würde aufbrausen wie tausend auf ein Mal entkorkte Champagnerflaschen. Da man sie aber nicht alle mit einem Mal austrinken kann, würde der Wein bald schaal werden. Und wie er seiner Maitressen satt wird, würde er's auch der Genies. Dann kämen die unermüdlichen Geschöpfe dran, die man nun Zuträ¬ ger nennen mag, oder Sykophanten, oder Gelegen¬ heitsmacher, Kuppler, oder auch Ochsen, wie man will, die immer für neue Stoffe in Wein, Ideen und Liebe sorgen. Diese bleiben endlich seine Gesell¬ schaft, eben weil sie sich zur Thür hinauswerfen lassen und immer wieder kommen. Endlich gewöhnt man sich an sie, weil man ihrer bedarf, weil sie zu Allem zu brauchen, man verachtet sie, aber sie bleiben doch unser Umgang, weil sie immer gefällig, unsre Freunde, weil wir keine besseren finden, und schließlich -- es bliebe auch unter Louis Ferdinand Alles beim Alten. Christian, wir blieben auch!"
Der Minister drohte mit dem Finger.
"Ach was! wir sind unter uns. Wein und Wahrheit. Betrachten wir hier unsern würdigen Kam¬ merherren. Verzog er die Miene, ward er nur ein¬ mal roth, als ich von Kupplern sprach."
"St. Real kann ja nicht mehr roth werden."
"Excellenz! Dieser echte Philosoph beschämt uns. Sein purpurn Antlitz brennt, wenn er so viel Fla¬ schen aussticht wie nur Fleck und der Prinz, nicht röther als wenn er eine Tasse Thee nippt. Wenn wir wankend aufstehen, sagen sie: er hinkt ja immer.
I. 17
würde aufbrauſen wie tauſend auf ein Mal entkorkte Champagnerflaſchen. Da man ſie aber nicht alle mit einem Mal austrinken kann, würde der Wein bald ſchaal werden. Und wie er ſeiner Maitreſſen ſatt wird, würde er's auch der Genies. Dann kämen die unermüdlichen Geſchöpfe dran, die man nun Zuträ¬ ger nennen mag, oder Sykophanten, oder Gelegen¬ heitsmacher, Kuppler, oder auch Ochſen, wie man will, die immer für neue Stoffe in Wein, Ideen und Liebe ſorgen. Dieſe bleiben endlich ſeine Geſell¬ ſchaft, eben weil ſie ſich zur Thür hinauswerfen laſſen und immer wieder kommen. Endlich gewöhnt man ſich an ſie, weil man ihrer bedarf, weil ſie zu Allem zu brauchen, man verachtet ſie, aber ſie bleiben doch unſer Umgang, weil ſie immer gefällig, unſre Freunde, weil wir keine beſſeren finden, und ſchließlich — es bliebe auch unter Louis Ferdinand Alles beim Alten. Chriſtian, wir blieben auch!“
Der Miniſter drohte mit dem Finger.
„Ach was! wir ſind unter uns. Wein und Wahrheit. Betrachten wir hier unſern würdigen Kam¬ merherren. Verzog er die Miene, ward er nur ein¬ mal roth, als ich von Kupplern ſprach.“
„St. Real kann ja nicht mehr roth werden.“
„Excellenz! Dieſer echte Philoſoph beſchämt uns. Sein purpurn Antlitz brennt, wenn er ſo viel Fla¬ ſchen ausſticht wie nur Fleck und der Prinz, nicht röther als wenn er eine Taſſe Thee nippt. Wenn wir wankend aufſtehen, ſagen ſie: er hinkt ja immer.
I. 17
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würde aufbrauſen wie tauſend auf ein Mal entkorkte
Champagnerflaſchen. Da man ſie aber nicht alle mit
einem Mal austrinken kann, würde der Wein bald
ſchaal werden. Und wie er ſeiner Maitreſſen ſatt
wird, würde er's auch der Genies. Dann kämen die
unermüdlichen Geſchöpfe dran, die man nun Zuträ¬
ger nennen mag, oder Sykophanten, oder Gelegen¬
heitsmacher, Kuppler, oder auch Ochſen, wie man
will, die immer für neue Stoffe in Wein, Ideen
und Liebe ſorgen. Dieſe bleiben endlich ſeine Geſell¬
ſchaft, eben weil ſie ſich zur Thür hinauswerfen laſſen
und immer wieder kommen. Endlich gewöhnt man
ſich an ſie, weil man ihrer bedarf, weil ſie zu Allem
zu brauchen, man verachtet ſie, aber ſie bleiben doch
unſer Umgang, weil ſie immer gefällig, unſre Freunde,
weil wir keine beſſeren finden, und ſchließlich — es
bliebe auch unter Louis Ferdinand Alles beim Alten.
Chriſtian, wir blieben auch!“
Der Miniſter drohte mit dem Finger.
„Ach was! wir ſind unter uns. Wein und
Wahrheit. Betrachten wir hier unſern würdigen Kam¬
merherren. Verzog er die Miene, ward er nur ein¬
mal roth, als ich von Kupplern ſprach.“
„St. Real kann ja nicht mehr roth werden.“
„Excellenz! Dieſer echte Philoſoph beſchämt uns.
Sein purpurn Antlitz brennt, wenn er ſo viel Fla¬
ſchen ausſticht wie nur Fleck und der Prinz, nicht
röther als wenn er eine Taſſe Thee nippt. Wenn
wir wankend aufſtehen, ſagen ſie: er hinkt ja immer.
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/271>, abgerufen am 24.11.2024.
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