Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

strophe hat alle Verhältnisse umgeworfen. Was sind
Nationalitäten? -- Irrlichter! Laterna Magicabilder!
Wenn man eine anders gefärbte Glasscheibe vorschiebt,
sehen sie anders aus. Wie Preußen sich selbst ge¬
funden hat in seinem großen Könige, so haben die
Franzosen sich in ihrem Bonaparte gefunden. Wie
Friedrich das Genie der Franzosen erkannte, erkennt
Napoleon den Genius, der in unserer Monarchie
lebt. Sie glauben gar nicht, wie man uns erkannt!
Wir sind, wie bestimmt von dem Geist über dem
Sternenzelt, brüderlich, Hand in Hand im Völker¬
bunde neben einander zu schreiten. Und da wollen
Querköpfe eine tudesque Idee dazwischen schieben.
Ich bitte Sie, ich wiederhole es, was sind Natio¬
nalitäten? Fragen Sie, wenn Sie Pfeffer kaufen,
von wem Sie ihn kaufen? Der billigste Verkäufer ist
der beste. Und wenn Sie verkaufen, wer den höchsten
Preis dafür zahlt, der ist der beste Käufer; nicht ob
er Italiener ist, Franzos oder Russe."

Dem Kaufmann aus der Brüderstraße schien
der Ideengang des Staatsmannes denn doch nicht
ganz geläufig. Er handelte nicht mit Pfeffer: "Herr
Geheimrath beliebten von einem Courier zu sprechen --"

Bovillard legte die Hand auf seinen Arm und
mäßigte die Stimme: "Nur Ihnen, und unter dem
Siegel des tiefsten Geheimnisses. Bovillard's Ge¬
sicht glänzte -- alle Mißverständnisse gehoben, alle
Schwierigkeiten ausgeglichen, der König und unser
Vaterland können sich glücklich schätzen, daß sie Diplo¬

ſtrophe hat alle Verhältniſſe umgeworfen. Was ſind
Nationalitäten? — Irrlichter! Laterna Magicabilder!
Wenn man eine anders gefärbte Glasſcheibe vorſchiebt,
ſehen ſie anders aus. Wie Preußen ſich ſelbſt ge¬
funden hat in ſeinem großen Könige, ſo haben die
Franzoſen ſich in ihrem Bonaparte gefunden. Wie
Friedrich das Genie der Franzoſen erkannte, erkennt
Napoleon den Genius, der in unſerer Monarchie
lebt. Sie glauben gar nicht, wie man uns erkannt!
Wir ſind, wie beſtimmt von dem Geiſt über dem
Sternenzelt, brüderlich, Hand in Hand im Völker¬
bunde neben einander zu ſchreiten. Und da wollen
Querköpfe eine tudesque Idee dazwiſchen ſchieben.
Ich bitte Sie, ich wiederhole es, was ſind Natio¬
nalitäten? Fragen Sie, wenn Sie Pfeffer kaufen,
von wem Sie ihn kaufen? Der billigſte Verkäufer iſt
der beſte. Und wenn Sie verkaufen, wer den höchſten
Preis dafür zahlt, der iſt der beſte Käufer; nicht ob
er Italiener iſt, Franzos oder Ruſſe.“

Dem Kaufmann aus der Brüderſtraße ſchien
der Ideengang des Staatsmannes denn doch nicht
ganz geläufig. Er handelte nicht mit Pfeffer: „Herr
Geheimrath beliebten von einem Courier zu ſprechen —“

Bovillard legte die Hand auf ſeinen Arm und
mäßigte die Stimme: „Nur Ihnen, und unter dem
Siegel des tiefſten Geheimniſſes. Bovillard's Ge¬
ſicht glänzte — alle Mißverſtändniſſe gehoben, alle
Schwierigkeiten ausgeglichen, der König und unſer
Vaterland können ſich glücklich ſchätzen, daß ſie Diplo¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0073" n="59"/>
&#x017F;trophe hat alle Verhältni&#x017F;&#x017F;e umgeworfen. Was &#x017F;ind<lb/>
Nationalitäten? &#x2014; Irrlichter! Laterna Magicabilder!<lb/>
Wenn man eine anders gefärbte Glas&#x017F;cheibe vor&#x017F;chiebt,<lb/>
&#x017F;ehen &#x017F;ie anders aus. Wie Preußen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ge¬<lb/>
funden hat in &#x017F;einem großen Könige, &#x017F;o haben die<lb/>
Franzo&#x017F;en &#x017F;ich in ihrem Bonaparte gefunden. Wie<lb/>
Friedrich das Genie der Franzo&#x017F;en erkannte, erkennt<lb/>
Napoleon den Genius, der in un&#x017F;erer Monarchie<lb/>
lebt. Sie glauben gar nicht, wie man uns erkannt!<lb/>
Wir &#x017F;ind, wie be&#x017F;timmt von dem Gei&#x017F;t über dem<lb/>
Sternenzelt, brüderlich, Hand in Hand im Völker¬<lb/>
bunde neben einander zu &#x017F;chreiten. Und da wollen<lb/>
Querköpfe eine tudesque Idee dazwi&#x017F;chen &#x017F;chieben.<lb/>
Ich bitte Sie, ich wiederhole es, was &#x017F;ind Natio¬<lb/>
nalitäten? Fragen Sie, wenn Sie Pfeffer kaufen,<lb/>
von wem Sie ihn kaufen? Der billig&#x017F;te Verkäufer i&#x017F;t<lb/>
der be&#x017F;te. Und wenn Sie verkaufen, wer den höch&#x017F;ten<lb/>
Preis dafür zahlt, der i&#x017F;t der be&#x017F;te Käufer; nicht ob<lb/>
er Italiener i&#x017F;t, Franzos oder Ru&#x017F;&#x017F;e.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Dem Kaufmann aus der Brüder&#x017F;traße &#x017F;chien<lb/>
der Ideengang des Staatsmannes denn doch nicht<lb/>
ganz geläufig. Er handelte nicht mit Pfeffer: &#x201E;Herr<lb/>
Geheimrath beliebten von einem Courier zu &#x017F;prechen &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Bovillard legte die Hand auf &#x017F;einen Arm und<lb/>
mäßigte die Stimme: &#x201E;Nur Ihnen, und unter dem<lb/>
Siegel des tief&#x017F;ten Geheimni&#x017F;&#x017F;es. Bovillard's Ge¬<lb/>
&#x017F;icht glänzte &#x2014; alle Mißver&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;e gehoben, alle<lb/>
Schwierigkeiten ausgeglichen, der König und un&#x017F;er<lb/>
Vaterland können &#x017F;ich glücklich &#x017F;chätzen, daß &#x017F;ie Diplo¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0073] ſtrophe hat alle Verhältniſſe umgeworfen. Was ſind Nationalitäten? — Irrlichter! Laterna Magicabilder! Wenn man eine anders gefärbte Glasſcheibe vorſchiebt, ſehen ſie anders aus. Wie Preußen ſich ſelbſt ge¬ funden hat in ſeinem großen Könige, ſo haben die Franzoſen ſich in ihrem Bonaparte gefunden. Wie Friedrich das Genie der Franzoſen erkannte, erkennt Napoleon den Genius, der in unſerer Monarchie lebt. Sie glauben gar nicht, wie man uns erkannt! Wir ſind, wie beſtimmt von dem Geiſt über dem Sternenzelt, brüderlich, Hand in Hand im Völker¬ bunde neben einander zu ſchreiten. Und da wollen Querköpfe eine tudesque Idee dazwiſchen ſchieben. Ich bitte Sie, ich wiederhole es, was ſind Natio¬ nalitäten? Fragen Sie, wenn Sie Pfeffer kaufen, von wem Sie ihn kaufen? Der billigſte Verkäufer iſt der beſte. Und wenn Sie verkaufen, wer den höchſten Preis dafür zahlt, der iſt der beſte Käufer; nicht ob er Italiener iſt, Franzos oder Ruſſe.“ Dem Kaufmann aus der Brüderſtraße ſchien der Ideengang des Staatsmannes denn doch nicht ganz geläufig. Er handelte nicht mit Pfeffer: „Herr Geheimrath beliebten von einem Courier zu ſprechen —“ Bovillard legte die Hand auf ſeinen Arm und mäßigte die Stimme: „Nur Ihnen, und unter dem Siegel des tiefſten Geheimniſſes. Bovillard's Ge¬ ſicht glänzte — alle Mißverſtändniſſe gehoben, alle Schwierigkeiten ausgeglichen, der König und unſer Vaterland können ſich glücklich ſchätzen, daß ſie Diplo¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/73
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/73>, abgerufen am 21.11.2024.