Karoline unterbrach die Rede, indem sie hell auflachte. Wenn sie damit der eben ausgesprochnen Weisung nachkam, sündigte sie doch sogleich dagegen, indem sie das Fenster aufriß. Der Lärm und das Gelächter draußen rief indeß auch die Tante heran. An der Ecke der Straße war ein Fischmarkt und es war nichts Ungewöhnliches, daß der alt berühmte Witz der Fischweiber gegen Käufer und Neugierige eine Art Auflauf veranlaßte. Diesmal war eine be¬ stimmte Person der Gegenstand der Lustigkeit. Der ältliche Herr hatte mit den sämmtlichen Verkäuferinnen ein Geschäft angeknüpft, und nachdem er sich aus jedem Fischkasten die fettesten Karpfen und Aale zei¬ gen lassen, alle befühlt und mit allen ihren Besitze¬ rinnen wegen des Preises unterhandelt. Wenn das schon nicht ohne beißende Bemerkungen von beiden Seiten abgegangen war, so steigerte sich das Gezänk in das, was man in Berlin ein "Aufgebot" nennt, als der Käufer sich endlich, wie sich von selbst ver¬ stand, für die Waare nur einer Verkäuferin entschied. Die übrigen erhoben sich und überschütteten mit einer Fluth nicht schmeichelhafter Namen den Käufer, der seinerseits einen nicht gewöhnlichen Muth zeigte, denn er harrte nicht allein aus, sondern haranguirte seine Feinde durch Gegenreden. Seine graciösen Gesticu¬ lationen bewiesen, daß er der Höflichere war, und man konnte bemerken, daß in das laute Gelächter der Menge auch seine aufgebrachtesten Feindinnen ein¬ stimmten. Ein schärferer Beobachter hätte indeß darin
18*
Karoline unterbrach die Rede, indem ſie hell auflachte. Wenn ſie damit der eben ausgeſprochnen Weiſung nachkam, ſündigte ſie doch ſogleich dagegen, indem ſie das Fenſter aufriß. Der Lärm und das Gelächter draußen rief indeß auch die Tante heran. An der Ecke der Straße war ein Fiſchmarkt und es war nichts Ungewöhnliches, daß der alt berühmte Witz der Fiſchweiber gegen Käufer und Neugierige eine Art Auflauf veranlaßte. Diesmal war eine be¬ ſtimmte Perſon der Gegenſtand der Luſtigkeit. Der ältliche Herr hatte mit den ſämmtlichen Verkäuferinnen ein Geſchäft angeknüpft, und nachdem er ſich aus jedem Fiſchkaſten die fetteſten Karpfen und Aale zei¬ gen laſſen, alle befühlt und mit allen ihren Beſitze¬ rinnen wegen des Preiſes unterhandelt. Wenn das ſchon nicht ohne beißende Bemerkungen von beiden Seiten abgegangen war, ſo ſteigerte ſich das Gezänk in das, was man in Berlin ein „Aufgebot“ nennt, als der Käufer ſich endlich, wie ſich von ſelbſt ver¬ ſtand, für die Waare nur einer Verkäuferin entſchied. Die übrigen erhoben ſich und überſchütteten mit einer Fluth nicht ſchmeichelhafter Namen den Käufer, der ſeinerſeits einen nicht gewöhnlichen Muth zeigte, denn er harrte nicht allein aus, ſondern haranguirte ſeine Feinde durch Gegenreden. Seine graciöſen Geſticu¬ lationen bewieſen, daß er der Höflichere war, und man konnte bemerken, daß in das laute Gelächter der Menge auch ſeine aufgebrachteſten Feindinnen ein¬ ſtimmten. Ein ſchärferer Beobachter hätte indeß darin
18*
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0289"n="275"/><p>Karoline unterbrach die Rede, indem ſie hell<lb/>
auflachte. Wenn ſie damit der eben ausgeſprochnen<lb/>
Weiſung nachkam, ſündigte ſie doch ſogleich dagegen,<lb/>
indem ſie das Fenſter aufriß. Der Lärm und das<lb/>
Gelächter draußen rief indeß auch die Tante heran.<lb/>
An der Ecke der Straße war ein Fiſchmarkt und es<lb/>
war nichts Ungewöhnliches, daß der alt berühmte<lb/>
Witz der Fiſchweiber gegen Käufer und Neugierige<lb/>
eine Art Auflauf veranlaßte. Diesmal war eine be¬<lb/>ſtimmte Perſon der Gegenſtand der Luſtigkeit. Der<lb/>
ältliche Herr hatte mit den ſämmtlichen Verkäuferinnen<lb/>
ein Geſchäft angeknüpft, und nachdem er ſich aus<lb/>
jedem Fiſchkaſten die fetteſten Karpfen und Aale zei¬<lb/>
gen laſſen, alle befühlt und mit allen ihren Beſitze¬<lb/>
rinnen wegen des Preiſes unterhandelt. Wenn das<lb/>ſchon nicht ohne beißende Bemerkungen von beiden<lb/>
Seiten abgegangen war, ſo ſteigerte ſich das Gezänk<lb/>
in das, was man in Berlin ein „Aufgebot“ nennt,<lb/>
als der Käufer ſich endlich, wie ſich von ſelbſt ver¬<lb/>ſtand, für die Waare nur einer Verkäuferin entſchied.<lb/>
Die übrigen erhoben ſich und überſchütteten mit einer<lb/>
Fluth nicht ſchmeichelhafter Namen den Käufer, der<lb/>ſeinerſeits einen nicht gewöhnlichen Muth zeigte, denn<lb/>
er harrte nicht allein aus, ſondern haranguirte ſeine<lb/>
Feinde durch Gegenreden. Seine graciöſen Geſticu¬<lb/>
lationen bewieſen, daß er der Höflichere war, und<lb/>
man konnte bemerken, daß in das laute Gelächter der<lb/>
Menge auch ſeine aufgebrachteſten Feindinnen ein¬<lb/>ſtimmten. Ein ſchärferer Beobachter hätte indeß darin<lb/><fwplace="bottom"type="sig">18*<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[275/0289]
Karoline unterbrach die Rede, indem ſie hell
auflachte. Wenn ſie damit der eben ausgeſprochnen
Weiſung nachkam, ſündigte ſie doch ſogleich dagegen,
indem ſie das Fenſter aufriß. Der Lärm und das
Gelächter draußen rief indeß auch die Tante heran.
An der Ecke der Straße war ein Fiſchmarkt und es
war nichts Ungewöhnliches, daß der alt berühmte
Witz der Fiſchweiber gegen Käufer und Neugierige
eine Art Auflauf veranlaßte. Diesmal war eine be¬
ſtimmte Perſon der Gegenſtand der Luſtigkeit. Der
ältliche Herr hatte mit den ſämmtlichen Verkäuferinnen
ein Geſchäft angeknüpft, und nachdem er ſich aus
jedem Fiſchkaſten die fetteſten Karpfen und Aale zei¬
gen laſſen, alle befühlt und mit allen ihren Beſitze¬
rinnen wegen des Preiſes unterhandelt. Wenn das
ſchon nicht ohne beißende Bemerkungen von beiden
Seiten abgegangen war, ſo ſteigerte ſich das Gezänk
in das, was man in Berlin ein „Aufgebot“ nennt,
als der Käufer ſich endlich, wie ſich von ſelbſt ver¬
ſtand, für die Waare nur einer Verkäuferin entſchied.
Die übrigen erhoben ſich und überſchütteten mit einer
Fluth nicht ſchmeichelhafter Namen den Käufer, der
ſeinerſeits einen nicht gewöhnlichen Muth zeigte, denn
er harrte nicht allein aus, ſondern haranguirte ſeine
Feinde durch Gegenreden. Seine graciöſen Geſticu¬
lationen bewieſen, daß er der Höflichere war, und
man konnte bemerken, daß in das laute Gelächter der
Menge auch ſeine aufgebrachteſten Feindinnen ein¬
ſtimmten. Ein ſchärferer Beobachter hätte indeß darin
18*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/289>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.