Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Paradoxien, Raketenfeuer, was einen Augenblick an¬
genehm prasselt. So muß man es auffassen. Ein
Thor wer es für mehr nimmt. Oder glauben Sie,
daß aus diesen jungen Herren je etwas wird, vor¬
ausgesetzt, daß sie sich nicht bekehren, was übrigens
bald genug eintritt. Der extravagante Herr Bern¬
hardy giebt schon jetzt klein bei, und unterhandelt beim
Magistrat um eine Anstellung an der Schule. Ach
mein Freund, das praktische Leben bildet die Menschen,
und wenn der Brodkorb hochhängt, so lernt auch der
Lahme springen. Der Wackenroder hat einen braven
Vater, er wird schon zu sich kommen. Ich bitte Sie,
halten Sie es für möglich, daß diese Herren Schlegel
jemals nur auf einer Universität zugelassen werden!
Und dieser junge Mensch, der Monsieur Tic oder
Tique, der mit seinen krausen Phantasien die Welt
verkehrt machen will, glauben Sie, daß nach zehn
Jahren noch ein Hahn nach ihm kräht? In einem
Menschenalter ist sein Name vergessen. Gönnen wir
ihnen das Vergnügen, sich ein wenig sonnen in der
Gunst des Augenblicks und gaffen wir's an wie einen
Sonnenaufgang in der Oper. Mais mon cher, le
classique est eternel!
Racine und Corneille, welche
dieser Monsieur Schlegel wie Schulknaben traktirt,
seront pour toujours les delices du genre humain,
und könnte ich einen Blick in das Elysium werfen,
möchte ich le grand Voltaire sehen, wie er mit dem
grand Frederic sich über diese deutschen Kritiker mo¬
quirt, die an seinem Piedestal von Granit mit einem

6*

Paradoxien, Raketenfeuer, was einen Augenblick an¬
genehm praſſelt. So muß man es auffaſſen. Ein
Thor wer es für mehr nimmt. Oder glauben Sie,
daß aus dieſen jungen Herren je etwas wird, vor¬
ausgeſetzt, daß ſie ſich nicht bekehren, was übrigens
bald genug eintritt. Der extravagante Herr Bern¬
hardy giebt ſchon jetzt klein bei, und unterhandelt beim
Magiſtrat um eine Anſtellung an der Schule. Ach
mein Freund, das praktiſche Leben bildet die Menſchen,
und wenn der Brodkorb hochhängt, ſo lernt auch der
Lahme ſpringen. Der Wackenroder hat einen braven
Vater, er wird ſchon zu ſich kommen. Ich bitte Sie,
halten Sie es für möglich, daß dieſe Herren Schlegel
jemals nur auf einer Univerſität zugelaſſen werden!
Und dieſer junge Menſch, der Monſieur Tic oder
Tique, der mit ſeinen krauſen Phantaſien die Welt
verkehrt machen will, glauben Sie, daß nach zehn
Jahren noch ein Hahn nach ihm kräht? In einem
Menſchenalter iſt ſein Name vergeſſen. Gönnen wir
ihnen das Vergnügen, ſich ein wenig ſonnen in der
Gunſt des Augenblicks und gaffen wir's an wie einen
Sonnenaufgang in der Oper. Mais mon cher, le
classique est éternel!
Racine und Corneille, welche
dieſer Monſieur Schlegel wie Schulknaben traktirt,
seront pour toujours les délices du genre humain,
und könnte ich einen Blick in das Elyſium werfen,
möchte ich le grand Voltaire ſehen, wie er mit dem
grand Frédéric ſich über dieſe deutſchen Kritiker mo¬
quirt, die an ſeinem Piedeſtal von Granit mit einem

6*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0097" n="83"/>
Paradoxien, Raketenfeuer, was einen Augenblick an¬<lb/>
genehm pra&#x017F;&#x017F;elt. So muß man es auffa&#x017F;&#x017F;en. Ein<lb/>
Thor wer es für mehr nimmt. Oder glauben Sie,<lb/>
daß aus die&#x017F;en jungen Herren je etwas wird, vor¬<lb/>
ausge&#x017F;etzt, daß &#x017F;ie &#x017F;ich nicht bekehren, was übrigens<lb/>
bald genug eintritt. Der extravagante Herr Bern¬<lb/>
hardy giebt &#x017F;chon jetzt klein bei, und unterhandelt beim<lb/>
Magi&#x017F;trat um eine An&#x017F;tellung an der Schule. Ach<lb/>
mein Freund, das prakti&#x017F;che Leben bildet die Men&#x017F;chen,<lb/>
und wenn der Brodkorb hochhängt, &#x017F;o lernt auch der<lb/>
Lahme &#x017F;pringen. Der Wackenroder hat einen braven<lb/>
Vater, er wird &#x017F;chon zu &#x017F;ich kommen. Ich bitte Sie,<lb/>
halten Sie es für möglich, daß die&#x017F;e Herren Schlegel<lb/>
jemals nur auf einer Univer&#x017F;ität zugela&#x017F;&#x017F;en werden!<lb/>
Und die&#x017F;er junge Men&#x017F;ch, der Mon&#x017F;ieur Tic oder<lb/>
Tique, der mit &#x017F;einen krau&#x017F;en Phanta&#x017F;ien die Welt<lb/>
verkehrt machen will, glauben Sie, daß nach zehn<lb/>
Jahren noch ein Hahn nach ihm kräht? In einem<lb/>
Men&#x017F;chenalter i&#x017F;t &#x017F;ein Name verge&#x017F;&#x017F;en. Gönnen wir<lb/>
ihnen das Vergnügen, &#x017F;ich ein wenig &#x017F;onnen in der<lb/>
Gun&#x017F;t des Augenblicks und gaffen wir's an wie einen<lb/>
Sonnenaufgang in der Oper. <hi rendition="#aq">Mais mon cher, le<lb/>
classique est éternel!</hi> Racine und Corneille, welche<lb/>
die&#x017F;er Mon&#x017F;ieur Schlegel wie Schulknaben traktirt,<lb/><hi rendition="#aq">seront pour toujours les délices du genre humain</hi>,<lb/>
und könnte ich einen Blick in das Ely&#x017F;ium werfen,<lb/>
möchte ich <hi rendition="#aq">le grand Voltaire</hi> &#x017F;ehen, wie er mit dem<lb/><hi rendition="#aq">grand Frédéric</hi> &#x017F;ich über die&#x017F;e deut&#x017F;chen Kritiker mo¬<lb/>
quirt, die an &#x017F;einem Piede&#x017F;tal von Granit mit einem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">6*<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0097] Paradoxien, Raketenfeuer, was einen Augenblick an¬ genehm praſſelt. So muß man es auffaſſen. Ein Thor wer es für mehr nimmt. Oder glauben Sie, daß aus dieſen jungen Herren je etwas wird, vor¬ ausgeſetzt, daß ſie ſich nicht bekehren, was übrigens bald genug eintritt. Der extravagante Herr Bern¬ hardy giebt ſchon jetzt klein bei, und unterhandelt beim Magiſtrat um eine Anſtellung an der Schule. Ach mein Freund, das praktiſche Leben bildet die Menſchen, und wenn der Brodkorb hochhängt, ſo lernt auch der Lahme ſpringen. Der Wackenroder hat einen braven Vater, er wird ſchon zu ſich kommen. Ich bitte Sie, halten Sie es für möglich, daß dieſe Herren Schlegel jemals nur auf einer Univerſität zugelaſſen werden! Und dieſer junge Menſch, der Monſieur Tic oder Tique, der mit ſeinen krauſen Phantaſien die Welt verkehrt machen will, glauben Sie, daß nach zehn Jahren noch ein Hahn nach ihm kräht? In einem Menſchenalter iſt ſein Name vergeſſen. Gönnen wir ihnen das Vergnügen, ſich ein wenig ſonnen in der Gunſt des Augenblicks und gaffen wir's an wie einen Sonnenaufgang in der Oper. Mais mon cher, le classique est éternel! Racine und Corneille, welche dieſer Monſieur Schlegel wie Schulknaben traktirt, seront pour toujours les délices du genre humain, und könnte ich einen Blick in das Elyſium werfen, möchte ich le grand Voltaire ſehen, wie er mit dem grand Frédéric ſich über dieſe deutſchen Kritiker mo¬ quirt, die an ſeinem Piedeſtal von Granit mit einem 6*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/97
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/97>, abgerufen am 21.11.2024.