Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

nie an's Ruder kommen, so lange er und der König
ihre Natur nicht changiren, und die klugen Herren
klug handeln. Umstellen Sie Seine Majestät, sein
Sie auf der Hut, daß keine zweifelhafte Person
in seiner Nähe sich festnistet, lassen Sie ihm alle
Extravaganzen des Prinzen zu Ohren kommen, auch
immerhin seine genialen Streiche, die in einem ge¬
wissen Publikum so viele Bewunderer finden. Desto
besser, der König kann nun einmal geniale Streiche
nicht leiden. Das Uebrige macht sich dann von selbst."

Der Minister hatte seine Gemahlin umarmt:
"Mir aus der Seele gesprochen. Nichts von Intri¬
guen! Den geraden Weg."

Der Geheimrath und der Minister hatten aller¬
dings ein Geschäft.

"Excellenz hatten die Eingabe vor sich, wie ich
zu sehen glaubte," sagte der Geheimrath als sie durch
ein Weinspalier gingen, wo der Minister die Trauben
mit Lust befühlte, und weit mehr Lust zu haben schien,
ein naturhistorisches Gespräch zu führen, als über die
Angelegenheit, um die der Begleiter gekommen war.

"Und gelesen, seufzte der Minister, als er nicht
mehr ausweichen konnte. Aber ich bitte Sie, Freund,
Sie lasen sie doch auch."

"Ich finde die Angelegenheit sehr klar dargestellt."

"Ja, klarer kann es kaum sein, daß man die
Gefangenen beschwatzt hat, etwas zu unterschreiben,
was ein handgreifliches Märchen ist. Sie attestiren,
daß sie unter sich, in der Freude ihres Herzens zur

nie an's Ruder kommen, ſo lange er und der König
ihre Natur nicht changiren, und die klugen Herren
klug handeln. Umſtellen Sie Seine Majeſtät, ſein
Sie auf der Hut, daß keine zweifelhafte Perſon
in ſeiner Nähe ſich feſtniſtet, laſſen Sie ihm alle
Extravaganzen des Prinzen zu Ohren kommen, auch
immerhin ſeine genialen Streiche, die in einem ge¬
wiſſen Publikum ſo viele Bewunderer finden. Deſto
beſſer, der König kann nun einmal geniale Streiche
nicht leiden. Das Uebrige macht ſich dann von ſelbſt.“

Der Miniſter hatte ſeine Gemahlin umarmt:
„Mir aus der Seele geſprochen. Nichts von Intri¬
guen! Den geraden Weg.“

Der Geheimrath und der Miniſter hatten aller¬
dings ein Geſchäft.

„Excellenz hatten die Eingabe vor ſich, wie ich
zu ſehen glaubte,“ ſagte der Geheimrath als ſie durch
ein Weinſpalier gingen, wo der Miniſter die Trauben
mit Luſt befühlte, und weit mehr Luſt zu haben ſchien,
ein naturhiſtoriſches Geſpräch zu führen, als über die
Angelegenheit, um die der Begleiter gekommen war.

„Und geleſen, ſeufzte der Miniſter, als er nicht
mehr ausweichen konnte. Aber ich bitte Sie, Freund,
Sie laſen ſie doch auch.“

„Ich finde die Angelegenheit ſehr klar dargeſtellt.“

„Ja, klarer kann es kaum ſein, daß man die
Gefangenen beſchwatzt hat, etwas zu unterſchreiben,
was ein handgreifliches Märchen iſt. Sie atteſtiren,
daß ſie unter ſich, in der Freude ihres Herzens zur

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0238" n="224"/>
nie an's Ruder kommen, &#x017F;o lange er und der König<lb/>
ihre Natur nicht changiren, und die klugen Herren<lb/>
klug handeln. Um&#x017F;tellen Sie Seine Maje&#x017F;tät, &#x017F;ein<lb/>
Sie auf der Hut, daß keine zweifelhafte Per&#x017F;on<lb/>
in &#x017F;einer Nähe &#x017F;ich fe&#x017F;tni&#x017F;tet, la&#x017F;&#x017F;en Sie ihm alle<lb/>
Extravaganzen des Prinzen zu Ohren kommen, auch<lb/>
immerhin &#x017F;eine genialen Streiche, die in einem ge¬<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en Publikum &#x017F;o viele Bewunderer finden. De&#x017F;to<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er, der König kann nun einmal geniale Streiche<lb/>
nicht leiden. Das Uebrige macht &#x017F;ich dann von &#x017F;elb&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Mini&#x017F;ter hatte &#x017F;eine Gemahlin umarmt:<lb/>
&#x201E;Mir aus der Seele ge&#x017F;prochen. Nichts von Intri¬<lb/>
guen! Den geraden Weg.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Geheimrath und der Mini&#x017F;ter hatten aller¬<lb/>
dings ein Ge&#x017F;chäft.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Excellenz hatten die Eingabe vor &#x017F;ich, wie ich<lb/>
zu &#x017F;ehen glaubte,&#x201C; &#x017F;agte der Geheimrath als &#x017F;ie durch<lb/>
ein Wein&#x017F;palier gingen, wo der Mini&#x017F;ter die Trauben<lb/>
mit Lu&#x017F;t befühlte, und weit mehr Lu&#x017F;t zu haben &#x017F;chien,<lb/>
ein naturhi&#x017F;tori&#x017F;ches Ge&#x017F;präch zu führen, als über die<lb/>
Angelegenheit, um die der Begleiter gekommen war.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und gele&#x017F;en, &#x017F;eufzte der Mini&#x017F;ter, als er nicht<lb/>
mehr ausweichen konnte. Aber ich bitte Sie, Freund,<lb/>
Sie la&#x017F;en &#x017F;ie doch auch.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich finde die Angelegenheit &#x017F;ehr klar darge&#x017F;tellt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, klarer kann es kaum &#x017F;ein, daß man die<lb/>
Gefangenen be&#x017F;chwatzt hat, etwas zu unter&#x017F;chreiben,<lb/>
was ein handgreifliches Märchen i&#x017F;t. Sie atte&#x017F;tiren,<lb/>
daß &#x017F;ie unter &#x017F;ich, in der Freude ihres Herzens zur<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0238] nie an's Ruder kommen, ſo lange er und der König ihre Natur nicht changiren, und die klugen Herren klug handeln. Umſtellen Sie Seine Majeſtät, ſein Sie auf der Hut, daß keine zweifelhafte Perſon in ſeiner Nähe ſich feſtniſtet, laſſen Sie ihm alle Extravaganzen des Prinzen zu Ohren kommen, auch immerhin ſeine genialen Streiche, die in einem ge¬ wiſſen Publikum ſo viele Bewunderer finden. Deſto beſſer, der König kann nun einmal geniale Streiche nicht leiden. Das Uebrige macht ſich dann von ſelbſt.“ Der Miniſter hatte ſeine Gemahlin umarmt: „Mir aus der Seele geſprochen. Nichts von Intri¬ guen! Den geraden Weg.“ Der Geheimrath und der Miniſter hatten aller¬ dings ein Geſchäft. „Excellenz hatten die Eingabe vor ſich, wie ich zu ſehen glaubte,“ ſagte der Geheimrath als ſie durch ein Weinſpalier gingen, wo der Miniſter die Trauben mit Luſt befühlte, und weit mehr Luſt zu haben ſchien, ein naturhiſtoriſches Geſpräch zu führen, als über die Angelegenheit, um die der Begleiter gekommen war. „Und geleſen, ſeufzte der Miniſter, als er nicht mehr ausweichen konnte. Aber ich bitte Sie, Freund, Sie laſen ſie doch auch.“ „Ich finde die Angelegenheit ſehr klar dargeſtellt.“ „Ja, klarer kann es kaum ſein, daß man die Gefangenen beſchwatzt hat, etwas zu unterſchreiben, was ein handgreifliches Märchen iſt. Sie atteſtiren, daß ſie unter ſich, in der Freude ihres Herzens zur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/238
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/238>, abgerufen am 23.11.2024.