aber gebt Acht, daß Euch das Pferd nicht absattelt, denn ein edel Roß will gute Reiter."
"Bester Herr v. Bovillard!" rief der Kammerherr, dem das Haar sich zu sträuben anfing, als der andere im Selbstgespräch fortfuhr, und dabei bald mit dem Glase, bald mit der Flasche auf den Tisch stieß.
"Angestoßen, Kammerherr, schrie jener auf, auf die große lustige Wirthschaft, wo Einer den Andern betrügt, eine Hand die andere wäscht. Angestoßen auf den Kleister und Firniß der die Fäulniß zusam¬ menhält bis -- angestoßen!"
Der Zitternde stieß mit dem Glas gegen die Flasche, die Bovillard auf einen Zug leerte und dann in den Kamin schleuderte, wo sie in tausend Stücken zerbrach. "Bis dahin! Nicht wahr, -- zu Wasser, bis er bricht, darin sind wir einverstanden, wie es für vernünftige und gesetzte Leute sich schickt."
Er war aufgestanden und klopfte auf die Hand des Kammerherrn, die er mit dem andern Arm an seine Brust hielt: "Ja mein theuerster Herr v. St. Real, wenn Alle so verständig und gesetzt wären, wie wir beide! Diese Tagesfliegen schwärmen ums Licht, und wenn einer sich verbrennt, lacht der andre ver¬ gnügt, daß es ihn traf. Wir aber sehen die Nacht, wir sehen was hinter uns liegt, und sehen was vor uns kommt. A propos, was halten Sie denn von Napoleon?"
"Sie belieben zu scherzen. Ein Genie! Ein großes Genie! Machen Sie, daß wir fortkommen."
aber gebt Acht, daß Euch das Pferd nicht abſattelt, denn ein edel Roß will gute Reiter.“
„Beſter Herr v. Bovillard!“ rief der Kammerherr, dem das Haar ſich zu ſträuben anfing, als der andere im Selbſtgeſpräch fortfuhr, und dabei bald mit dem Glaſe, bald mit der Flaſche auf den Tiſch ſtieß.
„Angeſtoßen, Kammerherr, ſchrie jener auf, auf die große luſtige Wirthſchaft, wo Einer den Andern betrügt, eine Hand die andere wäſcht. Angeſtoßen auf den Kleiſter und Firniß der die Fäulniß zuſam¬ menhält bis — angeſtoßen!“
Der Zitternde ſtieß mit dem Glas gegen die Flaſche, die Bovillard auf einen Zug leerte und dann in den Kamin ſchleuderte, wo ſie in tauſend Stücken zerbrach. „Bis dahin! Nicht wahr, — zu Waſſer, bis er bricht, darin ſind wir einverſtanden, wie es für vernünftige und geſetzte Leute ſich ſchickt.“
Er war aufgeſtanden und klopfte auf die Hand des Kammerherrn, die er mit dem andern Arm an ſeine Bruſt hielt: „Ja mein theuerſter Herr v. St. Real, wenn Alle ſo verſtändig und geſetzt wären, wie wir beide! Dieſe Tagesfliegen ſchwärmen ums Licht, und wenn einer ſich verbrennt, lacht der andre ver¬ gnügt, daß es ihn traf. Wir aber ſehen die Nacht, wir ſehen was hinter uns liegt, und ſehen was vor uns kommt. A propos, was halten Sie denn von Napoleon?“
„Sie belieben zu ſcherzen. Ein Genie! Ein großes Genie! Machen Sie, daß wir fortkommen.“
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[333/0347]
aber gebt Acht, daß Euch das Pferd nicht abſattelt,
denn ein edel Roß will gute Reiter.“
„Beſter Herr v. Bovillard!“ rief der Kammerherr,
dem das Haar ſich zu ſträuben anfing, als der andere
im Selbſtgeſpräch fortfuhr, und dabei bald mit dem
Glaſe, bald mit der Flaſche auf den Tiſch ſtieß.
„Angeſtoßen, Kammerherr, ſchrie jener auf, auf
die große luſtige Wirthſchaft, wo Einer den Andern
betrügt, eine Hand die andere wäſcht. Angeſtoßen
auf den Kleiſter und Firniß der die Fäulniß zuſam¬
menhält bis — angeſtoßen!“
Der Zitternde ſtieß mit dem Glas gegen die
Flaſche, die Bovillard auf einen Zug leerte und dann
in den Kamin ſchleuderte, wo ſie in tauſend Stücken
zerbrach. „Bis dahin! Nicht wahr, — zu Waſſer,
bis er bricht, darin ſind wir einverſtanden, wie es
für vernünftige und geſetzte Leute ſich ſchickt.“
Er war aufgeſtanden und klopfte auf die Hand
des Kammerherrn, die er mit dem andern Arm an
ſeine Bruſt hielt: „Ja mein theuerſter Herr v. St.
Real, wenn Alle ſo verſtändig und geſetzt wären, wie
wir beide! Dieſe Tagesfliegen ſchwärmen ums Licht,
und wenn einer ſich verbrennt, lacht der andre ver¬
gnügt, daß es ihn traf. Wir aber ſehen die Nacht,
wir ſehen was hinter uns liegt, und ſehen was vor
uns kommt. A propos, was halten Sie denn von
Napoleon?“
„Sie belieben zu ſcherzen. Ein Genie! Ein
großes Genie! Machen Sie, daß wir fortkommen.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/347>, abgerufen am 15.06.2024.
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