die unzweifelhaft zu den Beinen gehörte, einen Angst¬ schrei aus. Er zog einen vollständigen Menschen herunter, weit vollständiger und anständiger gekleidet, als er, gefärbt wie er, nur nicht weiß vom Feder¬ staub, sondern schwarz vom Ruß.
"Ach Sie, Bovillard, sagte der Geschwärzte auf¬ athmend, Gott sei Dank! Ich glaubte, es wäre der Polizeicommissar."
"Ich freue mich auch ungemein, grade den Herrn v. St. Real zu begrüßen. Wie befinden sich Herr Kammerherr? Ein Anfall von Podagra fesselte Sie neulich zu meinem Bedauern an's Bette."
"Sie sehn, ich bin wieder passabel hergestellt."
"Ja, wer schon gymnastische Uebungen machen kann! Aber im Schornstein ist das doch etwas un¬ bequem. Da ist hier ein junger Lehrer an einem Gymnasium, ein Herr Jahn, der will öffentlich Un¬ terricht in der Gymnastik geben. Wie ich höre, beab¬ sichtigt er damit eine Verbesserung der deutschen Na¬ tion und insbesondere des Menschengeschlechts. Da sollten Sie sich melden, bester Kammerherr!"
"Pestilenz! Wo kommen Sie her, Bovillard?" rief der Kammerherr, sich schüttelnd.
"Von einem Dejeuner bei Dallach. Ich ver¬ sichere Sie, Kammerherr, der Mann perfectionirt sich. Austern, wie frisch aus der See, ein Caviar, und ein Burgunder, der Minister kann ihn nicht besser haben. Schade, daß Ihr Podagra den Bur¬ gunder, oder der Burgunder Ihr Podagra nicht ver¬
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die unzweifelhaft zu den Beinen gehörte, einen Angſt¬ ſchrei aus. Er zog einen vollſtändigen Menſchen herunter, weit vollſtändiger und anſtändiger gekleidet, als er, gefärbt wie er, nur nicht weiß vom Feder¬ ſtaub, ſondern ſchwarz vom Ruß.
„Ach Sie, Bovillard, ſagte der Geſchwärzte auf¬ athmend, Gott ſei Dank! Ich glaubte, es wäre der Polizeicommiſſar.“
„Ich freue mich auch ungemein, grade den Herrn v. St. Real zu begrüßen. Wie befinden ſich Herr Kammerherr? Ein Anfall von Podagra feſſelte Sie neulich zu meinem Bedauern an's Bette.“
„Sie ſehn, ich bin wieder paſſabel hergeſtellt.“
„Ja, wer ſchon gymnaſtiſche Uebungen machen kann! Aber im Schornſtein iſt das doch etwas un¬ bequem. Da iſt hier ein junger Lehrer an einem Gymnaſium, ein Herr Jahn, der will öffentlich Un¬ terricht in der Gymnaſtik geben. Wie ich höre, beab¬ ſichtigt er damit eine Verbeſſerung der deutſchen Na¬ tion und insbeſondere des Menſchengeſchlechts. Da ſollten Sie ſich melden, beſter Kammerherr!“
„Peſtilenz! Wo kommen Sie her, Bovillard?“ rief der Kammerherr, ſich ſchüttelnd.
„Von einem Dejeuner bei Dallach. Ich ver¬ ſichere Sie, Kammerherr, der Mann perfectionirt ſich. Auſtern, wie friſch aus der See, ein Caviar, und ein Burgunder, der Miniſter kann ihn nicht beſſer haben. Schade, daß Ihr Podagra den Bur¬ gunder, oder der Burgunder Ihr Podagra nicht ver¬
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die unzweifelhaft zu den Beinen gehörte, einen Angſt¬
ſchrei aus. Er zog einen vollſtändigen Menſchen
herunter, weit vollſtändiger und anſtändiger gekleidet,
als er, gefärbt wie er, nur nicht weiß vom Feder¬
ſtaub, ſondern ſchwarz vom Ruß.
„Ach Sie, Bovillard, ſagte der Geſchwärzte auf¬
athmend, Gott ſei Dank! Ich glaubte, es wäre der
Polizeicommiſſar.“
„Ich freue mich auch ungemein, grade den Herrn
v. St. Real zu begrüßen. Wie befinden ſich Herr
Kammerherr? Ein Anfall von Podagra feſſelte Sie
neulich zu meinem Bedauern an's Bette.“
„Sie ſehn, ich bin wieder paſſabel hergeſtellt.“
„Ja, wer ſchon gymnaſtiſche Uebungen machen
kann! Aber im Schornſtein iſt das doch etwas un¬
bequem. Da iſt hier ein junger Lehrer an einem
Gymnaſium, ein Herr Jahn, der will öffentlich Un¬
terricht in der Gymnaſtik geben. Wie ich höre, beab¬
ſichtigt er damit eine Verbeſſerung der deutſchen Na¬
tion und insbeſondere des Menſchengeſchlechts. Da
ſollten Sie ſich melden, beſter Kammerherr!“
„Peſtilenz! Wo kommen Sie her, Bovillard?“
rief der Kammerherr, ſich ſchüttelnd.
„Von einem Dejeuner bei Dallach. Ich ver¬
ſichere Sie, Kammerherr, der Mann perfectionirt
ſich. Auſtern, wie friſch aus der See, ein Caviar,
und ein Burgunder, der Miniſter kann ihn nicht
beſſer haben. Schade, daß Ihr Podagra den Bur¬
gunder, oder der Burgunder Ihr Podagra nicht ver¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/337>, abgerufen am 22.06.2024.
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