bitten, einmal bei dem Unterricht zugegen zu sein, um ihr aufrichtig zu sagen, ob der neue Lehrer was tauge.
Nur über eins war sie beruhigt. Bei diesem Manne war für ihre Tochter keine Gefahr, auch wenn sie einmal nicht in der Stunde zugegen wäre. Er war ja viel älter, als sie gedacht und blaß und hatte auch einige Pockennarben, und tanzen konnte er gewiß nicht. Sie meinte, es ginge ihm wohl küm¬ merlich, obschon sie sich entsann, daß er einen feinen Rock trug; und, um ihm etwas Gutes zu erzeigen, dachte sie daran, ihm einen Freitisch anzubieten.
"Das würde sich nun nicht schicken," sagte der Kriegsrath, der andern Tages von Erkundigungen heim kam, die er im Interesse seines Kindes einge¬ zogen. Zuerst hatten ihn die gescheitesten Leute ver¬ sichert, der Herr van Asten wisse mehr als in tausend Büchern steht, aber er habe den Tik, daß er das Sprichwort zu schanden machen wolle: der spricht ja wie ein Buch. Das wäre überhaupt jetzt Mode, daß die gelehrten Leute nicht merken lassen wollten, daß sie gelehrt wären.
Aber weit mehr verwunderte sich die Kriegsräthin, als sie erfuhr, Herr van Asten habe einen angesehenen Vater, den Principal des alten Handlungshauses in der Spandauer Straße. Weil er jedoch zu der jungen ästhetischen Schule halte, die man Romantiker nennt, habe er sich mit seinem Vater überworfen, und sei aus dessen Hause gezogen, und nehme keine Unter¬
I. 14
bitten, einmal bei dem Unterricht zugegen zu ſein, um ihr aufrichtig zu ſagen, ob der neue Lehrer was tauge.
Nur über eins war ſie beruhigt. Bei dieſem Manne war für ihre Tochter keine Gefahr, auch wenn ſie einmal nicht in der Stunde zugegen wäre. Er war ja viel älter, als ſie gedacht und blaß und hatte auch einige Pockennarben, und tanzen konnte er gewiß nicht. Sie meinte, es ginge ihm wohl küm¬ merlich, obſchon ſie ſich entſann, daß er einen feinen Rock trug; und, um ihm etwas Gutes zu erzeigen, dachte ſie daran, ihm einen Freitiſch anzubieten.
„Das würde ſich nun nicht ſchicken,“ ſagte der Kriegsrath, der andern Tages von Erkundigungen heim kam, die er im Intereſſe ſeines Kindes einge¬ zogen. Zuerſt hatten ihn die geſcheiteſten Leute ver¬ ſichert, der Herr van Aſten wiſſe mehr als in tauſend Büchern ſteht, aber er habe den Tik, daß er das Sprichwort zu ſchanden machen wolle: der ſpricht ja wie ein Buch. Das wäre überhaupt jetzt Mode, daß die gelehrten Leute nicht merken laſſen wollten, daß ſie gelehrt wären.
Aber weit mehr verwunderte ſich die Kriegsräthin, als ſie erfuhr, Herr van Aſten habe einen angeſehenen Vater, den Principal des alten Handlungshauſes in der Spandauer Straße. Weil er jedoch zu der jungen äſthetiſchen Schule halte, die man Romantiker nennt, habe er ſich mit ſeinem Vater überworfen, und ſei aus deſſen Hauſe gezogen, und nehme keine Unter¬
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bitten, einmal bei dem Unterricht zugegen zu ſein,
um ihr aufrichtig zu ſagen, ob der neue Lehrer
was tauge.
Nur über eins war ſie beruhigt. Bei dieſem
Manne war für ihre Tochter keine Gefahr, auch
wenn ſie einmal nicht in der Stunde zugegen wäre.
Er war ja viel älter, als ſie gedacht und blaß und
hatte auch einige Pockennarben, und tanzen konnte er
gewiß nicht. Sie meinte, es ginge ihm wohl küm¬
merlich, obſchon ſie ſich entſann, daß er einen feinen
Rock trug; und, um ihm etwas Gutes zu erzeigen,
dachte ſie daran, ihm einen Freitiſch anzubieten.
„Das würde ſich nun nicht ſchicken,“ ſagte der
Kriegsrath, der andern Tages von Erkundigungen
heim kam, die er im Intereſſe ſeines Kindes einge¬
zogen. Zuerſt hatten ihn die geſcheiteſten Leute ver¬
ſichert, der Herr van Aſten wiſſe mehr als in tauſend
Büchern ſteht, aber er habe den Tik, daß er das
Sprichwort zu ſchanden machen wolle: der ſpricht ja
wie ein Buch. Das wäre überhaupt jetzt Mode, daß
die gelehrten Leute nicht merken laſſen wollten, daß
ſie gelehrt wären.
Aber weit mehr verwunderte ſich die Kriegsräthin,
als ſie erfuhr, Herr van Aſten habe einen angeſehenen
Vater, den Principal des alten Handlungshauſes in
der Spandauer Straße. Weil er jedoch zu der jungen
äſthetiſchen Schule halte, die man Romantiker nennt,
habe er ſich mit ſeinem Vater überworfen, und ſei
aus deſſen Hauſe gezogen, und nehme keine Unter¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/223>, abgerufen am 23.11.2024.
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