch. Er ſpräche ja ſo, daß ein Kind ihn verſtehen könnte. — Das aber grade machte die Mutter bedenklich, ob ihr Mann auch an den rechten gerathen. Sie hatte Achtung gegeben, ob er nicht ein Mal einen Dichter oder einen berühmten Schriftſteller citiren werde. Aber wenn ſie das Geſpräch darauf lenkte, brach er ab, oder vielmehr er lenkte es auf Dinge, die jedem geläufig, und wenn nicht, gab er ſolche Erklärungen davon, daß ſie jedem verſtändlich wurden. Ein Lehrer muß doch da ſein, um zu belehren, und doch wenig¬ ſtens zuweilen in ſchönen Redensarten ſprechen, dachte ſie, die nicht Jedermann verſteht, die aber ſo ſchön klin¬ gen, daß man neugierig wird und zum Lernen Luſt bekommt. Ihr Mann meinte, wenn die Stunden anfingen, werde er wohl gelehrter ſprechen. Die Kriegsräthin aber wollte ihre Freundin, die Obriſtin,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0222"n="208"/>
fangen als beim Eintritt. Man ſprach über dies und<lb/>
jenes, Tagesereigniſſe und Naturerſcheinungen, man<lb/>
ward über die Stunden einig, über die Bedingungen<lb/>
war man es ſchon vorher durch den Geheimrath. Er<lb/>
hatte gar nicht examinirt und doch ſagte er beim Ab¬<lb/>ſchied zur Mutter: er wiſſe nun genau, wo er an¬<lb/>
fangen ſolle. Adelheid nahm das Licht vom Tiſch<lb/>
und leuchtete ihm hinaus. Vom Treppengeländer<lb/>
aus wünſchte ſie ihm eine gute Nacht.</p><lb/><p>Die Mutter begriff ihre Tochter nicht; noch eben<lb/>ſo bang und plötzlich ſo unbefangen. Adelheit er¬<lb/>
klärte, der Herr van Aſten komme ihr gar nicht wie<lb/>
ein Lehrer vor, ſondern wie ein gewöhnlicher Menſch.<lb/>
Er ſpräche ja ſo, daß ein Kind ihn verſtehen könnte.<lb/>— Das aber grade machte die Mutter bedenklich, ob<lb/>
ihr Mann auch an den rechten gerathen. Sie hatte<lb/>
Achtung gegeben, ob er nicht ein Mal einen Dichter<lb/>
oder einen berühmten Schriftſteller citiren werde.<lb/>
Aber wenn ſie das Geſpräch darauf lenkte, brach er<lb/>
ab, oder vielmehr er lenkte es auf Dinge, die jedem<lb/>
geläufig, und wenn nicht, gab er ſolche Erklärungen<lb/>
davon, daß ſie jedem verſtändlich wurden. Ein Lehrer<lb/>
muß doch da ſein, um zu belehren, und doch wenig¬<lb/>ſtens zuweilen in ſchönen Redensarten ſprechen, dachte ſie,<lb/>
die nicht Jedermann verſteht, die aber ſo ſchön klin¬<lb/>
gen, daß man neugierig wird und zum Lernen Luſt<lb/>
bekommt. Ihr Mann meinte, wenn die Stunden<lb/>
anfingen, werde er wohl gelehrter ſprechen. Die<lb/>
Kriegsräthin aber wollte ihre Freundin, die Obriſtin,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[208/0222]
fangen als beim Eintritt. Man ſprach über dies und
jenes, Tagesereigniſſe und Naturerſcheinungen, man
ward über die Stunden einig, über die Bedingungen
war man es ſchon vorher durch den Geheimrath. Er
hatte gar nicht examinirt und doch ſagte er beim Ab¬
ſchied zur Mutter: er wiſſe nun genau, wo er an¬
fangen ſolle. Adelheid nahm das Licht vom Tiſch
und leuchtete ihm hinaus. Vom Treppengeländer
aus wünſchte ſie ihm eine gute Nacht.
Die Mutter begriff ihre Tochter nicht; noch eben
ſo bang und plötzlich ſo unbefangen. Adelheit er¬
klärte, der Herr van Aſten komme ihr gar nicht wie
ein Lehrer vor, ſondern wie ein gewöhnlicher Menſch.
Er ſpräche ja ſo, daß ein Kind ihn verſtehen könnte.
— Das aber grade machte die Mutter bedenklich, ob
ihr Mann auch an den rechten gerathen. Sie hatte
Achtung gegeben, ob er nicht ein Mal einen Dichter
oder einen berühmten Schriftſteller citiren werde.
Aber wenn ſie das Geſpräch darauf lenkte, brach er
ab, oder vielmehr er lenkte es auf Dinge, die jedem
geläufig, und wenn nicht, gab er ſolche Erklärungen
davon, daß ſie jedem verſtändlich wurden. Ein Lehrer
muß doch da ſein, um zu belehren, und doch wenig¬
ſtens zuweilen in ſchönen Redensarten ſprechen, dachte ſie,
die nicht Jedermann verſteht, die aber ſo ſchön klin¬
gen, daß man neugierig wird und zum Lernen Luſt
bekommt. Ihr Mann meinte, wenn die Stunden
anfingen, werde er wohl gelehrter ſprechen. Die
Kriegsräthin aber wollte ihre Freundin, die Obriſtin,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/222>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.