und mit feurigen Augen; sie kamen ihr wie die Erynnien vor. In dem Augenblick wünschte sie, sie hätte nicht angefangen.
Sie wollte das Licht auslöschen, sich ins Bett vergraben und die Decke über den Kopf ziehen, aber sie fürchtete sich ohne Licht. Da hörte sie die Stimme ihres Mannes, der draußen die Thüre öffnete: "Jo¬ hann, ich will zu Bett gehn." Aber Johann hörte nicht, auch nicht auf den wiederholten, verstärkten Ruf. Johann hatte sich auf ihr Geheiß zu Bett gelegt, um zu schwitzen. Es war ihr lieb, daß Jo¬ hann nicht hörte; er schlief also wahrscheinlich. "Dem thut es mehr Noth, dachte sie, und Lupinus kann sich selbst helfen."
Der Geheimrath schlug brummend die Thür zu, und mußte sich wohl selbst geholfen haben. Sie hörte nichts mehr. Auch die Fliegen hatten sich wieder zur Ruhe begeben. Aber nach einer Weile schellte sie nach der Jungfer. Sie schellte immer stärker und die Jungfer mußte aus dem Bette.
Als sie ins Zimmer kam, war die Geheimräthin eigentlich in Verlegenheit. Sie wußte nicht, warum sie nach ihr verlangt.
"Befehlen Frau Geheimräthin vielleicht Cremor Tartari? Oder soll ich Kamillenthee kochen?"
"Nein, mir ist ganz wohl, sagte die Geheim¬ räthin. Aber im nächsten Augenblick, sagte sie, Mor¬ gen früh solle zum Hofrath Heym geschickt werden: "Und ganz früh. Hört Sie Lisette. Damit sie ihn
und mit feurigen Augen; ſie kamen ihr wie die Erynnien vor. In dem Augenblick wünſchte ſie, ſie hätte nicht angefangen.
Sie wollte das Licht auslöſchen, ſich ins Bett vergraben und die Decke über den Kopf ziehen, aber ſie fürchtete ſich ohne Licht. Da hörte ſie die Stimme ihres Mannes, der draußen die Thüre öffnete: „Jo¬ hann, ich will zu Bett gehn.“ Aber Johann hörte nicht, auch nicht auf den wiederholten, verſtärkten Ruf. Johann hatte ſich auf ihr Geheiß zu Bett gelegt, um zu ſchwitzen. Es war ihr lieb, daß Jo¬ hann nicht hörte; er ſchlief alſo wahrſcheinlich. „Dem thut es mehr Noth, dachte ſie, und Lupinus kann ſich ſelbſt helfen.“
Der Geheimrath ſchlug brummend die Thür zu, und mußte ſich wohl ſelbſt geholfen haben. Sie hörte nichts mehr. Auch die Fliegen hatten ſich wieder zur Ruhe begeben. Aber nach einer Weile ſchellte ſie nach der Jungfer. Sie ſchellte immer ſtärker und die Jungfer mußte aus dem Bette.
Als ſie ins Zimmer kam, war die Geheimräthin eigentlich in Verlegenheit. Sie wußte nicht, warum ſie nach ihr verlangt.
„Befehlen Frau Geheimräthin vielleicht Cremor Tartari? Oder ſoll ich Kamillenthee kochen?“
„Nein, mir iſt ganz wohl, ſagte die Geheim¬ räthin. Aber im nächſten Augenblick, ſagte ſie, Mor¬ gen früh ſolle zum Hofrath Heym geſchickt werden: „Und ganz früh. Hört Sie Liſette. Damit ſie ihn
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und mit feurigen Augen; ſie kamen ihr wie die
Erynnien vor. In dem Augenblick wünſchte ſie, ſie
hätte nicht angefangen.
Sie wollte das Licht auslöſchen, ſich ins Bett
vergraben und die Decke über den Kopf ziehen, aber
ſie fürchtete ſich ohne Licht. Da hörte ſie die Stimme
ihres Mannes, der draußen die Thüre öffnete: „Jo¬
hann, ich will zu Bett gehn.“ Aber Johann hörte
nicht, auch nicht auf den wiederholten, verſtärkten
Ruf. Johann hatte ſich auf ihr Geheiß zu Bett
gelegt, um zu ſchwitzen. Es war ihr lieb, daß Jo¬
hann nicht hörte; er ſchlief alſo wahrſcheinlich. „Dem
thut es mehr Noth, dachte ſie, und Lupinus kann
ſich ſelbſt helfen.“
Der Geheimrath ſchlug brummend die Thür zu,
und mußte ſich wohl ſelbſt geholfen haben. Sie hörte
nichts mehr. Auch die Fliegen hatten ſich wieder zur
Ruhe begeben. Aber nach einer Weile ſchellte ſie
nach der Jungfer. Sie ſchellte immer ſtärker und
die Jungfer mußte aus dem Bette.
Als ſie ins Zimmer kam, war die Geheimräthin
eigentlich in Verlegenheit. Sie wußte nicht, warum
ſie nach ihr verlangt.
„Befehlen Frau Geheimräthin vielleicht Cremor
Tartari? Oder ſoll ich Kamillenthee kochen?“
„Nein, mir iſt ganz wohl, ſagte die Geheim¬
räthin. Aber im nächſten Augenblick, ſagte ſie, Mor¬
gen früh ſolle zum Hofrath Heym geſchickt werden:
„Und ganz früh. Hört Sie Liſette. Damit ſie ihn
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/88>, abgerufen am 21.11.2024.
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