auch dämonisch: "An seinen schönen Augen Deine Hand, Du schändlich Weib! Erst über meinen Leib! den zertritt nun vollends."
"Die Weiber bringen sich um!" schrie es. "Po¬ lizei!" Schon arbeitete sich der Commissar durch die Thür. Das Weib hatte das Mädchen an der Schulter gepackt, wo der Degen gestreift. Das Mädchen stieß einen Schmerzensschrei aus und sank ohnmächtig nieder, während von hinten schon eine andere Megäre die Wüthende umklammerte. Auch hier eine abgefallene Larve, auch hier die lang verhaltene Wuth einer ge¬ meinen Natur, die keine Rücksichten mehr kennt!
Der Polizeibeamte sah nicht mehr des Cavaliers gezückten Degen, er hatte ihn eingesteckt, auch der geschwungene Sessel war längst aus Louis Händen zu Boden gefallen; er saß, zurückgesunken in einem Stuhl und starrte, Todtenblässe im Gesicht, auf das zu seinen Füßen liegende Mädchen, seine Lebens¬ retterin. Der Polizeibeamte sah nur die ringenden Weiber, eine blutbedeckte Hand von der zusammen¬ schnürenden Umarmung einer Wüthenden in die Luft gestreckt. Mit kräftigem Arm, mit dem Griff des Säbels, der unsanft auf ihre Schultern fuhr, riß er sie aus einander. Die beiden Sergeanten ergriffen die Obristin und Karolinen. Indem sein Blick umher¬ streifte, nach den übrigen Complicen zu suchen, fiel er zunächst auf Adelheid. Sie war, von Mitleid fortgerissen, neben der Verwundeten hingekniet; aus dem natürlichen Impuls sich den Blicken zu verbergen,
I. 20
auch dämoniſch: „An ſeinen ſchönen Augen Deine Hand, Du ſchändlich Weib! Erſt über meinen Leib! den zertritt nun vollends.“
„Die Weiber bringen ſich um!“ ſchrie es. „Po¬ lizei!“ Schon arbeitete ſich der Commiſſar durch die Thür. Das Weib hatte das Mädchen an der Schulter gepackt, wo der Degen geſtreift. Das Mädchen ſtieß einen Schmerzensſchrei aus und ſank ohnmächtig nieder, während von hinten ſchon eine andere Megäre die Wüthende umklammerte. Auch hier eine abgefallene Larve, auch hier die lang verhaltene Wuth einer ge¬ meinen Natur, die keine Rückſichten mehr kennt!
Der Polizeibeamte ſah nicht mehr des Cavaliers gezückten Degen, er hatte ihn eingeſteckt, auch der geſchwungene Seſſel war längſt aus Louis Händen zu Boden gefallen; er ſaß, zurückgeſunken in einem Stuhl und ſtarrte, Todtenbläſſe im Geſicht, auf das zu ſeinen Füßen liegende Mädchen, ſeine Lebens¬ retterin. Der Polizeibeamte ſah nur die ringenden Weiber, eine blutbedeckte Hand von der zuſammen¬ ſchnürenden Umarmung einer Wüthenden in die Luft geſtreckt. Mit kräftigem Arm, mit dem Griff des Säbels, der unſanft auf ihre Schultern fuhr, riß er ſie aus einander. Die beiden Sergeanten ergriffen die Obriſtin und Karolinen. Indem ſein Blick umher¬ ſtreifte, nach den übrigen Complicen zu ſuchen, fiel er zunächſt auf Adelheid. Sie war, von Mitleid fortgeriſſen, neben der Verwundeten hingekniet; aus dem natürlichen Impuls ſich den Blicken zu verbergen,
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auch dämoniſch: „An ſeinen ſchönen Augen Deine Hand,
Du ſchändlich Weib! Erſt über meinen Leib! den
zertritt nun vollends.“
„Die Weiber bringen ſich um!“ ſchrie es. „Po¬
lizei!“ Schon arbeitete ſich der Commiſſar durch die
Thür. Das Weib hatte das Mädchen an der Schulter
gepackt, wo der Degen geſtreift. Das Mädchen ſtieß
einen Schmerzensſchrei aus und ſank ohnmächtig nieder,
während von hinten ſchon eine andere Megäre die
Wüthende umklammerte. Auch hier eine abgefallene
Larve, auch hier die lang verhaltene Wuth einer ge¬
meinen Natur, die keine Rückſichten mehr kennt!
Der Polizeibeamte ſah nicht mehr des Cavaliers
gezückten Degen, er hatte ihn eingeſteckt, auch der
geſchwungene Seſſel war längſt aus Louis Händen
zu Boden gefallen; er ſaß, zurückgeſunken in einem
Stuhl und ſtarrte, Todtenbläſſe im Geſicht, auf das
zu ſeinen Füßen liegende Mädchen, ſeine Lebens¬
retterin. Der Polizeibeamte ſah nur die ringenden
Weiber, eine blutbedeckte Hand von der zuſammen¬
ſchnürenden Umarmung einer Wüthenden in die Luft
geſtreckt. Mit kräftigem Arm, mit dem Griff des
Säbels, der unſanft auf ihre Schultern fuhr, riß er
ſie aus einander. Die beiden Sergeanten ergriffen
die Obriſtin und Karolinen. Indem ſein Blick umher¬
ſtreifte, nach den übrigen Complicen zu ſuchen, fiel
er zunächſt auf Adelheid. Sie war, von Mitleid
fortgeriſſen, neben der Verwundeten hingekniet; aus
dem natürlichen Impuls ſich den Blicken zu verbergen,
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/319>, abgerufen am 24.11.2024.
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